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  • Herbert Wichmann

693 Beiträge seit 21.01.2024

Re: Der kleine Napolion will Krieg spielen?

Natürlich wird Russland einen Preis bezahlen müssen, aber Russland bewertet eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine als existenzielle Frage, folglich ist zu erwarten, dass Russland bereit ist einen extrem hohen Preis zu bezahlen.

Nicht Russland, sondern Putin und sein Regime gibt vor, dies so zu bewerten. Ich mache hier bewusst einen Unterschied, denn Putin ist nicht Russland und was die Russen von Putin halten werden wir erst erfahren, wenn es dort irgendwann mal wieder Meinungsfreiheit gibt.

In der Nato-Russland Akte hat Russland allen Staaten der ehemaligen Sowjetunion volle Souveränität und freie Bündniswahl zugesichert. Das galt auch für die Ukraine. Es war also ursprünglich keine existenzielle Frage. Putin hat erst später eine existenzielle Frage daraus konstruiert um seinen Angriff auf die Ukraine begründen zu können. Ich gehe aber weiter davon aus, dass dies nur vorgeschoben ist, denn auch Putin dürfte klar sein, dass die NATO in ihrer politischen Konstruktion garnicht in der Lage ist, einen Angriff auf Russland durchzuführen, ohne dass Russland vorher die NATO angegriffen hätte.

Putin dürfte bereit sein, einen hohen Preis für den Sieg zu zahlen, denn seine persönliche Existenz kann davon abhängen. Ob die Russen mitziehen wird man sehen. Gemurrt wird ja bereits jetzt unter der Decke und die russischen Wirtschaftsdaten lassen noch schlimmes erwarten. Ja, ich weiß, das BIP ist gestiegen. Bei einer Kriegswirtschaft ist der aber vom Wohlstandszuwach abgekoppelt und die anderen Daten zeigen nach unten.

Im Übrigen wird die Ukraine Frage im Westen nicht als existenziell angesehen, daher glaube ich kaum, dass der Westen bereit sein wird hoch mitzubieten.

Das sehe ich auch so. Sollte Putin allerdings den kleinsten Vorteil aus diesem Angriffskrieg ziehen, hat er damit die vorhandene Friedensordnung grundlegend geändert. Wir werden dann in einer Welt aufwachen, in der sich Angriffskriege um Territorien wieder lohnen. So gesehen könnte es für den Westen günstiger sein, jetzt mehr Aufwand zu treiben um weitere Kriege in Zukunft zu vermeiden. Ein weiterer Punkt ist, dass der Westen bisher noch nicht viel Aufwand betrieben hat. Es dürften weniger als 0,2% der Wirtschaftskraft sein. Der Aufwand auf russischer Seite ist dagegen erheblich und Putins finanzielle Ressourcen sind endlich. Der russische Staatsfonds soll ja bereits um die Hälfte geschrumpft sein, der Rubel verliert ständig an Wert.

Demgegenüber wird in den USA ein auf Europa begrenzter Atomkrieg durchaus diskutiert.

Diskutiert wird da Vieles. In dem Moment, in dem Putin den ersten taktischen Nuklearsprengkopf über der Ukraine zündet, wird sich China und vielleicht auch Indien einschalten. Atomkriege sind schlecht für Chinas Geschäfte und es sieht so aus, als wäre das Putin bereits signalisiert worden. Zudem müsste die NATO auf einen nuklearen Einsatz nicht zwingend auch nuklear antworten. Selbst eine konventionelle Antwort (Sperrung des Belt und des Bosporus, Luftschläge gegen russische Basen) könnte Putin große Probleme bereiten. Ein nuklearer Schlag in einem Angriffskrieg würde auch noch eine andere Büchse der Pandora öffnen. Taiwan, Japan, Süd-Korea, Australien und weitere Staaten würden sich nun nuklear bewaffen. China wäre not amused. Und ohne das Wohlwollen Chinas wird Putin mehr verlieren als er gewinnen könnte.

Es handelt sich also um Zeugen, die wissen, was damals geschehen ist und sie sagen unabhängig voneinander das Selbe. Folglich muss man schon davon ausgehen, dass die Geschichte im Wesentlichen richtig ist. Der Friedensfvertrag war im April 2022 unterschriftsreif, es galt noch einige Detailfragen zu klären, zu diesem Zweck hätten sich Selensky und Putin direkt treffen sollen und dann kam am 09.04.2022 Boris Johnson nach Kiew geflogen und hat den Friedensschluss sabotiert. Das Boris Johnson zugeschriebene Zitat lautet: "Es gibt keinen Frieden, we will fight."

Bennet sagte im Interview aus, dass die Chancen 50 zu 50 standen. Das deutet nicht darauf hin, dass alles geklärt war und der Teufel steckt ja bekanntlich in den Detailfragen. Wenn unterschiedliche Personen, die anwesend waren, unterschiedlich über die Geschehnisse berichten, ist eben nicht ganz klar, wie die Geschichte wirklich abgelaufen ist. Ich halte es immer noch für unwahrscheinlich, dass ein britischer Premierminister hier allein über Krieg und Frieden entscheiden konnte. Das fiel in die ausschließliche Verantwortung der Ukraine. Die Aussagen, dass die Ukraine sich zurückzog, als das Ausmaß des Massakers von Butscha bekannt wurde, sind nicht von der Hand zu weisen.

Auch wenn wir nicht zu einer gemeinsamen Sicht der Dinge kommen, bedanke ich mich für die anregende Diskussion.

„Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.“
Goethe

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