auf_der_hut schrieb am 15.10.2023 14:23:
Ob das noch ein, zwei oder drei Jahre dauert ist dabei aus militärischer Sicht nicht wichtig.
Aus politischer schon. Auch Putin wird nicht ewig leben, und dass ein jahrelanger Krieg, der Russland zwingt große Teile seiner Wirtschaftsleistung in militärisches Verbrauchsmaterial zu stecken und die intellektuelle Elite aus dem Land treibt wirklich so einen großen Vorteil gegenüber den seinen geopolitischen Konkurrenten verschafft, das wage ich zu bezweifeln. Die Welt bleibt nicht stehen, nur weil Russland die ungeliebten "Ukro-Sockenpuppen" durch eigene Marionetten zu ersetzen versucht. Insgesamt wird Russland im globalen Wettbewerb weit zurückfallen und hat auf jeden Fall der Welt eindrucksvoll demonstriert, dass es militärisch nicht mehr in der Lage ist, mit dem Westen mitzuhalten. Denn der setzt bisher nur einen kleinen Bruchteil seines militärtechnischen Potenzials in der Ukraine ein und hält die russische Armee trotzdem, mit Hilfe der tapferen Ukrainer, seit mehr als einem Jahr in der Defensive. Dass Russland die halbe Ukraine inklusive Charkiw erobern könnte ist eine genauso absurde Überschätzung der russischen Kräfte wie die Voraussage, dass die Ukraine in ein paar Monaten die Krim zurückerobert.
"Wenn einer der mit Mühe kaum
geklettert ist auf einen Baum
schon meint, dass er ein Vogel wär
so irrt sich der"
(W. Busch)
Richtig.
Vieles deutet darauf hin, dass es gar keine großen Offensiven und Geländegewinne mehr geben wird und dass letztlich ein ähnlicher Zustand wie vor dem Krieg eintritt - mit einer leicht verschobenen "Kontaktlinie", aber ohne politische Lösung.
Die Ukraine wird in 2024 um zwei Größenordnungen mehr Munition bekommen. Darunter Waffensysteme für die Russland kein equivalent aufbieten kann. Beispielsweise Artillerie die mit 100km Reichweite konkurrenzlos ist.
D.h. ich würde nicht davon ausgehen, dass der Krieg in die gleichen Stellungsgefechte wie 2015-2022 degradieren wird.
Für den Westen hingegen wäre eine Niederlage der Ukraine keine Katastrophe, denn eigentlich hatte man damit ja schon nach wenigen Wochen gerechnet.
Das ist die Geschichte die man Russland erzählt hat.
Faktisch wurde die Front soweit aufgerüstet, dass Russland keine hundert Meter weit gekommen ist. Die Ukraine ist der Honeypot in dem sich das Russische Imperium totlaufen wird.
Eben daraus wird man Russland nicht entlassen.
Ein solcher Ausgang hätte für den Westen auch den Charme, dass der Wiederaufbau der vom Krieg am stärksten zerstörten Gebiete an Russland hängenbleiben würde.
Es ist geradezu töricht Russland Gebiete zu überlassen, welche einem Putin als Symbol des Erfolg seiner Strategie dient.
Wenn Russland mit genau Null Gewinn (bzw. gegenüber 2015 gar mit Gebietsverlust), aber hunderten Milliarden Kosten, einer Million Toten, vernichteten Geschäftsbeziehungen uvm. aus dem Krieg heraus geht, genau dann wird der Verwesungsprozess des Russischen Imperiums Fahrt aufnehmen.