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  • franziska (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 15.04.2016

in der Tat; pragmatische Einschätzung

Die grösste Differenz beim Umgang mit der SARE-Welle ist: Ob man, bei Verzicht auf die Kontaktbeschränkungen, ein "exponentielles Wachstum" zu erwarten hat, oder eben nicht. Dahinter stehen bestimmte, und ich kann es nur wiederholen, EXTREM laienhafte Vorstellungen vom Funktionieren unseres Immunsystems, die in die Modellierungen von Physikern wie Meyer-Herrmann und Viola Priesemann einfliessen.
Ich habe die Fülle an ungeklärten Fragen deshalb nochmal aufgezählt - und es sind ausnahmslos Fragen, wo die Antwort praktisch einen Unterschied macht - , weil Regierung, Medien, Öffentlichkeit sich vormachen, in Gestalt einzelner Repräsentanten DER Wissenschaft die massgebliche und kompetente Einschätzung geliefert zu bekommen, die sie zum Entscheiden braucht. Man rechnet viel zu wenig mit der Selbst-Überschätzng einzelner Fachvertreter, die ihre Rolle garnicht in betrügerischer Absicht einnehmen, vielmehr natürlich auch in die Position DES auskunfts-befähigten Experten gedrängt werden, und sich genau dann drängen lassen, wenn sie selbst (uU zuunrecht, aber für sie selbst nicht erkennbar) annehmen, alles für Einschätzungen Wesentliche im Blick zu haben.

Es mengen sich an der Stelle aber zwei wesentliche weitere Motive ein, die die Stellung der Laien zur Wissenschaft komplizieren:
1. anspruchsvolle Risikobewertungen: Man will auf der sicheren Seite sein; bei zwei (für Laien) irgendwie gleich wahrscheinlich aussehenden Hypothesen wählt man die "worst case"-artige, und das ist die, die Fallzahl-Explosion annimmt. Zumindest so lang tut man das, wie man ZUGLEICH bereits Bewältigbarkeit der Situation mit einigermassen tragbaren Kosten unterstellt (nächste Quelle von Fehleinschätzungen: die Kosten werden nicht übersehen und ab einem gewissen Zeitpunkt aus genau dem Grund ignoriert)
2. technizistische Kontrollillusionen: Man wählt diejenige Wissenschaftsrichtung, und solche Einschätzungen, die, wenn zutreffend, optimale Kontrolle über das Geschehen versprechen: Wir können testen, wir können sogar Präventiv-Massnahmen daraus ableiten, wir können effektiv und mit wenig Kosten Prävention betreiben, wir können sogar die Gefahr ganz unterbinden (Fallzahlen auf Null, Impfung), wir können Fristen kalkulieren usw. Allein das erklärt bereits, dass die notwendigen Vereinfachungen in der Wahrnehmung der verfügbaren wissenschaftlichen Expertise vorgenommen werden in Richtung von stark bio-technisch orieniterten Labor- und Modell-Disziplinen, bei denen die Güte ihrer Erkenntnisse erstmal garicht überprüft wird, weil man schlichtweg WILL, dass sie rechthaben. Während Fachvertreter, die im nachhinein einzelne Elemente des gesamtbilds (aber eben nur sie) infragestellen, wie Nörgler erscheinen, oder eben Quertreiber, denen die ganze Richtung (die längst ein ungeheures Eigengewicht und Kompaktheit angenommen hat) nicht passt).

Mit diesen drei Sachlagen bzw Motiven ist eine Situation konstelliert, aus der es, wenn nicht Wunder geschehen, im Rahmen des derzeitigen Vergesellschaftungsniveaus keinen Ausweg mehr gibt - abgesehen von massiven Misserfolgserfahrungen, die dann im Rahmen des gewählten "Kontroll"-Szenarios zu einem resignierenden Einlenken (wie es sich im aktuellen Artikel von Neuber andeutet) führen - aber nicht zu irgendeiner neuen Einsicht. Vor allem kommen, sekundär, kognitive Dissonanz und vielfältige verstärkende "Bias-" Versionen hinzu, die den eingeschlagenen Weg zementieren.

Will man das, zu seinem Privatvergnügen, nochmal, wie wir hier, kognitiv aufdröseln, muss man zu den völlig unaufgelösten Anfangs-Fragestellungen zurückkehren.
In pragmatischer Absicht kann das leider nicht mehr geschehen.
Der Zug ist nicht etwa bloss abgefahren; tatsächlich ist dieser mataphorische Zug, speziell wenn man an die verfahrene Wissenschafts-Situation denkt, nie im Bahnhof angekommen.

Das wäre meine vorläufige Antwort.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.01.2021 11:11).

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