Wenn ich so die Zeilen von Herrn Nowak lese dann bin ich geneigt ihm in vielen Punkten recht zu geben, aber irgendwie kann ich es nicht so richtig, denn die tatsächlich bestimmende Größe in einer Demokratie wird immer völlig unter den Teppich gekehrt und dass ist hierzulande dann der sogenannte "Souverän des Volkes" - wo ist der eigentlich?
Also er ist irgendwie da, meist eher herum lamentierend - z.B. in Foren wie diesem hier -, inzwischen eher missmutig seine Wahlkreuzchen machend - also wenn überhaupt eben -, aber er ist nicht dort wo er sein per Verfassung verbrieftes Recht das Land und die Gesellschaft politisch aktiv mitgestaltend ausüben könnte. Also nicht in Parteien engagiert, nicht in NGOs oder auf Demonstrationen unterwegs, er ist sich nämlich viel zu Schade dafür.
Der Begriff des sogenannte "Volkssouverän" steht heute für politisch aktives Nichtstun, hat sich irgendwer vielleicht einmal gefragt wie so die Demokratie eigentlich funktionieren kann? Menschen die sich auf den untersten Ebenen aktiv politisch engagieren werden ohne Ende belächelt weil sie so "blöd" sind damit ihre Zeit zu verschwenden und kritisiert für Entscheidungen die die Politiker "weiter oben" getroffen haben. Menschen die "weiter oben" in der Politik stehen werden vorwiegend nur noch kritisiert und bisweilen auch regelrecht gehasst - da legt der Bürger eine Souveränität an den Tag, die mir seit langem nur noch den Brechreiz in die Kehle treibt.
Der Bürger ist hierzulande kein Teilnehmer der Demokratie (mehr, also falls er es einmal war), er ist so etwas wie ein Zuschauer eines Fußballspiels der jeden Spieler, Trainer und Schiri kritisiert, selbst aber niemals den Ball mit dem Fuß berührt hat, geschweige denn überhaupt einmal auf dem Platz stand.
Manchmal stelle ich mir tatsächlich wirklich schon fast die Frage - also als Kontrapunkt zu der nowakschen Frage ob z.B. die SPD noch gebraucht wird -, braucht es eigentlich den Bürger noch in unserer Demokratie?
Zweifellos haben sich die Parteien die letzten Jahrzehnte nicht gerade mit Ruhm bekleckert, aber liegt das wirklich tatsächlich an den Parteien oder einfach an der Tatsache dass der Bürger sich ähnlich begeistert über die eigene aktive politische Beteiligung zeigt, wie wenn er darauf angesprochen wird wie eigentlich seine Mathematiknoten in der Schule waren und dann oft kokettierend kommt: "In Mathe war ich schlecht, aber das ist ja normal..."
Interessanterweise findet bei den Mathematiknoten ja noch ein Hauch der Selbstreflexion des Betroffenen statt und impliziert dort sein eigenes Verschulden, beim aktiven politischen Nichtstun fehlt das jedoch völlig. Kaum jemand würde ein Satz ähnlich wie diesem hier jemand anderes sagen "In Politik bin ich schlecht...", viel eher heißt es dort "Die anderen sind schuld...", gerne formvollendend mit der Aussage gepaart "Das bringt ja eh nichts (sich aktiv politisch zu beteiligen)..."
Sorry Herr Nowak, da können sie schreiben was sie wollen, wenn die tragende Säule der sogenannten "Volkssouveräne" an dem gesamten Prozess der Demokratie praktisch nicht mehr aktiv teilnimmt - hierzulande ja auch noch nie wirklich richtig teilgenommen hat in der breiten Masse -, sondern nur noch die Show "Viel Lärm um nichts bei CDU und SPD (sowie allen anderen)" konsumiert, dann können dafür kaum die anderen Säulen der Demokratie verantwortlich sein.
Wenn man es aber trotzdem tut und die Schuld dafür vorwiegend bei den Parteien sucht und nicht beim Bürger, dann macht man seinerseits nur "Viel Lärm um nichts", was die Frage aufwirft warum das passiert?
Ist der Bürger bzw. der sogenannte "Souverän des Volkes" in der Masse tatsächlich so unantastbar dass sich niemand traut ihm den Spiegel vorzuhalten und man stattdessen in einer Art "Opportunität des Mainstream" von Seiten der sogenannten 4. (journalistischen) Gewalt im Staate die Hosen voll hat und sich daher dann auf die Politik und Parteien als Wurzel allen Übels konzentriert?
Wenn das so ist, dann dieses Prinzip bitte auch demnächst konsequent und universell in allen Lebensbereichen anwenden und erst recht natürlich im politischen Journalismus - wobei ich jetzt nicht weiß ob es eine Bezeichnung für eine Gesellschaft bzw. Regierungsform gibt, die strukturell lediglich nach dem Sankt Florians Prinzip funktioniert.
(Wäre ich gehässig würde ich sagen, die Bezeichnung dafür ist Deutschland - aber das tue ich natürlich nicht, denn "es bringt ja nichts" und wäre auch wieder nur "Viel Lärm um nichts".)