Vielen Dank für den interessanten Dialog. Nachfolgend zu den Diskussionsbeiträgen einige Überlegungen.
Zunächst noch einmal einige Fragen:
1. Stößt man bei einer historischen, aber auch bei einer auf die aktuellen Prozesse bezogenen Analyse nicht schnell auf den Befund, dass „das Recht“ der Macht folgt? Wenn auch nicht linear, sondern meist mäandernd. Und nicht unbedingt sofort, sondern oft verzögert.
2. Wäre die UNO historisch zustande gekommen unter der Bedingung, dass die USA und / oder die Sowjetunion auf ihre Dominanz verzichten? Ist nicht gerade das Veto-Recht, das sich bis heute beharrlich hält, Zeugnis dafür, dass es niemals eine Bereitschaft zu einem Dominanzverzicht gab? Ebenso, dass sich nach wie vor hinreichend mächtige Staaten über Beschlüsse der UN-Vollversammlung nach belieben hinweg setzen? Warum sollte sich –
aus Sicht der mächtigen Vetomächte – daran etwas ändern?
3. Haben die ja schon lange erhobenen Forderung nach einer Abschaffung bzw. Reform des Veto-Rechtes normativ und machtpolitisch etwas substanziell bewegt?
4. Gab es je von einer Vetomacht eine entsprechende Forderung, die eine Abschaffung des eigenen Rechts einbezog?
5. Wie sollte sich eine normativ mit „Weltpolizeibefugnissen“ ausgestattete UNO gegen die hochgerüsteten Atommächte „polizeilich“ faktisch durchsetzen? Außer, sie wird (vielleicht, in bestimmten Fällen) „Partei“ bzw. faktisch "Bündnispartner" einer Weltmacht?
Abraham Lincoln wird der Satz zugeschrieben: „Ein Gesetz ohne Durchsetzung ist nur ein guter Rat.“
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: eine Reform der UN würde ich grundsätzlich sehr begrüßen. Was ich aber bezweifle, dass derzeit eine darauf orientierte Politik zur Bewältigung der brennenden aktuellen und für absehbare Zeit anstehenden globalen Krisen realpolitisch wirklich wirksames beitragen kann.
Hinsichtlich der Bedeutung eines in alle Richtungen möglichst unabhängigen Europas bei einer auf Kooperation und Rüstungsbegrenzung und -kontrolle ausgerichteten Politik sind wir uns im Grundsatz wohl einig!? Ich denke, gerade im Zusammenwirken mit Staaten wie Indien, Südafrika, Brasilien etc. wäre schon einiges auszurichten. Mir fällt dazu die historisch zumindest zeitweise durchaus mächtige Bewegung der Blockfreien Staaten ein.
Innenpolitisch sehe ich insoweit ein Mobilisierungspotential.
Die in Rede stehende Frage wird inzwischen seitens namhafter Politikerinnen und Politikern – von der CDU/CSU bis zu den Linken und Wagenknecht – mehr oder weniger offen gestellt (vielleicht am wenigsten bei den GRÜNEN?).
Auch im medialen Spektrum gibt es hier mittlerweile eine ziemliche Breite. Und gerade angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine und in Nah-Ost, den wirtschaftlichen Folgen, aber vor allem auch wg. des amerikanischen Wahlkampfes und eines möglichen Siegs Trumps, wird sie an Bedeutung gewinnen. Auch in der Wirtschaft dürfte das zunehmend zum Thema werden.
Deswegen wäre es, so meine persönlichen Auffassung, angebracht, sich aktuell darauf zu konzentrieren.