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  • archenoe

mehr als 1000 Beiträge seit 05.02.2004

Typische Umfragen (aber doch interessant)

Typische Umfragen werden zur Beantwortung einer Fragestellung herangezogen, ohne das die Fragestellung kritisch erläutert und das dahinterstehende Erkenntnisinteresse aufgedeckt würde.

Wer will wissen, ob die Gesellschaft polarisiert ist und warum. Wofür werden die Ergebnisse von wem verwendet?

Typisch sind solche Umfragen auch, wie hier im Forum schon jemand angemerkt hat, weil sie gezielt wie immer den Unterschied/Gegensatz zwischen Eigentümern und Nicht-Eigentümern an Produktionsmitteln sowie die drastische Ungleichheit/Fragmentierung beider sozialer Klassen bzgl./durch Einkommen, Vermögen und Macht nicht für gesellschaftsbestimmend halten.

Typisch sind sie aber auch, weil sie in ihren Fragen als völlig unreflektiertes positives Hochwertziel die Kohärenz einer konsensualen Gesellschaft unterstellen, was sie nur können, indem sie eben den Klassencharakter der Gesellschaft unterschlagen.

Bürgerliche Ideologie eben.

Das heißt nun allerdings nicht, dass man aus solchen Umfragen gar keine Erkenntnisse ziehen kann. Nur muss man sie eben auf die Klassengesellschaft "uminterpretieren".

Eine interessante, wenn auch nicht repräsentative Umfrage (quantitative Online-Befragung) von der Uni Basel zu Haltungen/Einstellungen von Maßnahmenkritiker*innen und sogenannten Querdenker*innen bietet z.B. durchaus Interessantes.

https://osf.io/preprints/socarxiv/zyp3f/

"Hierfür haben wir eine Einladung zur Umfrage mit einem Link zum
Online-Befragungs-Tool Limesurvey – auf dem wir unsere Befragung programmiert haben
– in Telegram-Gruppen von Corona-Massnahmen-Kritiker:innen und Querdenker:innen gepostet.
Insgesamt wurden mehr als 1150 Fragebögen ausgefüllt. Der zugrundeliegende Fragebogen wurde anhand allgemein geltender Qualitätsstandards konzipiert und orientierte sich an erprobten Befragungsinstrumenten: Der Fragebogen baute auf getesteten Items aus dem Institut für Protest- und Bewegungsforschung, dem Sozio-
ökonomischen Panel und der Leipziger Autoritarismusstudie auf. Hinzu kamen neu entwickelte Items, die sich spezifisch auf die Proteste gegen die Corona-Massnahmen bezogen."

Bei aller Vorsicht lassen sich einige Tendenzen erkennen, wenn man sich durch die Befragungsergebnisse scrollt. Ich konzentriere mich bei der Darstellung auf signifikante Ergebnisse von 60% und mehr. Es gibt aber auch noch viele einzelne interessante andere Ergebnisse. Die Asuwertung der Forscher am Ende ist auch lesenswert.

Von den in Telegram-Gruppen aktiven Maßnahmenkritiker*innen und Querdenker*innen, die den Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt haben,
- haben bei der letzten Bundestagswahl 23% Grüne und 15% AfD gewählt und wollen bei der kommenden Bundestagswahl 1% Grüne und 27% AfD wählen;
- haben über 80% kein Vertrauen in die Medien, fast 80% kein Vertrauen in die Regierung und ca. 70% kein Vertrauen in die EU (Anmerkung: Insgesamt gibt es wenig Vertrauen in Institutionen. Am besten schneiden Bürgerinitiativen mit über 50%, die Justiz mit fast 50% und die Unternehmen mit ca. 40% ab.);
- glauben fast 90%, dass in Sachen Corona die falschen Experten "den Ton angeben";
- glauben fast 100%, dass die Regierung die Pandemie dramatisiere und übertrieben darstelle, Angst schüre und mit ihren Maßnahmen Demokratie und Meinungsfreiheit bedrohe;
- glauben über 80%, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu können, ohne Ärger zu bekommen;
- sind ca. 80% unzufrieden mit der aktuellen Demokratie;
- glauben über 80%, dass Politiker ihre Versprechen nicht halten;
- halten die Maßnahmen fast 90% für willkürlich und unwirksam;
- glauben 90% und , dass Maskenpflicht Kindesmissbrauch sei und dass Kinder durch die Maßnahmen unzumutbar belastet seien;
- glauben über 80%, das Coronavirus sei nicht gefährlicher als eine schwere Grippe;
- glauben über 70%, dass die natürlichen Selbstheilungskräfte Corona besiegen können, spirituelles sowie ganzheitliches Denken der Gesellschaft guttun würde und die Alternativmedizin der Schulmedizin gleichgestellt sein müsste;
- glauben ca. 80% die Krise zeige, wie weit "wir uns von der Natur entfernt haben";
- befürworten 90%, das Für und Wider einer Impfung sorgfältig abzuwägen;
- wollen sich 90% freiwillig nicht impfen lassen;
- befürchten über 90%, dass Impfzwang und Immunitätsausweis eingeführt werden;
- halten über 70% Banken und Konzerne für Profiteure der Coronakrise;
- glauben ca. 60% es gebe geheime Organisationen mit großem politischen Einfluss;
- glauben über 60%, Politiker seien Marionetten dahinterstehender Mächte;
- glauben über 80%, Medien und Politik steckten unter einer Decke;
- glauben fast 70%, die Bill & Melinda Foundation wolle eine Zwangsimpfung für die ganze Welt;
- glauben ca. 80%, die Regierung verschweige die Wahrheit und hintergehe das Volk, sowie deutlich über 90%, dass der Staat sie bevormunde;
glauben ca. 60%, mit Bürgerzusammenschlüssen die Politik beinflussen zu können;
- behaupten etwa 90%, sich zwecks Meinungsbildung mit verschiedenen Meinungen/Positionen auseinanderzusetzen;
- fühlen sich über 60% nicht wegen vieler Muslime fremd im eigenen Land;
- wollen fast 70% bei knapper werdenden Arbeitsplätzen Ausländer nicht wieder in ihre Heimat schicken;
- wollen über 60% nicht, dass sich Frauen wieder mehr auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter besinnen sollen;
- wollen ca. 80% keinen starken Führer;
- lehnen 90% die Aussage ab, es gebe wertvolles und unwertes Leben;
- halten ca. 60% die Aufregung über schwarz-weiß-rote Fahnen bei Protesten für übertrieben;
- finden fast 80% nicht, dass die nationalsozialistischen Verbrechen übertrieben dargestellt werden;
- wollen ca. 80% nicht, dass die wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen privatisiert werden.

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