Es gilt schon lange nicht mehr das "Lohnabstandsgebot" zwischen Einkommen aus Sozialleistungstransfers und eigenem Erwerb. Der Mindestlohn ist "gerade hoch genug", um aus dem Raster für Leistungen herauszufallen - für Miete, Strom & co reicht es dann trotzdem kaum noch. ALG-II-Empfänger bekommen diese Leistungen bezahlt und müssen letztendlich sich auch weniger Existenzsorgen machen bei der nächsten Preisrunde. Mindestlohnverdienende müssen dagegen zusehen, wo sie bleiben.
Es gibt aber noch einen zweiten Indikator, der anzeigt, wie viel zu niedrig der Mindestlohn ist: die Rente. Wir wollen ja eigentlich alle nach x Jahren auch irgendwann mal nichts mehr tun müssen. Mit der "Grundrente" allein ist das aber nicht getan. Die bekommt man zwar mit dem Mindestlohn zusammen, sofern man 33 Jahre lang arbeitet, aber das isses auch schon. Die gesetzliche Rente ist ohnehin viel zu niedrig, auch mit 45 Erwerbsarbeitsjahren erhält man als abhängig Beschäftigter eine kaum über dem Basisniveau liegende Rente.
Hier hilft der Rentenschätzer der dt. Rentenversicherung weiter:
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Online-Services/Online-Rechner/Rentenschaetzer/rentenschaetzer_node.html
Renten- und Zugangsfaktor belasse ich auf 1 für alle Beispiele.
Beispiel 1: 40h-Job Mindestlohn - Jahreseinkommen 12 Monate ca. 25.000 Euro
Einstellung: 25 (40 = Durchschnittsfaktor, tatsächlich 25k/43k x 40 = 23,2)
Rentenanwartschaft: bis zu 940,- Euro
Beispiel 2: 40h-Job mit 2500,- Euro Monatsbrutto 12 Monate ca. 30.000 Euro
Einstellung: 30 (40 = Durchschnittsfaktor, tatsächlich 30k/43k x 40 = 27,8)
Rentenanwartschaft: bis zu 1128,- Euro
Beispiel 3: 40h-Job mit dt. Durchschnittslohn 12 Monate ca. 43.100 Euro
Einstellung: 40
Rentenanwartschaft: bis 1504,- Euro
Wer die rund 43.100 Euro jährlich verdient, hat ein Monatsbrutto von ca. 3592,- Euro (12 Monatseinkommen) bzw. 3315,- Euro (13 Monatseinkommen). Das ist schonmal ein ordentliches Gehalt, welcher Friseur zahlt das, welcher Metzgermeister, welcher Maurer, welche Pflegekraft verdient zwischen 3300 bis 3600 Euro monatlich brutto?
Und selbst der "Durchschnittsverdienende" bekommt eine kärgliche Rente von gerade einmal rund 1500,- Euro raus, wenn er abschlagsfrei es bis zum 67. Lebensjahr geschafft haben sollte. Das reicht aber nicht, wenn man davon 1000,- Euro abdrücken muss für eine beheizte Mietwohnung, sich ab und an mal einkleiden will oder den Enkeln was zustecken möchte. Also selbst der Durchschnittsverdienende ist praktisch jetzt schon in der Altersarmut gefangen. Es gibt aber sehr viele Menschen, die verdienen deutlich drunter - und die Mindestlöhner sind halt am weitesten davon entfernt.
Nur so als Denkansatz: Mindestlohn: 12,41 Euro brutto. Derweil der Durchschnittsverdienende bei 168 Stunden zu 12 Monatsgehälter rund 21,38 Euro Stundenlohn verdient. Da ist ein Abstand dazwischen von rund 9,- Euro jede Stunde. Das ist die Spanne der Altersarmut von "richtig arm" zu "ziemlich arm". Flaschensammeln dürfen aber alle.
Der Mindestlohn muss rauf.
Mein Vorschlag? Da wo der "Durchschnittslohn" liegt, gehört eigentlich der "Mindestlohn" hin, genauer: bei rund 20,- Euro die Stunde. Und erst wenn von unten der Druck kommt, steigen auch wieder die Gehälter allgemein. Vergleicht man die Lebenshaltungskosten mit dem Einkommen zu Sparquote und Kaufkraft von 1990 und heute, müsste unter Berücksichtigung der Inflation effektiv das Lohnniveau sich praktisch verdoppeln - wir sprechen also von Stundenlöhnen von 30 - 50 Euro, je nach Qualifikation und Branche. Bei unveränderten Lebenshaltungskosten.