Ich bekam eine unkommentierte Schreibsperre unter Verschiebung eines Threads, in dessen EP ich mit geringfügig drastischeren Worten dasselbe schrieb, was am nächsten Tag quer durch die Mainstreammedien zu lesen war. Ich kann hier nicht mehr schreiben,
Und wozu auch. Winfried Wolfs Zweiteiler ist für mich ein tatsächlich erschütterndes Dokument des geistigen Zerfalls, den Leute erleiden, wenn sie daran fest halten, sich in der Inquisitionskultur der imperialistischen Verfallszeit als Intellektuelle und Pädagogen bewegen und bewähren zu wollen. Das übelste Resultat ist in meinen Augen die Zerstörung des Sprach- und v.a. Sprechvermögens, das Absender und wohlmeinende Adressaten erleiden. Das drastischste, wenngleich auch nichtssagenste Beispiel: Ein 1949 geborener Mensch übersetzt Alis Ankündigung, Foreman und Frazier zu killen, ernsthaft mit "töten", wundert sich dabei nicht über die Passivität der "homicide departments" in den USA, und die Ermunterungskultur in deutschen Boxringen, "Mach ihn platt, mach ihn alle", fällt ihm erst recht nicht ein. Foreman hingegen marschierte nicht allein mit Totschlagsphantasien, tatsächlich mit Totschlagsabsicht in den Ring, dafür trainierte er, bevor Ali ihn stoppte. Er hat das später selbst zu Protokoll gegeben, auch daß und wie Ali ihm diese Hybris buchstäblich austrieb, weshalb er die Karriere eines christlichen Predigers einschlug.
"Du bist ein Mädchen, George", sagte Ali ihm im Ring - neben anderen "abfälligen" Invektiven. Ich erwähne das, weil dies eine Dimension anspricht, die völlig zu verkennen Wolf nicht anzulasten ist, es dürfte neben mir wenige Leute geben, die bemerkt haben, wie Cassius Clay, ganz Kind seiner Zeit, mit der Neuverflüssigung der Gender in den 50er- und 60er Jahren gespielt und sie in sein Metier transponiert hat. Eine Art Vorankündigung dafür gab es in der Statur von Floyd Patterson, den Clay sehr geschätzt hat. Cassius Clay war "ein Mädchen im Ring", Ali behielt einiges davon bei.
Womit ich beim falschen Emanzipationbegriff der ehemaligen Linken bin, von der ihr falscher Patriarchatsbegriff ein Ableger ist. Aber diese Falschheit spielt heut kaum noch eine Rolle, ist deshalb auch allenfalls noch akademisch, weil und insoweit er unter dem Einfluß der Inquisition in eine priesterliche Kategorie verwandelt worden ist, wie Wolf das vorführt. Die Autoren der Arte-Dokumentation hatten wenigstens noch den Verstand, die Rolle von Malcolm X in der Ali-Biographie und in der "Emanzipationsbewegung" der Farbigen zur Kenntnis zu nehmen und in diesem Rahmen sogar etwas von der Auseinandersetung zwischen "Nation of Islam" und MalcolmX zu dokumentieren. Bei Wolf bleibt davon nur das urpatriarchale Narrativ eines "Verrates".
Das alles sind ja jetzt nur Splitter und mehr liefere ich nicht ab. Zum guten Schluß noch das, was Cassius Clay neben seiner spezifisch hohen, ungebildeten Intelligenz, die bei Ungebildeten unter normalen Umständen fast immer unbemerkt und ungewürdigt bleibt, am meisten ausgezeichnet hat. Das war seine obstinate Kindsköpfigkeit.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (19.01.2022 11:44).