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  • spintronic

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Re: Der kleine Napolion will Krieg spielen?

Herbert Wichmann schrieb am 28.03.2024 16:04:

Die Vörschläge waren auch nicht so günstig, wie Sie es beschreiben. Die Ukraine hätte sich von ihrer staatlichen Souveränität verabschieden müssen und den Donbass und die Krim an Russland abtreten müssen. Außerdem hätte sie ihre Armee bis auf einen kleinen Rest einstampfen müssen und sich dann wehrlos der russischen Übermacht auszuliefern.

Ich habe nie behauptet, dass die Ukraine im Falle eines Friedensschlusses keine Kompromisse hätte schließen müssen, insbesondre ein Beitritt zur NATO hätte nicht erfolgen können. Aber, und das ist der springende Punkt, es wäre um Längen besser gewesen als das, was nach April 2022 leider eingetreten ist. Unter anderem (gem. USA und Polen) Verluste an Soldaten in Millionenhöhe und große materielle Schäden. Und dem was zweifelsohne noch kommen wird, nämlich dem Verlust aller Gebiete der Ukraine, in der die russischstämmige Bevölkerung die Mehrheit bilden. D.h. die Ukraine wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Zugang zum Schwarzen Meer verlieren und bis auf einen kleinen, eigenständig wohl nicht mehr lebensfähigen Rest im Nordwesten von der Landkarte verschwinden. Dieser "Rest" wird dann wohl Polen, Rumänien und Ungarn zugeschlagen werden, die historisch betrachtet auf diese Gebiete durchaus Ansprüche geltend machen können. Der Grenzverlauf hat sich dort in den letzten 200 Jahren ja mehrfach erheblich verschoben.

Damit Sie mich richtig verstehen, ich finde das auch nicht gut, aber dieser Ausgang wird kaum mehr zu verhindern sein, die USA sind offenbar nicht mehr interessiert und Frankreich und Konsorte fehlt bei Weitem die militärische Stärke.

Die Ukraine hatte große Bedenken an der Vertrauenswürdigkeit der russischen Zusagen. Die Verhandlungen wurden aber erst von der Ukraine abgebrochen, als das Massaker von Butscha bekannt wurde. Ich kenne keinen Beleg, der beweist, dass die USA oder das UK die Entscheidung der Ukraine beeinflusst haben.

Die Faktenlage scheint gemäß westlichen Presseberichten ganz anders zu liegen. Zumindest sagen das:

- Putin, bei zahlreichen Gelegenheiten, letztmals im Februar 2024 während des Intervies durch Tucker Carlson.
- John J. Mursheimer, 1947, Politikwissenschaftler der Universität Chicago mit Schwerpunkt Analyse internationaler Beziehungen und politischer Historiker. (Interview mit Lex Friedmann: War in Ukraine ist the fault of USA and NATO)
- Harald Kujat, 4 Sterne NATO-General sagt exakt das Selbe
- Thali Bennet (damaliger Premierminister Israels)
- Mevlüt Çavuşoğlu, Aussenminister der Türkei
- Der deutsche Bundestag hat sich mit dem Thema Boris Jonson sei nach Kiew geflogen um die Friedensverhandlungen zu stoppen befasst
- Washington Post, berichtete, dass der Deal mit Unterstützung Israels ausgehandelt worden sei und dass sich Putin und Selensky zur Klärung der restlichen Territorialfragen von Verfassungsrang hätten sich Selensky und Putin persönlich treffen sollen, ein wesentlicher Grund sei, dass Premier Boris Jonson Selensky den Friedensvertrag ausgeredet habe
- New York Times, hat den unterschriftsreifen Friedensvertrag veröffentlicht und kongruente Hintergrundinformationen veröffentlicht
- Ukranische Online-Zeitung Ukrainska Prawda berichtete am 5.5.2022, einen Monat nach Boris Jonsons Besuch: Bei den kurz nach Kriegsausbruch erfolgten Gesprächen zwischen der russischen und ukrainischen Delegation seien Fortschritte erzielt worden, die Delegationen hätten sich in groben Zügen auf die Struktur eines Abkommens geeinigt. Die Ukraine sei bereit der NATO vorerst nicht beitreten zu wollen, ebenso sei die russische Delegation bereit für das Treffen Selensky Putin gewesen. Zwei Hindernisse: Enthüllung des Massakers von Butscha und 9.4.2022 das fast ohne Vorwarnung erfolgte Erscheinen von Boris Jonson in Kiew. Jonson habe zwei Botschaften vermittelt. Ersten Putin sei ein Kriegsverbrecher, man müsse ihn unter Druck setzen und nicht mit ihm verhandeln. Zweitens selbst wenn die Ukraine bereit sei Garantien zu unterzeichnen, sei das der Westen keineswegs. Einem Mitarbeiters Selenskys zufolge habe der Westen die Chance gesehen Putin unter Druck zu setzen. Drei Tage nach der Abreise von Boris Jonson hat Putin der Presse erklärt, dass die Gespräche mit der Ukraine in eine Sackgasse geraten seien. Wenig später wurden die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine unterbrochen.

Diese Quellen berichten übereinstimmend (und jede Woche wird die Liste länger), dass es 5 bis 6 Wochen nach Kriegsausbruch (März 2022) in Istanbul Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland gegeben habe. Der vorläufig unterzeichnete (!) und für die Ukraine mit durchaus sehr vorteilhaften Bedingungen ausgestattete Vertrag habe vorgelegen und Selensky habe sich für den Vertrag ausgesprochen. Dann sei der UK-Premierminister Boris Johnson am 09.04.2022 nach Kiew geflogen und habe Selensky eröffnet, dass der geeinte Westen die Ukraine im Krieg unterstütze (und wohl auch, dass diese Hilfe vollständig entfallen werde, falls der Friedensvertrag in Kraft trete). Daraufhin hat die Ukraine die Verhandlungen abgebrochen und das Massaker von Butscha wurde bekannt, worauf die Ukraine Russland der Tat beschuldigte (die Ukraine hat die Untersuchungen des Massakers eingestellt und die internationale Untersuchung behindert/gestoppt). Zum Thema Butscha bekannt möchte ich anmerken, dass dieses Verbrechen bis heute ungeklärt ist.

Dem Westen die Schuld für das russische Töten in der Ukraine zu geben ist aus meiner Sicht nicht richtig, denn der Westen hat die Friedensgespräche nicht sabotiert. Russland hat sich entschieden, die Ukraine zu vernichten und ist für alle Kriegsverbrechen, die Russland in der Ukraine begeht, selbst verantwortlich. Die Ukraine kann nicht anders, als sich gegen die Vernichtung ihrer staatlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Existenz zu wehren.

Nun, angesichts der gegenwärtig vorhandenen Informationen steht es wohl außer Frage, das Boris Jonson im April 2022 den Frieden vereitelt hat. Ich sage auch nicht, dass der Westen alle Schuld am Töten in der Ukraine trägt, aber der Westen kann sich für alles nach dem 09.04.2022 geschehene nicht mehr herausreden, denn der Westen hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Krieg nach diesem Datum fortgesetzt wurde. Ich glaube kaum, dass künftige Historiker das anders bewerten werden können.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.03.2024 18:36).

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