""Wer dieser Tage von Freiheitsrechten spricht", so Charlotte Wiedemann bereits Ende März 2020 in der "taz", "wird leicht der Verantwortungslosigkeit bezichtigt"."
Das liegt daran, daß viele, die mit dem großen Wort "Freiheit" um sich werfen, eigentlich nur meinen: "Ich will machen, was mir gefällt". Das ist zur Zeit oft leider verantwortungslos.
Ich fühle mich durch die wahre Flut an Artikeln unter Druck gesetzt und diffamiert, die alle mehr oder weniger offen behaupten, ich wäre ein Gegner der Freiheit, weil ich die Maßnahmen befürworte. Merkel hat vor einiger Zeit, lange vor Corona, mal sinngemäß gesagt: "Wir müssen Recht und Ordnung auf der einen Seite und Rechte und Freiheiten auf der anderen Seite ausbalancieren". Das ist das Mißverständnis, das vielen solchen Debatten zugrundeliegt: Freiheit ist nicht das Gegenteil von Recht und Ordnung.
Das Gegenteil von Recht und Ordnung ist Gesetzlosigkeit. Da tun und lassen die Lautesten und Skrupellosesten, was immer sie wollen, und der große Rest lebt unter dem Gesetz des Dschungels, dem Recht des Stärkeren. Wer "keine staatlichen Eingriffe" will, wer Gesetze und Vorschriften ablehnt, weil sie seine Freiheit einschränken, der soll bitte seine Koffer packen und in einen von rivalisierenden Warlords beherrschten "failed state" ziehen. Recht und Ordnung dienen gerade auch dazu, den Leiseren und Rücksichtsvolleren, den Kranken, Alten, Kindern die Rechte und Freiheiten zu gewähren, die sich sonst nur die selbsterklärten Alphatiere nehmen würden.
Meine Rechte und Freiheiten enden da, wo sie die Rechte und Freiheiten der anderen berühren. Ich kann nicht nachts um drei volltrunken vom Wasserloch nach Hause torkeln und erstmal meine Goatwhore-Platte voll aufdrehen. Die anderen wollen schlafen. Meine persönliche Interpretation des berühmten Spruchs von Friedrich Engels (Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit) ist: "Eine Gesellschaft ist am freiesten, wenn die Menschen die Notwendigkeit einsehen, auch die Rechte und Freiheiten ihrer Mitmenschen zu respektieren". Zugegeben, das ist wahrscheinlich nicht das, was er damit sagen wollte, aber was soll's.
Natürlich ist es immer wichtig, Eingriffe in Grundrechte diskutieren und kritisieren zu können, wenn sie einem unverhältnismäßig erscheinen. Ich bin es aber leid, ununterbrochen als "Zeuge Coronas", "Schaf", "obrigkeitshörig", "Blockwart", "intelligenzbefreit", "Denunziant" usw bezeichnet zu werden, das hat mit Diskussion oder Kritik nichts zu tun. Und mir dann in gefühlt drei Artikeln pro Woche alleine hier bei TP das Gejammer darüber anzuhören, wie unterdrückt die tapferen Freiheitskämpfer doch sind.
Dabei sind genau sie es, die die Misere ins Unendliche verlängern. Die Erfolge anderer Staaten (Neuseeland, Asien) mit schnelleren und teilweise härteren Maßnahmen zeigen, daß die Gesellschaft als Ganzes am schnellsten zum gewohnten Leben in Freiheit zurückkehren kann, wenn sich alle mal acht oder zehn Wochen am Riemen reißen, harte Maßnahmen einhalten und Rücksicht auf ihre Mitmenschen nehmen, statt jedesmal sofort Lockerungen zu ertrotzen, sobald die Zahlen mal ein bißchen sinken.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.12.2020 11:50).