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  • Pearphidae

mehr als 1000 Beiträge seit 14.11.2021

Re: Russlands Beteiligung an der int. Friedensoperation im Jugoslawien-Krieg

HerrMeLin schrieb am 27.06.2022 08:03:

Wie Du es auch drehst und wendest, egal welche juristischen Feinheiten Du anwendest, ob Vertrag, einseitige Willenserklärung oder Absichtserklärung (immerhin von Verteidigungsministern, die als berechtigte Personen im Namen ihres Staates völkerrechtlich bindende Verträge - auch mündlich! - schließen dürfen), der Kern dieses Krieges ist die NATO-Osterweiterung, bei der von 1999 bis 2004 insgesamt 10 Länder der NATO beigetreten und an Russland herangerückt sind.

Sie verwechseln deutsches nationales Recht mit internationalem Recht. Ein Handschlag mit Spucke drauf, gilt eben nur in dem Kulturkreis als verbindlich, in dem diese Vertragsform gängig ist.

Völkerrechtlich bindende Verträge bedürfen immer der Schriftform.

Warum?

Ganz einfach: Weil sonst der eine behauptet, es sei dies gesagt worden und er habe dies soundso aufgefasst und der andere behauptet etwas anderes gesagt und gemeint zu haben.

In Verträgen wird unmissverständlich klar formuliert, was gemeint ist.

Dagegen hat Russland, hat der russische Präsident Wladimir Putin immer protestiert und gesagt, dass Russland seine Sicherheitsinteressen massiv gefährdet sieht. Die NATO hat trotzdem weiter gemacht. Dies alles sind eklatante Verstöße gegen das völkerrechtlich bindende OSZE-Abkommen in dem es heißt: "Jeder Staat wird diesbezüglich die Rechte aller anderen respektieren. Sie werden ihre Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten festigen."

Mit der NATO-Russland-Grundakte vom 27. Mai 1997 verpflichten sich beide Seiten, die Souveränität aller Staaten zu achten. Russland erkennt an, dass es kein Vetorecht gegen die NATO-Mitgliedschaft anderer Länder hat.

Mit dieser Akte wurden sämtliche bis dahin existierenden Interpretationen über irgendwelche Aussagen aus dem Weg geräumt. Es wurde ein klares Abkommen geschaffen – und unterschrieben.

Putin ist das allerbeste Beispiel dafür, dass man Russland nicht vertrauen kann, denn er hält sich nicht an die schriftlichen Verträge, die sein Land geschlossen hat.

Dazu kommt, dass die NATO eben kein reines Verteidigungsbündnis mehr ist, sondern auch als politisches Instrument genutzt wird, die Interessen seines größten Mitglieds USA zu vertreten, aber auch wirtschaftliche und strategische Interessen "des Westens" durchsetzen soll.

Wenn dem so wäre, wie sie behaupten, hätte Nordstream2 überhaupt nicht erst gebaut werden können, weil die USA von Anfang an dagegen waren. Aber Deutschland ist ein autonomes Land, das seine eigenen Interessen definiert und vertritt. Wenn sich die Interessen von Deutschland und der USA decken: Gut. Wenn noch weitere Länder diese gleichen Interessen verfolgen: Umso besser.

Richtig ist: Deutschland ist nicht nur Mitglied der NATO, sondern auch von vielen weiteren politischen wie auch wirtschaftlichen Bündnissen. Darunter sind vor allem auch Verträge mit wirtschaftsstarken Ländern, was Putin nicht gefällt, denn jedes Bündnis stärkt die Wirtschaften der beteiligten Länder noch weiter.

Jedem Menschen ist einsichtig: Wenn man ein gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur aufbauen will, in der Frieden, Freiheit und Demokratie herrschen, dann kann man nicht das größte europäische Land mit der größten europäischen Atom- und Militärmacht als unbedeutendes Agrarland definieren, von oben herab ignorieren, von allen anderen europäischen Staaten isolieren und über einen langen Zeitraum in die Diktatur treiben, weil man selbst die größte Supermacht auf Erden sein will. Dann muss man dieses Land ernst nehmen und darf mit diesen Maßnahmen nicht einfach weiter machen als hätte dieses Land und seine Vertreter (Münchner Sicherheitskonferenz 2007) nichts gesagt. Kurz: Hier haben die Europäer komplett versagt.

Wenn eine Argumentation schon mit billigen Phrasen beginnt: „Jedem Menschen ist einsichtig…“ – ist klar, dass es mit geharnischten Lügen weitergeht. Die Ihrige ist dabei keine Ausnahme, denn:

Diese Großmachtgedanken sind nur jenen zu Eigen, die sich klein fühlen (und meist auch sind) und gerne größer und mächtiger wären, als sie es sind. Das gilt für den kleinen Mann im Job und privaten Bereich, als auch Milliardäre und Staatschefs:
Immer ist da einer, der mehr hat an Einfluss, Geld, Anerkennung. Deshalb jagen Menschen, deren Dasein von Eitelkeit geprägt ist, in unstillbarer Gier jedem hinterher, den sie beneiden.

Russland hatte die Chance, sich als ebenbürtiger Partner der Nato zu erweisen und war auch eine Zeit lang auf gutem Weg gewesen. Nicht Europa, nicht die USA, sondern Putin ganz alleine hat das alles mit seinen imperialistischen Bestrebungen zunichte gemacht.

Der Kern des Russland-Ukraine-Krieges (aber auch der Besetzung der Krim, Georgien- und Mazedonien-Konflikt und viele weitere Konflikte wie in Syrien, Libyen usw. usf.) ist und bleibt die Ausdehnung der NATO, das beständige "Knabbern" der USA an Russlands Bündnissen und Außengrenzen und der beständige Versuch der Schwächung Russlands.

NIEMAND knabbert an Russlands Bündnissen. Schon gar nicht an seinen Außengrenzen. Dazu ist Russland schlicht nicht interessant genug, um sich dafür herumzuärgern.

Putin zitierte Zar Alexander III., als er gefragt wurde, wer denn Russlands Verbündete seien: “Russland hat nur zwei Verbündete: seine Armee und seine Marine“.

Tatsächlich hat Russland rechtlich verbindliche Verteidigungsabkommen mit Armenien, Weißrussland, Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan (OVKS). Weitere verbindliche Verträge gibt es mit Abchasien und Süd-Ossetien (selbsternannte Republiken, die wiederum von Kasachstan nicht anerkannt werden). Syrien wird als Verbündeter betrachtet, es gibt jedoch kein Dokument dazu.

Wirtschaftlich gehört Russland der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) an, eine ökonomische Interessengemeinschaft. Zu der zählt auch China, aber singuläre Vereinbarungen zwischen China und Russland gibt es weder wirtschaftlich noch militärisch. China hat auch kein Interesse an Bündnissen mit Russland, denn Russland spielt ein falsches Spiel: Es versucht Indien zu einem trilateralen Bündnis zu bewegen, sucht jedoch auch gleichzeitig nach einem Verbündeten gegen China.

Keines der russischen Militärbündnisse ist stark genug, um gegen die NATO anstinken zu können. Das kann nicht mal Russland mit seiner riesigen Armee und seinen lagernden Waffenbeständen. Um die NATO weiter auf Abstand zu halten droht Putin mit seinen Atomraketen – denn er weiß genau: Würde sich die NATO am Ukraine-Krieg beteiligen, wäre Russland anschließend für die nächsten Jahrzehnte nur noch ein einziges großes Naturschutzgebiet ohne jede politische und wirtschaftliche Bedeutung.

Letztendlich sind die vielen Desinformationen der russischen Propagandisten nichts anderes als ein im Chor angestimmtes Angstgeheul.

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