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Re: Frage ans Forum

Ramjet schrieb am 19.04.2022 19:06:

Jemand mit Verfolgungswahn, den man ja bei der veränderten Sicherheitslage schnell bekommt reflektiert nicht mehr bewußt ob das jetzt vernünftig ist was er macht.

Ich denke nicht, dass das zu 100% auf Putin zutrifft. Es gibt durchaus rationale Entscheidungen von ihm:
- Atomwaffen vorgezeigt, aber nicht weiter eskaliert.
- Truppen in den Osten verlegt, um wenigstens dort noch überhaupt etwas zu reißen.
- Angriff nicht abgebrochen - kann er nicht, da er dann viel Prestige und dann Unterstützung im Innern verlieren würde.

Er macht auf mich momentan eher den Eindruck von jemandem, der ein klein wenig zu hoch gepokert hat und versucht, aus der Situation das Beste zu machen.
Und von jemandem, dessen Armee nun mal den Terror gegen die Zivilgesellschaft als probates Mittel kennt, deshalb all die Kriegsgräuel. Dass er damit in der westlichen Zivilgesellschaft die für Demokratien nun mal nötige Zustimmung zum Kriegführen erst herbeiführt, konnte er ja nicht wissen - er kennt ja aus eigenem Erleben nur die DDR.

Das Erleben reduziert sich auf archaische Hirnareale und in der Zivilgesellschaft wird so jemand schnell weggesperrt weil er als Irrsinnig betrachtet wird. Das trifft natürlich auch auf Staatsmänner zu.

So ganz stimmt das nicht - wie halt psychologische Diagnosen generell nie zu 100% stimmen ;-)

Seit der früher eher nüchterne Putin am Coronatisch sitzt und nach seinem Spruch über die "Schöne Ukraine, komm her, ich will dich haben) (sinngemäß) vermute ich stark dass bei ihm auch nur noch archaische Hirnareale am Werk sind,

Angesichts dessen, dass seine Worte aus dem Russischen übersetzt und dann auch noch aus einem ganz anderen kulturellen Kontext in den westlichen Kontext transportiert werden müssen, wäre ich sehr, sehr vorsichtig dabei, das zu interpretieren.
Das kann scherzhaft gemeint sein, das kann eine Referenz an ein bekanntes Gedicht oder Volkslied sein, das kann typische Metapher für sehr konkrete und sachliche Ziele sein - du weißt es nicht, dazu müsstest du die russische Sprache und Kultur gut genug kennen, um herauszufinden, welche Untertöne da eigentlich angeschlagen worden sind.

genau wie bei Kennedy in der Kubakrise. Hoover hat angeblich vor Schreck die Schnapsvorräte geleert in Erwartung des Weltuntergangs, er hat bestimmt mit Kennedy persönlich gesprochen und nur noch Kennedys archaische Hirnareale in Arbeit beobachten dürfen.

Selbst das klingt mir arg anekdotisch, vermutlich frei erfunden oder mit einem ganz, ganz kleinen Körnchen Wahrheit.

Ich würde wie die Russen vor Kuba gaaaaanz vorsichtig erst mal abdrehen.

Nicht nötig.
Putin hat eigentlich recht klar gesagt, wo seine rote Linie ist: Existenzielle Bedrohung Russlands, dann packt er die Sondereinheiten aus (zu denen auch die strategischen Atomwaffen gehören).
Solange er da keine erhöhten Alarmstufen ausruft, ist alles gut.

Bisher hat er hingenommen, dass er eine Niederlage an einer Front akzeptiert.
Er hat ein bisschen giftig reagiert, als ein ukrainischer Hubschrauber auf (weiß?)russischer Seite ein Munitionsdepot (oder sowas in der Preisklasse) beschossen hat, aber selbst das hat ihn nicht zu einer Eskalation bewogen.
Solange die ukrainische Armee nicht anfängt, russisches Land zu besetzen, passiert da nix.

Könnte sein, er sieht diesen Fall als gegeben, sobald die Ukraine in der Krim einmarschiert.
Also, rein hypothetisch den Fall angenommen. Die Ukraine ist im Moment ja komplett in der Defensive; an Offensive ist ja für die nächsten Monate gar nicht zu denken, und das nur dann, wenn die russische Armee in den nächsten Wochen so viele Verluste hat, dass ihre Schlagkraft drastisch reduziert wird. Ist also wirklich sehr, sehr hypothetisch, dafür bräuchte die Ukraine erstmal Lufthoheit, dann schwere Waffensysteme (Artillerie und Kampfpanzer), allein der Transport in die Ukraine würde ja Monate dauern, bis da schlagkräftige Verbände aufgestellt wären.

Andererseits: Dieser Krieg kann durchaus noch Jahre dauern.
In der Zeit kann viel passieren.
Auch WK2 ist sehr rasch bis zu Städten vorgedrungen, die wurden dann jahrelang belagert, bis die Gegenseite genügend Kampfkraft herangekarrt hatte, um die Deutschen nicht nur zu bremsen und stören, sondern sogar vernichtend zu schlagen.
Muss in der Ukraine aber nicht so kommen. Wahrscheinlich sobald die Russen dazu bereit sind, sich mit Krim und Donbas zufriedenzugeben und der Ukraine den Anschluss an den Westen zu erlauben - das wäre für die Russen wie für die Ukrainer ein Haufen hässliche Kröten, aber wenn die Russen sehen, dass die Alternative eine massive militärische Niederlage ist, könnten sie dazu sogar bereit sein.

Ist aber auch noch etliche russische Niederlagen in der Zukunft und setzt voraus, dass die derzeitige Offensive im Osten sich ähnlich festläuft wie die im Norden.
Und ob das wirklich kommt, bleibt halt abzuwarten. Im Moment rücken die Russen vor, aber sobald sie mal aus dem Separatistengebiet rausmüssen, könnte das an der nächsten größeren Stadt wieder ein hässliches Festfressen werden.

Genausogut kann es natürlich sein, dass die Russen dann endlich kompetent agieren und den Ukrainern katastrophale Fehler unterlaufen, und dann rollt die russische Truppe plötzlich von Ost nach West durch. Der Unterlegene in einem Krieg kann sich viel weniger Pech und/oder Fehler erlauben als der Überlegene, das ist schon so.

Mal schauen.

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