victa schrieb am 11.10.2023 16:43:
Feldor schrieb am 11.10.2023 14:18:
Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wie häufig die Erzählung "X hat das gemacht, deswegen wird Y das auch so machen" in letzter Zeit gesponnen wird.
Sie sind es doch selbst der diese Erzählung so spinnt. Dabei ist die von Ihnen unterstellte Schlussfolgerung bzw. Prognose überhaupt nicht die Kernaussage des Artikels.
Mein Kommentar bezieht sich selbstverständlich auf die Aussagen des südkoreanischen Generalstabchefs, nicht auf den Autor des Artikels. Hierzu steht im Artikel:
Der Chef des südkoreanischen Generalstabs habe am Dienstag vor dem Verteidigungsausschuss der Nationalversammlung sogar erklärt, Nordkorea bereite sich "auf die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs vor, bei dem die gleiche Taktik wie bei den Angriffen der Hamas auf Israel angewendet wird", berichtet Yonhap News.
Der Generalstabschef wirft Nordkorea hier ausdrücklich vor, sich auf die Möglichkeit eines Angriffs wie die Hamas vorzubereiten. Da gibt es auch nicht viel Interpretationsspielraum, weil der Mann sich sehr klar und eindeutig geäußert hat.
Was hat Nordkorea mit der Hamas zu tun? Nichts. Da gibt es überhaupt keinen Zusammenhang und man braucht schon eine Menge Fantasie, um überhaupt erstmal auf diesen Gedanken zu kommen.
Nordkorea ist in vielerlei Hinsicht dort angekommen wo die Hamas hin will. Es handelt sich de-facto um eine absolute Erbmonarchie mit klerikal-faschistischen Elementen. Ich hoffe ja Sie glauben nicht wirklich die Propagandamärchen, dass die "demokratische Volksrepublik Korea" irgendwas mit Demokratie oder Republik zu tun hat. Selbst die sozialistischen/kommunistischen Bezüge wurden in diesem Land schon seit langem durch die esoterische Staatsreligion "Juche" ersetzt, auf welche sich die Herrschaftsdynastie der Kims begründet.
Nordkorea ist kein islamistisches Land. Es ist natürlich eine Diktatur, und meinetwegen kann man auch den Begriff "absolute Erbmonarchie" mittlerweile durchgehen lassen, aber das ist ja nichtmal das Ziel der Hamas. Wo behauptet die Hamas denn, dass sie eine absolute Erbmonarchie einrichten möchte? Wer soll den der "König" der Hamas werden? Die wollen ihren islamistischen Staat, aber mit monarchistischen Vorstellungen hat das nichts zu tun.
Mal abgesehen davon: Wenn es tatsächlich so wäre, wie Sie behaupten, wenn also Nordkorea dort angekommen ist, wo die Hamas hinmöchte - dann gäbe es für Nordkorea überhaupt keinen Grund, auf vergleichbare Methoden zurückzugreifen. Die Hamas verübt ja deshalb Terroranschläge, weil andere Möglichkeiten fehlen. Nordkorea könnte einfach seine reguläre Armee einsetzen, die haben solche Vorgehensweisen gar nicht nötig.
Aber sicher passt es in die Politik des südkoreanischen Präsidenten, der anders als sein Vorgänger vor allem auf Konfrontation und nicht auf Diplomatie setzt. Er hat nämlich noch letztes Jahr im Wahlkampf von einem Präventivschlag gegen Nordkorea fantasiert: https://www.koreatimes.co.kr/www/nation/2022/03/356_322205.html
Davon "fantasiert" auch die Nordkoreanische Führung. Und es würde mich nicht wundern, wenn auch dort nicht auf beiden Seiten Pläne für einen Präventivschlag in den Schubladen der jeweiligen Falken liegen. Die Frage wer zu erst angegriffen hat ist übrigens weniger entscheidend als die Frage wer am ende gewonnen hat. Das ist nur wichtig für das internationale Image. Offiziell überfällt ja schon lang kein Land mehr ein anderes, sondern verteidigt sich nur. Zur Not eben auch mit Präventivschlägen.
In welchem Umfang Nordkorea solche Pläne hat, kann ich ohne Quellenangabe Ihrerseits nicht verifizieren. Hier geht es aber um die Rolle des neuen südkoreanischen Präsidenten, der sich in der Vergangenheit eindeutig als Falke positioniert hat. Der Artikel befasst sich nämlich mit Aussagen der südkoreanischen Seite, nicht mit der nordkoreanischen. Nur weil andere womöglich nicht besser sind, heißt das nicht, dass man selbst sich jeden Mist erlauben kann. Jeder sollte stets angehalten sein, auf Vernunft und Diplomatie zu setzen.
Das erinnert mich an die ähnlich sinnfreie Erzählung "Weil Russland die Ukraine angegriffen hat, greift China bald Taiwan an".
So sinnfrei wie sie das darstellen ist es eben nicht. China sieht genau hin wie erfolgreich, in welchem Umfang und mit welchen Mitteln die USA und die EU die Ukraine gegen Russland unterstützen. Sollte man China den Eindruck gewinnen, der Westen wäre schwach, könnte man durchaus in Versuchung geraten seine Interessen in Taiwan (und auch anderswo) auch mit Gewalt durchzusetzen. Keine Armee eines so großen Industriestaates mit globalen wirtschaftlichen Verflechtungen wird nur zur Verteidigung aufgebaut und unterhalten. Dieses nennt man Imperialismus.
Völlig konstruierter Zusammenhang, denn China ist nicht Russland.
Erneut sind Sie es der hier etwas konstruiert. China muss nicht identisch mit Russland sein, um es damit zu vergleichen zu können. Und das China und Russland nicht gleich sind, heißt auch nicht, dass sie vollkommen isoliert voneinander existieren ohne dass die Aktionen des einen den anderen beeinflussen. Das gilt übrigens für jeden anderen Staat oder noch weiter gefasst für jede Institution wie Parteien, Terrororganisationen, Unternehmen oder (auch nicht seltenen) Kombinationen aus diesen.
Doch, Sie können davon ausgehen, dass China groß genug ist, um sich nicht von Russland beeinflussen zu lassen. Wenn überhaupt, dann würde das Ganze umgekehrt laufen, denn Russland ist im Vergleich zu China wirtschaftlich eher ein Zwerg. China ist heute vor allem eine Handelsnation, und solche Länder führen in der Regel nur dann Krieg, wenn es den Handel nicht beeinträchtigt. Ein Krieg mit Taiwan würde zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung des Handels führen, deswegen wäre das aus chinesischer Sicht eine Fehlentscheidung. Natürlich sind politische Entscheidungsträger nicht vor falschen Entscheidungen gefeit, aber aus dem russischen Angriff auf die Ukraine irgendeine negative Folge für Taiwan zu herzustellen, bleibt eine Konstruktion.