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  • Joshi

mehr als 1000 Beiträge seit 26.06.2001

"...und die Zahl der Toten steigt weiter"

Wenn man sich den Link ganz am Ende des Artikels anschaut, der belegen soll, dass die Anzahl der Toten "weiter steigt", dann gibt es eine Reihe von Gründen skeptisch zu sein:

- von "weiter steigen" kann keine Rede sein - in den drei Monaten zuvor sind die Werte nämlich Monat für Monat rapide gesunken und lagen dabei jedes Mal auf einem Niveau weit unter dem Durchschnitt

- wie man der Legende der dort gezeigten Grafik entnehmen kann, handelt es sich bei den benutzten Werten um eher willkürliche Schätzwerte, bei denen auch das persönliche Motiv des/der Schätzenden eine grosse Rolle spielt

- In diesem Fall stammen diese Schätzwerte von "ISPI", wo der Verfasser des entsprechenden Postings auch arbeitet. ISPI steht für "Italian Institute for International Political Studies (ISPI)"; auf Wikipedia findet man lediglich in der italienischen Version Informationen zu diesem Institut, auf ihrer Homepage beschreiben sie sich als "Think-Tank", der "policy-oriented research" betreibt

- Der letzte, plötzlich wieder auffallend hohe Wert (auf den der Verfasser des Tweets offenbar alle Aufmerksamkeit richten möchte), wurde merkwürdigerweise anders berechnet als alle anderen Werte zuvor: Während alle anderen Werte immer Monatswerte zeigen (vom 1. bis zum letzten Tag eines konkreten Monats), hat er für den letzten, "Juni"-Wert noch zwei Tage des Folgemonats "Juli" miteinbezogen - es ist zu vermuten, dass es an diesen beiden Tagen zu irgendeinem Unglück kam, das man unbedingt noch in der Grafik miteinbeziehen wollte, weil es den letzten Wert stark nach oben gezogen hat

Der mit Abstand wichtigste Kritikpunkt ist aber der folgende:

- Die verlinkte Grafik zeigt gar nicht, wie im Artikel behauptet, die Anzahl der Toten - sondern den Prozentsatz derjenigen, die auf der Überfahrt von Libyen gestorben oder vermisst gegangen sind. Statt eines dramatischen Anstiegs der Anzahl der Toten könnte die Anzahl der Toten in Wahrheit also sogar gefallen sein, ohne dass es der Grafik widersprechen würde

Fazit: Der Verfasser des Tweets und der dort gezeigten Grafik verfolgt offenbar ein bestimmtes Motiv und eine Agenda, und greift ganz tief in die Trickkiste, um den Eindruck zu erwecken, dass die Anzahl der Toten zuletzt dramatisch gestiegen sei. Ein schönes Beispiel für "Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast".

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