van Grunz schrieb am 24.07.2016 16:56:
Mir geht's gar nicht darum, irgend etwas schönzureden. Das Gegenteil ist der Fall, sonst hätte ich nicht die These gehabt (OK, was-wäre-wenn-Spiele sind immer müßig, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist), daß der Fall vielleicht sogar hätte glimpflich ausgehen können -- was natürlich nicht bedeutet, daß der Amokläufer nicht einen zweiten Anlauf gestartet hätte.
Bedauerlicherweise war's zum Verhindern schon zu spät, wie sich mittlerweile deutlich anhand der Recherche der chronologischen Abfolge der Taten herausgestellt hat. Ich hatt' anfangs, noch bevor ich wußte, dass die Taten schon passiert waren, auch das Gefühl, dass die Äußerungen des Mannes auf dem Balkon eher zur Eskalation, denn zur Deeskalation beitragen könnten.
Ja, kann sein, daß der Baggerfahrer aufm Bau ne andere Sprache gewohnt ist. Die kann er auf dem Bau auch gerne sprechen, aber auf der Straße ist das wiederum etwas anderes. Wenn ich jemanden auf der Straße beschimpfe, dann muß ich damit rechnen, daß ich mir eine fange.
Solcherlei empathielose Grobheiten, oder solches 'gossip-speach', kann mensch auch bei gebildeten ( sich selbst wohl für aufgeklärt haltenden) Menschen finden. Nicht nur auf der Straße, auch in Foren. Auch via mails. Und dann kommts wirklich darauf an, wie ein Mensch mit so etwas umgeht. Dazu noch zwar gegen sogen. 'öffentliche Personen' aber dennoch ggü. Fremden, weil man die ja garnicht persönlich kennt.
Etwas weiter unten in dem link steht dazu noch etwas, kurz vorgegriffen: imho ists etwas völlig anderes, also ein anderes 'Wie', ob mensch 'verwandt/resp. sehr gut miteinander bekannt' streitet, oder eben in einem erweiterten, öffentlichen Raum.
Beim (Fallbeispiel) Baggerfahrer könnt' mensch nun halt ( wie ich) sagen, ja klar, der ist eben so sozialisiert, sein Umfeld, in welchem er lebt/arbeitet... 'normal' dass der so einen menschenverachtenden Stuß redet. Aber einer der ( höchstwahrscheinlich) studiert hat? Warum bedient der sich einer solchen grottigen Rede?
Letztendlich wollte ich nur darauf hinaus, daß dieser Gesellschaft ein wenig der Respekt zueinander abhanden gekommen zu sein scheint.
Das stimmt, jedoch ist eben alles nicht so einfach. Und es würde Seiten füllen, darüber referieren zu mögen - wo verorten wir eine Erstursache ( also können wir eindeutig an einem bestimmten Punkt anfangen, von welchem alles ausging, wo das 'wheel of fortune' begann, sich zu drehen, und dann 'nochmal von vorn anfangen und alles ändern? ) So viele Menschen es gibt, so viele Meinungen gibt es auch. Und unterschiedliche Sichtweisen über's 'Warum'. Hier dann fächert sich alles weit auf wie ein Flügel, und (symbolisch) jeder 'Flaum' und jede 'Feder' ist Experte auf seinem-ihrem Gebiet, schlußendlich 'brabbeln' letztlich alle durcheinander. Die einen ideologisieren, andere psychologisieren, wieder andere sehen 'alles in den Genen', die nächsten sehens aus soziologischer und nochmal andere aus philosophischer Sicht- und hier fächert sichs nochmal in die Spreizen diversester Philosophischer Richtungen...und dann haben wir ein 'Universum von Staub' - jedes Staubkörnchen ist eine Meinung/Richtung/Ansicht, und hier, in dieser Verirrung und Verwirrung, sehe ich einen Hinweis darauf, dass, wer äußerst sensibel ist und wem die Orientierung fehlt, der, weil ihm früh vermittelte Inhalte fehlen, etwa: ' du bist willkommen auf dieser Welt, du wirst geliebt' , einen (In)HALT sucht, stattdessen noch verlacht und verspottet wurde, für den gibt's dann oft keinen Kompass mehr.
Nochmal also: wie Du schon sagst:kommt immer darauf an, wie Menschen miteinander umgehen.
Mit dem Versuch, einander zu verstehen, sich auch mal in eine völlig gegenteilige Position hineinzuwagen( Empathie zulassen), oder mit ablehnender Kälte und hochnäsiger Arroganz, und was es noch so an Schattierungen gibt( es gibt nicht nur gut/böse-schwarz-weiß). Ich hab versucht, den Bauarbeiter zu verstehen, aber kann mich auch ein wenig in den Jungen( oder wie sich eine Frau die vergewaltigt und dann noch verspottet dafür wurde) hineinversetzen, da ich selber schon öfters in meinem Leben sehr 'auf der Klippe'( kurz vorm Sprung) stand.
Auch ausländerfeindliche Parolen nehmen zu -- ironischerweise sogar auch von Migranten selbst.
Weil seine Eltern konvertierten, wurde der hier in München aufgewachsene Deutsch-Iraner von den anderen Schülern noch islamischen Glaubens ja verspottet, wurde zum Ausgestossenen. Und konnte damit wohl nicht umgehen. Lebte dann ja auch immer mehr in 'seiner' Welt. Nahm sich dann den Breivik zum 'Vorbild', das Attentat von Winnenden.Ich finds halt gefährlich, wenn dann nun von einigen wieder alle 'Ausländer'
bzw. Andersgläubige unter Generalverdacht gestellt werden. Zur Deeskalation trägt natürlich das, was nun in Ansbach passiert ist, auch nicht grade bei. Und das ist bittere, wenn man schon sagen, will wie Du: Ironie.
Ach, und ich will natürlich keine Opfer relativieren. Wenn das so rüber kam, nur weil ich mich auf den pöbelnden Mann konzentriere, dann ist das nicht meine Absicht. Natürlich tut es mir um die Leute leid, das will ich auch auf keinen Fall relativieren. Ich wollte jedenfalls keinen Freund auf diese Weise verlieren. Aber weil ich nicht unmittelbar an dem Geschehen beteiligt war, fällt es mir leicht, eine emotionale Distanz zu wahren. Das kann gut sein, das kann aber auch schlecht sein -- das kommt immer darauf an, wie man damit umgeht. Ich finde jedoch, daß beide Sichtweisen wichtig sind.
Ich nehm' das zurück, wenn ich Dir zu nahe gereten bin, in meiner emotionalen Betroffenheit in der Sache an dem Tag. Niemand mag Menschen verlieren, die ihnen nahe sind. Und wenn so was passiert, wünsche ich jedem, dem so etwas passiert, die bestmögliche Hilfe, und die richtigen Freunde-Freundinnen, Familie, an seiner-ihrer Seite.
Zu der emotionalen Distanz:
Siehe oben: ( wo alles verwirrend wird, wo mensch sich nicht konzentriert , bzw. konzentrieren kann, sich von Eindrücken manchmal regelrecht 'überflutet' fühlt.)
Sorry, für den vielen Text, und für die verspätete Antwort, und abschliessend danke für die gute Diskussion.
Saphira
hier noch der oben erwähnte link
http://www.jungewelt.de/2016/07-25/045.php