Karolis schrieb am 16.04.2021 15:59:
Und was hindert Hartzer daran, sich auf den Arsch zu setzen und Jura zu lernen?
Jura zu lernen ... Für Jura ist ein Studium notwendig. Ein Studium können sich gerade einkommensschwache Menschen und gerade in Deutschland nicht leisten. Von 345 € im Monat ist das auch kaum machbar. Übrigens Deutschland ist das Land mit der Stärksten Spaltung was Bildung betrifft und mit den geringsten Aufstiegschancen von unten nach oben.
Erst vor wenigen Tagen zeigte auch ein neuer Bericht der OECD, dass nach wie vor die soziale Herkunft über den Bildungserfolg entscheidet.
Laut DGB-Studie bekommen Kinder aus sogenannten sozial starken Familien fast vier Mal häufiger eine Empfehlung fürs Gymnasium als Kinder aus Arbeiterfamilien mit vergleichbaren Schulleistungen. Und während fast 80 Prozent aller Kinder aus Akademikerfamilien studieren, sind es bei Kindern mit mindestens einem Elternteil mit Berufsabschluss, aber ohne Abitur, nur 24 Prozent.
„Stattdessen wurde vorwiegend auf die Elitebildung gesetzt, obwohl wir aus Studien wissen, dass die Bildung in einem Land insgesamt besser ist, wenn man auf eine breite Bildungsqualität für alle setzt.“ (Ilka Hoffmann)
GEW-Schulexpertin Ilka Hoffmann forderte, intensiv über ein sozial gerechtes, inklusives Schulsystem nachzudenken. „Wir brauchen längeres gemeinsames Lernen in personell gut ausgestatteten Schulen. Um Bildungsbenachteiligungen abzubauen brauchen wir multiprofessionelle Teams in der Schule und mehr Zeit für Kooperationen und Beratung.“ Nötig seien auch bessere Lern- und Arbeitsbedingungen in den Bildungseinrichtungen, um Zeit für Kinder und Jugendliche mit besonderen pädagogischen Bedarfen zu haben.
https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/soziale-spaltung-im-bildungssystem-bleibt/
Sagen Sie uns, welches Ihr höchster Bildungsabschluss ist, und wir sagen Ihnen, wer Sie sind und was Sie tun. Wenn Sie ein Universitätsstudium absolviert haben, konsumieren Sie öffentlich-rechtliches Fernsehen, die BBC in Großbritannien oder entsprechende Sender in anderen europäischen Ländern (etwa Canvas in Belgien) und lesen eine „seriöse“ Tageszeitung wie den Guardian, die ZEIT oder die Libération. Im Vereinigten Königreich schicken Sie Ihre Kinder möglichst in eine Privatschule, in Deutschland und den Niederlanden in ein Gymnasium, in Frankreich in eine der Grandes écoles. Sie leben in einer Universitätsstadt, in einem grünen Vorort oder in einem gentrifizierten Innenstadtviertel mit schönen Altbauten wie dem Prenzlauer Berg in Berlin, De Pijp in Amsterdam oder Notting Hill in London. Sie befürworten maßvoll die EU, machen sich Sorgen über den Klimawandel, den Zustand der höheren Bildungseinrichtungen und die Fremdenfeindlichkeit, und Sie wählen grün oder sozialliberal.
Wenn Sie dagegen nur einen niedrigen oder mittleren Schulabschluss haben, sehen Sie wahrscheinlich Privatfernsehen wie SBS, VTM und ITV und lesen – wenn Sie überhaupt Zeitung lesen – Boulevardblätter wie die Sun in England, BILD in Deutschland oder BT in Dänemark. Ihre Kinder besuchen im Vereinigten Königreich die örtliche staatliche Schule, in den Niederlanden ein regionales Ausbildungszentrum (ROC), in Frankreich ein Lycée professionel. Sie leben in einer ehemaligen Industrieregion oder Industriestadt, in einer Trabantenstadt aus der Nachkriegszeit wie Marzahn in Berlin, Lelystad in den Niederlanden oder Slough in England oder am Stadtrand in einem Außenbezirk aus dem 20. Jahrhundert. Sie stehen der EU äußerst kritisch gegenüber, machen sich Sorgen um Kriminalität und Einwanderung und wählen eine nationalistische Partei oder vielleicht auch gar nicht.
In unserer neuen Studie Diploma Democracy: The Rise of Political Meritocracy zeigen wir auf, wie diese neue Spaltung in West- und Nordeuropa entstanden ist. Auf Basis einer breiten Definition des englischen Begriffes cleavage (Spaltung, Kluft) stellen wir eine Vertiefung der Bildungskluft fest, die sich in drei Bereichen manifestiert: in einer neuen soziodemographischen Spaltung, in Gegensätzen der politischen Präferenz und in einer neuen Aufspaltung der politischen Landschaft.
Der Aufstieg der Gebildeten als neue soziale Gruppe
Spaltungen ergeben sich aus der Demographie. Im zwanzigsten Jahrhundert war es wenig hilfreich, von einzelnen Bildungsgruppen zu sprechen, weil die Gruppe der gut ausgebildeten Bürgerinnen und Bürger so klein war. Das änderte sich mit steigendem Bildungsniveau. Im Jahr 2015 waren der OECD zufolge 27 Prozent der Beschäftigten in der EU (in 22 EU-Staaten) gut ausgebildet – mehr als doppelt so viele wie 1992 (11 Prozent) und 25-mal so viele wie in den 1960er Jahren (ein mageres Prozent). Dieser enorme Anstieg der Zahl gut ausgebildeter Bürgerinnen und Bürger bildet die demographische Grundlage für die Entstehung einer Bildungskluft.
Diese neue Unterteilung ergibt sich aus einer zunehmenden Schichtung und Trennung entlang der Bildung, aus denen sich unterschiedliche Chancen für Wohnen, Gesundheit und Berufsaussichten ergeben. Darüber hinaus begünstigt die Bildung neue Formen der Homogamie, also der Partnerwahl nach sozial oder kulturell ähnlicher Herkunft. Die Gebildeten und die weniger Gebildeten leben in unterschiedlichen sozialen Welten und vermischen sich nicht. Sie unterscheiden sich in der Gesundheit und der Lebenserwartung, im Vermögen und im Einkommen.
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Die Aufspaltung in kosmopolitische und nationalistische Haltungen entspricht in den westeuropäischen Ländern der Bildungskluft. Am einen Ende dieser neuen Konfliktlinie stehen Bürgerinnen und Bürger, die soziale und kulturelle Heterogenität akzeptieren und den Multikulturalismus gutheißen oder zumindest billigen. Das sind Menschen mit höherer Bildung. Am anderen Ende befinden sich Bürgerinnen und Bürger, die dem Multikulturalismus überaus kritisch gegenüberstehen und sich eine homogenere nationale Kultur wünschen. Das sind überwiegend Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau.
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