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  • HerrMeLin

mehr als 1000 Beiträge seit 25.06.2001

Re: Russlands Beteiligung an der int. Friedensoperation im Jugoslawien-Krieg

Pearphidae schrieb am 26.06.2022 18:06:

HerrMeLin schrieb am 24.06.2022 20:47:

Alex Riemenschneider schrieb am 24.06.2022 19:53:

HerrMeLin schrieb am Heute, 16:25:

Zumindest die Ukrainer - aber auch die USA/NATO - hätten es vor dem Krieg in der Hand gehabt, die NATO (wie ehemals versprochen) nicht nach Osten auszubreiten - und schon hätte Russland keinen Krieg begonnen. Haben sie aber nicht - mit den entsprechenden Folgen...

Wann genau ist die Ukraine denn Mitglied der NATO geworden?

Die Ukraine hat sich die angestrebte Mitgliedschaft in der NATO im Jahr 2019 in die Verfassung geschrieben. Dadurch war der Weg festgelegt und die Mitgliedschaft unvermeidlich.

Falsche Tatsachenbehauptungen:

● Es gab weder ein Versprechen noch einen Vertrag bezüglich der Osterweiterung der NATO. Es gab lediglich eine mündliche Absichtserklärung in einer Rede Genschers.

https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Osterweiterung

● Ebenso war auch die schriftliche und immerhin von Russland unterzeichnete „NATO-Russland-Grundakte“ nur eine Absichtserklärung.

https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Russland-Grundakte

● Die Willenserklärung eines Landes genügt nicht für eine Mitgliedschaft in der NATO.

https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Osterweiterung

● Der Nato-Russland-Rat stellt eine Respektsbezeugung der NATO gegenüber Russland dar. Mit ihm wurde eine Zusammenarbeit in Fragen der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik eingeleitet.

https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Russland-Rat

Und wieso sollte die Ukraine für seine Entscheidungen Russland um Erlaubnis bitten müssen?

Grundlage hierfür ist das OSZE-Abkommen, das alle Europäischen Staaten unterschrieben haben, in dem es heißt:

Ihre Betonungen waren falsch. Hier die Korrektur:

Zitat: "3. Die Sicherheit jedes Teilnehmerstaats ist untrennbar mit der Sicherheit aller anderen verbunden. Jeder Teilnehmerstaat hat das gleiche Recht auf Sicherheit. Wir bekräftigen das jedem einzelnen Teilnehmerstaat innewohnende Recht, seine Sicherheitsvereinbarungen einschließlich von Bündnissen frei zu wählen oder diese im Laufe ihrer Entwicklung zu verändern. Jeder Staat hat auch das Recht auf Neutralität. Jeder Staat wird diesbezüglich die Rechte aller anderen respektieren. Sie werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen."

"Gedenkerklärung von Astana auf dem Weg zu einer Sicherheitsgemeinschaft"
(<https://www.osce.org/files/f/documents/4/e/74988.pdf>)

Die Ukraine kann seine Sicherheits-Vereinbarungen frei wählen. Ein Beitritt zur NATO, die einen reinen Verteidigungspakt darstellt, würde die Sicherheits-Interessen Russlands in keinster Weise berühren.

Der Jugoslawien-Krieg:

Damals hat Serbien den Kosovo unter dem Vorwand angegriffen, eine serbische Minderheit im Kosovo schützen zu wollen. Wie auch jetzt in der Ukraine, hatte es damals gar keine Unterdrückung von Serben im Kosovo/Albanien gegeben.

Das Massaker von Račak:

Nach dieser eklatanten Menschenrechtsverletzung griff die NATO ein, um eine Wiederholung zu verhindern. Der Angriff erfolgte ohne UN-Mandat und ohne Bündnisfall, wofür sie kritisiert wurde. Diese Lektion hat die NATO verinnerlicht, weshalb sie sich jetzt nicht am Ukraine-Krieg beteiligt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Ra%C4%8Dak

Auch Russland hatte sich an der internationalen Friedensoperation beteiligt:

● Mit dem Vorstoß nach Priština hatten russische Truppen versucht, den Flughafen der kosovarischen Hauptstadt zu besetzen - und zwar nach dem Ende des Krieges.

„Die Soldaten der russischen Brigade waren nach dem Ende der Luftangriffe und nach der Resolution des Sicherheitsrats der UNO noch vor der Ankunft der KFOR-Truppen in den Kosovo eingedrungen „um auch an der internationalen Friedensoperation teilzunehmen.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Vorsto%C3%9F_nach_Pri%C5%A1tina

Im Gegensatz zur NATO hat Russland seine Lektion aus diesem Krieg nicht gelernt.

und weiter aus WP:

"Der äußere Souveränitsanspruch eines Staates konkurriert mit dem souveränen Willen anderer Staaten, der formal gesehen jeweils gleichwertig ist. Das Völkerrecht, das auf dem Grundsatz der Gleichheit souveräner Staaten beruht, setzt dem Souveränitätsanspruch Grenzen. Diese Grenzen sind in erster Linie machtpolitisch vorhanden. Im modernen nationalstaatlichen Verständnis der Souveränität sind Staaten Akteure, deren Willensausübung nach außen nicht nur durch die machtpolitischen Verhältnisse, sondern auch durch das Völkerrecht Grenzen gesetzt sind."

<https://de.wikipedia.org/wiki/Souver%C3%A4nit%C3%A4t#Souver%C3%A4nit%C3%A4t_im_V%C3%B6lkerrecht>

Völkerrechtlich gab und gibt es keine Einwände gegen eine Aufnahme der Ukraine in die NATO – von Seiten der UN hätte es auch keinen Einwand gegen eine Aufnahme Russlands gegeben.

● Hingegen stellt der Eroberungskrieg Russlands mit einem Angriff auf die Ukraine eine eklatante Verletzung des Völkerrechts dar.

Wie Du es auch drehst und wendest, egal welche juristischen Feinheiten Du anwendest, ob Vertrag, einseitige Willenserklärung oder Absichtserklärung (immerhin von Verteidigungsministern, die als berechtigte Personen im Namen ihres Staates völkerrechtlich bindende Verträge - auch mündlich! - schließen dürfen), der Kern dieses Krieges ist die NATO-Osterweiterung, bei der von 1999 bis 2004 insgesamt 10 Länder der NATO beigetreten und an Russland herangerückt sind.

Dagegen hat Russland, hat der russische Präsident Wladimir Putin immer protestiert und gesagt, dass Russland seine Sicherheitsinteressen massiv gefährdet sieht. Die NATO hat trotzdem weiter gemacht. Dies alles sind eklatante Verstöße gegen das völkerrechtlich bindende OSZE-Abkommen in dem es heißt: "Jeder Staat wird diesbezüglich die Rechte aller anderen respektieren. Sie werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen."

Das aber genau wurde und wird getan!

Dazu kommt, dass die NATO eben kein reines Verteidigungsbündnis mehr ist, sondern auch als politisches Instrument genutzt wird, die Interessen seines größten Mitglieds USA zu vertreten, aber auch wirtschaftliche und strategische Interessen "des Westens" durchsetzen soll.

Jedem Menschen ist einsichtig: Wenn man ein gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur aufbauen will, in der Frieden, Freiheit und Demokratie herrschen, dann kann man nicht das größte europäische Land mit der größten europäischen Atom- und Militärmacht als unbedeutendes Agrarland definieren, von oben herab ignorieren, von allen anderen europäischen Staaten isolieren und über einen langen Zeitraum in die Diktatur treiben, weil man selbst die größte Supermacht auf Erden sein will. Dann muss man dieses Land ernst nehmen und darf mit diesen Maßnahmen nicht einfach weiter machen als hätte dieses Land und seine Vertreter (Münchner Sicherheitskonferenz 2007) nichts gesagt. Kurz: Hier haben die Europäer komplett versagt.

Der Kern des Russland-Ukraine-Krieges (aber auch der Besetzung der Krim, Georgien- und Mazedonien-Konflikt und viele weitere Konflikte wie in Syrien, Libyen usw. usf.) ist und bleibt die Ausdehnung der NATO, das beständige "Knabbern" der USA an Russlands Bündnissen und Außengrenzen und der beständige Versuch der Schwächung Russlands.

Genau diese Bild vermittelt auch der WP-Eintrag zur NATO-Osterweiterung - wenn man ihn denn ganz und intensiv liest und auf seine eigenen nachbarschaftlichen Verhältnisse herunterbricht, den Du verlinkt hast: <https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Osterweiterung>

Einen noch besseren Überblick verschafft dieser Artikel, der genau 11 Tage vor dem Krieg veröffentlicht wurde: <https://www.swp-berlin.org/publikation/ukraine-im-nato-russland-spannungsfeld>

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