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  • Regenwetter

541 Beiträge seit 29.04.2023

Russland ohne Westen - Westen ohne Russland

Schon bevor der Ukraine - Krieg begann hatte ich die Vermutung Russland wird sich im wirtschaftlichen Bereich von seiner Westorientierung lösen müssen. Diese Westorientierung bestand seit Jahrhunderten und ich fand sie immer wieder beim Lesen russischer Literatur als ganz selbstverständlich gegeben. Über die Gründe für dies "Aufgeben müssen" werden wir streiten können. Andere Sichtweisen als meine halte ich für möglich, aber nicht wahrscheinlich. Als Putin im Bundestag seine Rede hielt, hörte ich aus ihr heraus es kann mit einem emanzipiertem Europa eine enge Annährung geben. Dieser Emanzipationsprozess hätte aber auch eine deutliche Lockerung der Westbindung - oder eine Schwächung der USA auf europäischem Gebiet - als Folge gehabt. Tatsächlich lief es anders.
Schaue ich mir das Verhalten der Nato bzw. ihrer Mitgliedsstaaten der letzten Jahrzehnte an, dann sah ich kein "Friedensbündnis" sondern ein aggressives Militärbündnis, welches durchaus bereit war Staaten und damit soziale Strukturen, zu zerstören ohne danach neue tragfähige Strukturen zu schaffen, wenn es seinen Bedürfnissen entsprach. Also, von sowas will wohl jeder Staat so weit wie mögich weg sein.
In den letzten Jahren kam hinzu, dass die Neumitglieder der EU und der Nato wohl noch ein "Hühnchen mit Russland" zu rupfen hatten. Nichts, was eine eurasische Annährung leichter machte. Das vielfach gespannte Verhältnis Polens zu Deutschland sehe ich als Anzeichen für unterschiedliche Positionierungen.
Bei dieser Ausgangslage war ich immer überrascht wie nah Deutschland und Russland sich blieben.
Ob es sich bei dem russischen Angriffskrieg um einen provozierten Krieg oder um einen unprovozierten Krieg handelte mag für spätere Historiker von Bedeutung sein. Ich tendiere eher zur ersten Betrachtung, sehe aber für das Agieren nach dem ersten Schuss kaum daraus erwachsene Unterschiede.
Nehme ich die Positionierungen in Deutschland zum Maßstab, dann musste Russland militärisch besiegt und wirtschaftlich ruiniert werden. Beides auch um der Preis der Selbstschädigung und, wie sagte Baerbock so schön, dem Sinn nach: Was interessieren mich die Wähler. Die Chance den Krieg auf einen Regionalkonflikt herabzuspielen und die globalen Folgen nicht zu einen Machtkampf zwischen Gut und Böse - Gut immer wir - Böse die Anderen,eskalieren zu lassen vermasselten wir.
Die Aufteilung der Welt in Blöcke schritt durch diesen Krieg im Sauseschritt voran.
Bei dieser Aufteilung der Welt wird Russland sich grundsätzlich neu positionieren müssen. Während des Krieges gelang es aber nicht wirklich Russland zu isolieren. Mir scheint die russische Außenpolitik ist recht erfolgreich. Die Neupositionierung erfolgt aber nicht nur im Außenbereich sonder auch der Umgestaltung der eigenen Wirtschaft. Was schwer wird. Als Staat mit rd. 140 Millionen Einwohnern leben nur rd. 40 Millionen Einwohner östlich des Urals. Die Entfernungen sind riesig.
Werden die, auch durch den Krieg, erfolgten Industriealisierungsbemühungen fortgesetzt und das für den Krieg geschaffene Industriepotenzial in eine Friedenswirtschaft überführt, entwickelt die Volkswirtschaft Russlands sich in eine andere Richtung. Es ist dann nicht mehr die Tankstelle mit Atomwaffen, sondern eine Industrienation mit Atomwaffen. Bei einem Einschränken des Rohstoffsektors wird dies dazu führen, dass Russland, keiner kann alleine leben, seine Rohstoffströme mehr in die Gebiete lenken muss, muss durchaus als Entsprechung der Erwartung des Anderen, die ihm freundlich gesinnt sind. Immer restriktivere Ausfuhren in die Länder, mit denen es sich heute im Krieg sieht, werden die Folge sein. Geht die Hoffnung Russlands auf, dass in Folge des Klimawandels die Nord-Ost-Route ein bedeutender Schifffahrtsweg wird dürfte dies logistische Probleme massiv mindern. Ansonsten sind Russlands Infrastrukturprobleme noch größer. Aber die hunderte bisher eingefrorenen Milliarden, nicht Rubel, sondern Euro und Dollar, werden Möglichkeiten eröffnen.
Die aus Sicht Russlands wohl notwendigen verstärkte Zuwendung zu den nichtwestlichen Ländern wird sich durch den Krieg zu einer Abwendung von den westlichen Ländern geändert haben. Die wirtschaftlichen Folgen für die rohstoffarmen westlichen Länder wird langfristig gravierend sein. So, wie es in diesen Ländern "ruckeln" wird, wird es auch in Russland ruckeln.
Schauen wir mal, welche Wirtschaften wiederstandsfähiger sind und welche Wirtschaften profitieren.

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