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  • Ghola

86 Beiträge seit 21.01.2006

im Auge des Betrachters

Lieber Herr Suchsland,

so sehr ich Ihre Film-Kritiken liebe, aber an dieser Stelle: 
"Ob mit der Beschneidung überhaupt der Körper versehrt wird, liegt im
Auge des Betrachters." habe ich aufgehört zu lesen. 

Es liegt nicht im Auge des Betrachters, sondern im "Auge" des
Beschnittenen. Fragen Sie doch mal all diejenigen, die damit leben
müssen, ohne es gewollt zu haben. 
Die Kritik an der Beschneidung hat m.E. auch nichts mit Islam- oder
Judenfeindlichkeit zu tun, sondern es ist schlicht berechtigte
Religionskritik! So wie auch die christliche Taufe im Kindesalter zu
kritisieren es. Diese mag sicherlich nicht derartige (traumatische)
Folgen habe sie im Falle der Beschneidung auftreten können. Nichts
desto trotz wird hier einem Menschen eine Religion übergestülpt und
hat mit einer bewussten Entscheidung des Getauften nichts zu tun.
Weshalb sie auch, zu Recht, von einigen "Kirchen" (Pfingstler z.B??)
abgelehnt wird. Diese Entscheidung kann aber zumindest durch Austritt
aus der Kirche rückgängig gemacht werden! Eine Beschneidung eben
nicht (so einfach). 
Natürlich ist die Argumentation nicht von der Hand zu weisen, dass
auch andere elterliche Entscheidungen die körperliche Unversehrtheit
des Kindes beeinflussen. Auch ich habe meine Kinder impfen lassen.
Bei weitem aber nicht gegen alles. Sondern hier ging eine konkrete
Abwegung von Nutzen und körperlichem Risiko voraus. Und das Dank der
flächendeckenden Impfungen Krankheiten wie Polio u.a. und damit die
KinderSTERBLICHKEIT bzw. physische Spätfolgen in der allgemeinen
Bevölkerung nicht nur drastisch zurückgegangen sind, sondern diese
Krankheiten bei uns als ausgerottet gelten, ist wohl unbestreitbar.
Worin bitte liegt aber der physische Nutzen einer Beschneidung für
eine Kind?!?! 
Es mag einen soziokulturellen geben. Den mag es aber auch für die
weibliche Genitalverstümmelung geben, oder für Holzscheiben in der
Unterlippe oder durch straffe Bandagen im Kleinkindalter deformierte
Köpfe. Ist das auch akzeptabel? 
Die angesprochenen Zahnspangen sind hierbei ein durchaus
interessantes Argument. Zum einen finde ich durchaus, das hier die
Einwilligung des Kindes wichtige ist. Gleichwohl Zahnkorrekturen in
der Regel nicht bei Säuglingen und Kleinkindern durchgeführt werden,
sondern in einem Alter, in dem das betroffene Kind durchaus in der
Lage ist, sich dafür oder dagegen zu entscheiden. Ich für meinen Teil
habe diese Entscheidung (dagegen) damals (13/14) getroffen, lebe
jetzt mit schiefen Zähne und bin trotzdem froh darüber. Darüber
hinaus ist auch hier der "Nutzen" mehr als fragwürdig. Aus
ernährungstechnischer Sicht wird wohl mehr als selten eine Indikation
für eine Korrektur gegeben sein und auch der "ästhetische" Mehrwert
ist fraglich. Zumindest erinnere ich mich an eine Sendung im  DLF
etwa im Jahr 2006 in der auf eine englische Studie verwiesen wurde,
in der Kinder mit/ohne Zahnspange in Bezug auf ihr späteres
Lebensglück verglichen wurden und sich dabei kein Unterschied
feststellen ließ. 

Was bleibt ist das Zugeständnis an Eltern, ihre Kinder im Geiste
einer bestimmten Religion o.ä. zu erziehen. Das sei ihnen doch auch
unbenommen, solange dem "Kind" die Möglichkeit offen gehalten wird,
sich später auch dagegen zu entscheiden und das heißt in aller
Konsequenz eben auch das man ihm seine religiöse Herkunft nicht
"ansieht". Wenn der Junge alt genug ist und immernoch der Meinung
ist, er müsse einem xtausend Jahre alten Irrglauben anhängen und sich
dafür Teile seines Körpers entledigen, bitte, soll er doch. Dies ist
dann aber auch seine, wenn auch nicht unbeeinflusste, eigene
Entscheidung. Die aber eben gerade in einem säkularen Land wie
Deutschland im Jahre 2012 sicherlich anders, spricht differenzierter,
ausfallen wird, als in bspw. Saudi-Arabien. In letzterem Fall wäre
eine solche Entscheidung mit Sicherheit nicht frei zutreffen und wird
mutmaßlich in 99,9% der Fälle pro Beschneidung ausfallen. Gleichwohl
kann ich mir durchaus vorstellen, dass sich bei weitem nicht jeder
Junge Mann im Alter von 14/15/16 so ohne Weiteres seiner Vorhaut
entledigen möchte, nur weil dies bei seinen Vorväter einst archaische
Tradition war. 

....


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