Friedrich_678 schrieb am 27. Mai 2005 10:23
> cui bono schrieb am 27. Mai 2005 6:30
> > Meister der Heuchelei
> > Bush "erstaunt" über die jüngste Entwicklung in Deutschland.
> > Daß ich nicht lache!
> > ____________________________________________
> > 119119 n-tv text Fr.27.05. 06:05:13
> >
>
> Wieso ist das zum Lachen? Eher zum Heulen: Immerhin zeigt es doch,
> dass die Analaysetrupps keinerlei Ahnung haben und Bush erst recht
> nicht. Wie kann man erstaunt sein ueber eine Entwicklung, wenn man
> eine Situation seit Jahrzehnten beobachtet, kontrolliert und immer
> wieder beeinflusst?
Die Überschrift hieß doch: Meister der Heuchelei. D.h. ich glaube das
keine Sekunde lang und bin deshalb umso empörter darüber, daß Bush
auch noch ein solcher Text geschrieben wird. Wenn man Bush sagen
läßt, er wäre erstaunt, dann soll das doch nichts anderes
suggerieren, als daß man keine Ahnung hätte, was in Deutschland
abgeht - und Helmut Kohl stellt sich für diese Farce natürlich auch
noch als Statist zur Verfügung! Dabei wissen die transatlantischen
Strategen im Hintergund selbstverständlich allerbestens, was hier
abgeht - schließlich sind sie es, die kräftigst daran mitwirken...
Ich steige mal im Jahr 2002 ein, obwohl das Thema eine Geschichte
hat, die bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückreicht:
...Allmählich schwante es auch den Strategen der nunmehr in ihrer
Rolle bedrohten Supermacht, daß der deutsche Kanzler, der sich
anläßlich des Krieges gegen Rest-Jugoslawien trotz seines
nicht-lizensierten grünen Koalitionspartners als treuer Vasall
bewiesen hatte, keineswegs aus im Zweifelsfalle nachvollziehbaren,
also verzeihlichen, weil reinen Wahlkampfgründen eine aktive
Beteiligung Deutschlands am Abenteuer Irak -sei es militärischer oder
finanzieller Art- kategorisch ausgeschlossen hatte, sondern
tatsächlich im Begriff stand, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Zu
allem Ärger hatte er entgegen aller Prognosen die Wahl im Herbst 2002
auch noch gewonnen und drohte, Deutschland für weitere vier Jahre dem
sicheren Zugriff vermittels einer von den Unionsparteien geführten
Regierung zu entziehen. Das Fazit auf Seiten des Supermacht, dem nun
noch entschlosseneres Handeln zu folgen hatte, lautete also
endgültig: "Germany is a problem".
Als hätte irgendwo ein unsichtbarer Taktstock das Zeichen gegeben,
setzte in Deutschland sofort nach der Wahl eine so massive Kampagne
gegen das gesamte Spektrum der Politik der Bundesregierung ein, wie
sie die Republik in ihrer freilich immer noch jungen Geschichte noch
nie erlebt hatte. Obwohl es der Kanzler nicht versäumt hatte, sich
die eigentlich natürlichen Verbündeten der Supermacht, also die
ortsansässigen Vertreter international agierender Kapitalunternehmen
durch wiederholte Zuteilungen aus dem Topf der kleinen Steuerzahler
gewogen zu halten, griffen sie begierig zu, als die Mittelsmänner der
Supermacht ihre Verbandsvertreter mit dem Ansinnen konfrontierten,
die rot-grüne Regierung durch eine schwarz-gelbe ersetzen zu wollen.
Nach einem halben Jahr unausgesetzten medialen Bombardements gegen
die nur noch als "rot-grün" bezeichnete Bundesregierung und daraus
folgender fortgesetzter Wahlniederlagen auf Landesebene, gab sich der
Kanzler einen Ruck und verkündete in den Iden des März 2003 ein
Programm, das selbst seine ergebensten Genossen -sofern sie nicht zum
überschaubaren Kreis der Eingeweihten gehörten- als Verrat betrachten
mußten: die Agenda 2010. Zugleich versuchte er unter Hochdruck die
neue Allianz der Unwilligen gegenüber dem Hegemon zu stärken. Und muß
damit so erfolgreich gewesen sein, daß die Gegenseite nun zum Angriff
auf seinen Außenminister blies, den mit Abstand beliebtesten
Politiker des Landes. Aufbauend auf der Erfahrung, daß nichts so sehr
den Menschen vom Tier unterscheidet, wie das Ressentiment, ließ man
-in die unterste Schublade der Trickkiste greifend- einen "Skandal"
vom Stapel, der die niedersten Instinkte der Massen ansprechen mußte:
Schwarzarbeiter, die zu hunderttausenden heimischen Arbeitskräften
die Arbeitsplätze wegnahmen, Menschenhandel und Zwangprostitution -
und der Schuldige: Joschka Fischer, der bis dahin beliebteste
Politiker des Landes! Erst als Monate später durch den zur Aufklärung
der angeblichen Affäre gebildeten Untersuchungsausschuß ans Licht
kam, daß genau dieselben Probleme bei der Visa-Erteilung bereits seit
der Öffnung der osteuropäischen Länder von innen her bestanden, weil
man eben danach nicht einen völlig undurchlässigen eisernen Vorhang
vom Westen her errichten wollte, erst seit bekannt wurde, daß auch
schon zu Zeiten der schwarz-gelben Vorgängerregierung genau dieselben
Klagen aus den Botschaften kamen (die damals übrigens bis zum Schluß
völlig ungehört verhallten!), erst als bekannt wurde, daß schon
Außenminister Kinkel einen Erlaß herausgab, in dem es wörtlich heißt
"im Zweifel für den Antragsteller" - erst seitdem, nein, just seitdem
herrschte plötzlich und wie aus einem Munde ... Schweigen im
Medienwald!
In der Zwischenzeit jedoch lieferte das ZDF-Politbarometer mit
unseriösen Methoden eilfertig den "Beweis", daß nunmehr ein außerhalb
der engeren Parteigefolgschaft eigentlich weithin Unbekannter Joschka
Fischer den Rang abgelaufen hätte. Und brav echote diese Botschaft
solange durch alle Medien, bis sie die Leute schließlich selbst
glaubten, d.h. auch seriös arbeitende Demoskopen zu ähnlichen
Ergebnissen kamen. Ein gewisser Wulff war nun als der angeblich
beliebteste Politiker Deutschlands etabliert. Durch gründliche
Bearbeitung würde man den farblosen Langweiler in anderthalb Jahren
soweit haben, dem Kanzler ein weitaus gefährlicherer Gegenkandidat zu
werden, als es die hoffnungslos uncharismatische Parteivorsitzende
Merkel je hätte werden können...
Das alles ist ganz und gar nicht zum lachen, denn wie sagte schon
Erich Kästner?
Was auch immer geschieht:
Nie sollt ihr so tief sinken;
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken.
Eben darum sagte ich ja auch über das angebliche Staunen der
US-Administration: daß ich nicht lache!
> cui bono schrieb am 27. Mai 2005 6:30
> > Meister der Heuchelei
> > Bush "erstaunt" über die jüngste Entwicklung in Deutschland.
> > Daß ich nicht lache!
> > ____________________________________________
> > 119119 n-tv text Fr.27.05. 06:05:13
> >
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> Wieso ist das zum Lachen? Eher zum Heulen: Immerhin zeigt es doch,
> dass die Analaysetrupps keinerlei Ahnung haben und Bush erst recht
> nicht. Wie kann man erstaunt sein ueber eine Entwicklung, wenn man
> eine Situation seit Jahrzehnten beobachtet, kontrolliert und immer
> wieder beeinflusst?
Die Überschrift hieß doch: Meister der Heuchelei. D.h. ich glaube das
keine Sekunde lang und bin deshalb umso empörter darüber, daß Bush
auch noch ein solcher Text geschrieben wird. Wenn man Bush sagen
läßt, er wäre erstaunt, dann soll das doch nichts anderes
suggerieren, als daß man keine Ahnung hätte, was in Deutschland
abgeht - und Helmut Kohl stellt sich für diese Farce natürlich auch
noch als Statist zur Verfügung! Dabei wissen die transatlantischen
Strategen im Hintergund selbstverständlich allerbestens, was hier
abgeht - schließlich sind sie es, die kräftigst daran mitwirken...
Ich steige mal im Jahr 2002 ein, obwohl das Thema eine Geschichte
hat, die bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückreicht:
...Allmählich schwante es auch den Strategen der nunmehr in ihrer
Rolle bedrohten Supermacht, daß der deutsche Kanzler, der sich
anläßlich des Krieges gegen Rest-Jugoslawien trotz seines
nicht-lizensierten grünen Koalitionspartners als treuer Vasall
bewiesen hatte, keineswegs aus im Zweifelsfalle nachvollziehbaren,
also verzeihlichen, weil reinen Wahlkampfgründen eine aktive
Beteiligung Deutschlands am Abenteuer Irak -sei es militärischer oder
finanzieller Art- kategorisch ausgeschlossen hatte, sondern
tatsächlich im Begriff stand, auf eigene Rechnung zu arbeiten. Zu
allem Ärger hatte er entgegen aller Prognosen die Wahl im Herbst 2002
auch noch gewonnen und drohte, Deutschland für weitere vier Jahre dem
sicheren Zugriff vermittels einer von den Unionsparteien geführten
Regierung zu entziehen. Das Fazit auf Seiten des Supermacht, dem nun
noch entschlosseneres Handeln zu folgen hatte, lautete also
endgültig: "Germany is a problem".
Als hätte irgendwo ein unsichtbarer Taktstock das Zeichen gegeben,
setzte in Deutschland sofort nach der Wahl eine so massive Kampagne
gegen das gesamte Spektrum der Politik der Bundesregierung ein, wie
sie die Republik in ihrer freilich immer noch jungen Geschichte noch
nie erlebt hatte. Obwohl es der Kanzler nicht versäumt hatte, sich
die eigentlich natürlichen Verbündeten der Supermacht, also die
ortsansässigen Vertreter international agierender Kapitalunternehmen
durch wiederholte Zuteilungen aus dem Topf der kleinen Steuerzahler
gewogen zu halten, griffen sie begierig zu, als die Mittelsmänner der
Supermacht ihre Verbandsvertreter mit dem Ansinnen konfrontierten,
die rot-grüne Regierung durch eine schwarz-gelbe ersetzen zu wollen.
Nach einem halben Jahr unausgesetzten medialen Bombardements gegen
die nur noch als "rot-grün" bezeichnete Bundesregierung und daraus
folgender fortgesetzter Wahlniederlagen auf Landesebene, gab sich der
Kanzler einen Ruck und verkündete in den Iden des März 2003 ein
Programm, das selbst seine ergebensten Genossen -sofern sie nicht zum
überschaubaren Kreis der Eingeweihten gehörten- als Verrat betrachten
mußten: die Agenda 2010. Zugleich versuchte er unter Hochdruck die
neue Allianz der Unwilligen gegenüber dem Hegemon zu stärken. Und muß
damit so erfolgreich gewesen sein, daß die Gegenseite nun zum Angriff
auf seinen Außenminister blies, den mit Abstand beliebtesten
Politiker des Landes. Aufbauend auf der Erfahrung, daß nichts so sehr
den Menschen vom Tier unterscheidet, wie das Ressentiment, ließ man
-in die unterste Schublade der Trickkiste greifend- einen "Skandal"
vom Stapel, der die niedersten Instinkte der Massen ansprechen mußte:
Schwarzarbeiter, die zu hunderttausenden heimischen Arbeitskräften
die Arbeitsplätze wegnahmen, Menschenhandel und Zwangprostitution -
und der Schuldige: Joschka Fischer, der bis dahin beliebteste
Politiker des Landes! Erst als Monate später durch den zur Aufklärung
der angeblichen Affäre gebildeten Untersuchungsausschuß ans Licht
kam, daß genau dieselben Probleme bei der Visa-Erteilung bereits seit
der Öffnung der osteuropäischen Länder von innen her bestanden, weil
man eben danach nicht einen völlig undurchlässigen eisernen Vorhang
vom Westen her errichten wollte, erst seit bekannt wurde, daß auch
schon zu Zeiten der schwarz-gelben Vorgängerregierung genau dieselben
Klagen aus den Botschaften kamen (die damals übrigens bis zum Schluß
völlig ungehört verhallten!), erst als bekannt wurde, daß schon
Außenminister Kinkel einen Erlaß herausgab, in dem es wörtlich heißt
"im Zweifel für den Antragsteller" - erst seitdem, nein, just seitdem
herrschte plötzlich und wie aus einem Munde ... Schweigen im
Medienwald!
In der Zwischenzeit jedoch lieferte das ZDF-Politbarometer mit
unseriösen Methoden eilfertig den "Beweis", daß nunmehr ein außerhalb
der engeren Parteigefolgschaft eigentlich weithin Unbekannter Joschka
Fischer den Rang abgelaufen hätte. Und brav echote diese Botschaft
solange durch alle Medien, bis sie die Leute schließlich selbst
glaubten, d.h. auch seriös arbeitende Demoskopen zu ähnlichen
Ergebnissen kamen. Ein gewisser Wulff war nun als der angeblich
beliebteste Politiker Deutschlands etabliert. Durch gründliche
Bearbeitung würde man den farblosen Langweiler in anderthalb Jahren
soweit haben, dem Kanzler ein weitaus gefährlicherer Gegenkandidat zu
werden, als es die hoffnungslos uncharismatische Parteivorsitzende
Merkel je hätte werden können...
Das alles ist ganz und gar nicht zum lachen, denn wie sagte schon
Erich Kästner?
Was auch immer geschieht:
Nie sollt ihr so tief sinken;
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken.
Eben darum sagte ich ja auch über das angebliche Staunen der
US-Administration: daß ich nicht lache!