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  • Pearphidae

mehr als 1000 Beiträge seit 14.11.2021

Re: "Bestimmtheit des Denkens durch das Sein"

exkoelner schrieb am 21.11.2021 09:14:

"Marx' Satz von der Bestimmtheit des Denkens durch das Sein mit dem entscheidenden Hinweis versehen werden muss, dass das Denken sehr wohl frei ist, über die gegebenen Verhältnisse hinauszugehen, also Einsicht in die Notwendigkeit ihrer Veränderung zu gewinnen."

Und das ist eben das Problem. Das Sein bestimmt das Denken. Und die Fähigkeit, über die gegebenen Verhältnisse hinauszugehen, fällt auch nicht vom Himmel. Die Grundlagen dafür werden schon früh gelegt, und die wenigsten haben dafür ideale Umstände. Das humbold´sche Bildungsideal galt per se real nur fürs gehobene Bürgertum, und sickerte eventuell ein wenig in den 70er/80ern durch die in den 68ern ausgebildeten Lehrer, in die Arbeiterklasse. Für eine gewisse Zeit. Die familiären Verhältnisse der meisten brachten sie nicht im Kindesalter schon mit anregenden Frei- und Querdenkern, mit polyglott Bewanderten in Kontakt. Die TV-Serie "Ein Herz und eine Seele" brachte überspitzt einen Einblick in die Denk- und Umwelt des deutschen Pütt-Malochers der 60/70er. Aber in der katholisch geprägten rheinischen oder bayerischen Provinz sah es vielleicht anders aus, aber sicher nicht besser. Ähnlich eng im Denken wars überall.

Der fortschreitende Wohlstand der Arbeiterklasse nach WKII., die historisch einmalige Situation, das selbst einfachste Menschen mehrheitlich sich durch eigene Hände Arbeit in nur einer Generation in bürgerlichen Wohlstand erheben konnten, versetze die meisten erst in eine Situation, über Zeit und Mittel, und damit über Anregungen zu verfügen, "über die gegebenen Verhältnisse hinauszugehen". Und gleichzeitig bestätigte das, das herrschende System - mit allem Zipp und Zapp, also auch den Regeln des Kapitals, des Eigentums, der repräsentativen Demokratie. Noch nie ging es uns so gut. Also folgte eine "Revolution", eine "Einsicht in die Notwendigkeit ihrer Veränderung" im Wasserglas. Und in den Ausklängen dessen leben wir heute.

Behauptung: Das Bildungssystem ist heute eine Dogmen-Falle und Verwahranstalt, die von Anregung für die Persönlichkeitsentwicklung soweit weg ist, wie preussische Volksschulen - nur das jetzt auch Universitäten dazu gehören.

Die Jugend bietet mit der auch hormonell getriggerten Rebellion immer ein gutes Potential zum Umdenken, weil es bezeichnend für dieses Alter ist, gegen bestehendes aufzubegehren. Nur ist das auch denen bekannt, die ein Umdenken oder gar chaotisches Neudenken nicht wünschen, und nutzen diese leichte Beeinflussbarkeit geschickt für weitere "Revolutionen" im Wasserglas, wie FFF, um grundsätzliche Veränderungen des Denkens erst gar nicht entstehen zu lassen. Green washed capitalism.

Wahrscheinlich sind wir heute ferner denn jeh, von Individuen die Denken frei betreiben, als vor noch wenigen Jahrzehnten.

Hat sich jemand erst einmal vor einen fremden Karren spannen lassen, hat er keine Zeit mehr, selbst zu denken. Er hat gar nicht mehr die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen, denn er wird stetig angetrieben, den Wegen seines Geistes Herrn zu folgen.

Selbst bei Erkenntnis schlägt er keine andere Richtung ein, weil er die physischen Prügel seines psychischen Herrn und dessen Truppen fürchtet.

Die Vernunft rudelt sich leider nicht so dicht zusammen, wie es Unvernunft tut und kann einem Abrtünnigen deshalb keine alternative Gemeinschaft bieten, in der er sich geborgen fühlen kann.

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