Es geht um zwei Grundrechte, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Darum ging es auch in Münster, als die Verwaltung eine Mahnwache gegen den Atommülltransport von der Urananreicherungsanlage in Gronau über Münster nach Russland. ablehnte. Das Verwaltungsgericht hat zu Gunsten der Antragsteller mit folgender Begründung geurteilt:
"Bei Einhaltung der vom Antragsteller selbst vorgesehenen Vorgaben sind keine infektionssschutzrechtlichen Umstände mehr ersichtlich, welche eine Ablehnung der Ausnahmegenehmigung und mithin einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit rechtfertigen."
Aktenzeichen 5 L 361/20
Hier die Einschätzung des Urteils durch Juristen der Anti-AKW-Bewegung (u.a. Wilhelm Achelpöhler)
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Im Einzelnen führte das VG folgendes aus:
1. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit verpflichte die Kommunen, jede Anmeldung einer politischen Versammlung in NRW nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen, ob eine Genehmigung mit den Anforderungen des Infektionsschutzes vereinbar ist. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und die Belange des Infektionsschutzes müssten dabei anhand des konkreten Einzelfalls miteinander abgewogen werden.
2. Wenn das Konzept der angemeldeten Versammlung – wie im vorliegenden Fall – alle Vorgaben des Infektionsschutzes einhält, dürfe eine Versammlungsbehörde nicht die Erteilung einer Genehmigung nach der Corona-Schutzverordnung verweigern. Der Ermessensspielraum der Versammlungsbehörde sei hier "auf Null reduziert" und es bestünde ein Anspruch auf Genehmigung.
Der Anmelder hatte schon selbst mit der Wahl der Örtlichkeit, der Teilnehmerzahl von 35 und zahlreichen Maßnahmen, u. a. dem Tragen von Mund-Nasen-Schutz sowie 1,50 m Abstand, dem Infektionsschutz ausreichend Rechnung getragen.
3. Ablehnungsgründe, die im Grunde auf jede Versammlung zuträfen – z. B. dass die Nichtzulassung für den Infektionsschutz womöglich besser sei, der Anmelder die genaue Zahl der Teilnehmer und das Verhalten von Teilnehmern oder Schaulustigen nicht vorab garantieren könne oder dass Ordnungskräfte Infektionsgefahren ausgesetzt sein könnten – könnten nicht pauschal eine Ablehnung begründen.
Das heißt, für den Infektionsschutz für Personen außerhalb einer Versammlung sind diese selbst verantwortlich, da die Corona-Schutzverordnung ja für alle gilt. Und für den Schutz der Ordnungskräfte sind die jeweiligen Dienstherren verantwortlich.
4. Ob ein zeitlich drängender Anlass für eine Versammlung gegeben ist, entscheide der Anmelder.
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Nach diesem Urteil wurde die Mahnwache in Gronau, die von der Verwaltung auch erst abgelehnt wurde, von dieser mit Auflagen genehmigt. Seitdem gab es schon mehrere Mahnwachen, die alle genehmigt worden sind.
Insofern wäre es ganz sinnvoll, wenn man weiter vor das OVG in Münster ziehen würde.
angelwing