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  • Karsten W.

mehr als 1000 Beiträge seit 19.10.2000

Re: Das Problem ist nicht zuwenig Lohn, sondern zu hohe Preise

kill-1 schrieb am 17. Februar 2010 16:49

> Dass Inflation eine Tatsache ist, lässt sich aber nicht bestreiten.
> Der Begriff des Reallohns ist deshalb schon ein sinnvolles Konzept.
> Es ist klar, dass man Inflation und damit Reallohn nicht exakt
> definieren kann. Man kann es aber trotzdem näherungsweise versuchen.
> Der Ansatz mit dem Warenkorb ist da durchaus sinnvoll.

Solange man sich immer über die Unwägbarkeiten im klaren ist, ja.
Ändert aber natürlich nichts daran, das die Leute, die solche
Begriffe nutzen das auch immer mit bestimmten Absichten tun.

Und natürlich bestreite ich nicht, das es Inflation gibt. Ich finde
nur, das die "nackte Zahl" zu wenig die qualitiativen Steigerungen
berücksichtigt.

> Und wie gesagt: Ich behaupte, dass die Inflationsrate eher nach unten
> manipuliert wird.

Meinst du also, wir haben mehr Inflation als der Warenkorb zeigt,
oder wir haben tatsächlich eine künstlich unten gehaltene Inflation?
Wäre ja prinzipiell beides möglich, hätte aber sehr unterschiedliche
Auswirkungen.

> > Es kommt an. Wenn man heute für einen Bruchtteil an Arbeitszeit einen
> > Großbildfernseher kaufen kann, wie noch vor 10 Jahren, dann ist das
> > Wirtschaftswachstum, was beim Bürger ankommt. Genauso, wenn man
> > überlegt, wie lange man heute arbeiten muß, um sich "1 Gigaflop
> > Rechenleistung" kaufen zu können.

> Aber Lebensmittel, Benzin und fast alle anderen Produkte sind
> eindeutig teurer als vor 20 Jahren. Und Rechenleistung und
> Großbildfernseher stehen in der Bedürfnishierarchie nunmal ziemlich
> weit hinten.

Jain. Wenn man einen Fernseher will (und die meisten wollen das
halt), dann muß das Geld trotzdem von den Gütern des täglichen
Bedarfs abgespart werden. Man kann das also auch nicht ausnehmen. 

Analoges gilt z.B. für Autos: Wenn man den heutigen VM Golf mit dem
Golf von 2000 vergleicht, dann ist das heute natürlich ein viel
größeres Auto, obwohl man es als "dieselbe Klasse" zählt, selbst wenn
die Steigerungen da nicht so krass ausgefallen sind, wie z.B. bei
Computern.

Und man darf ja bei der ganzen Reallohnberechnung auch nicht
übersehen, das es da nicht nur um Geringverdiener, sondern auch um
Leute mit merklich mehr Einkommen geht, die durchaus Fernseher und
Autos kaufen können.

> Es kommt letztendlich auf das Verhältnis von Löhnen zu Preisen an.
> Deswegen habe ich ja anfangs behauptet, dass sich deine Argumentation
> im Kreis dreht.

Dieses Verhältniss kann man aber nicht durch Lohnerhöhungen
verbessern, denn höhere Löhne ziehen auch immer höhere Preise nach
sich. Das dreht sich also wirklich im Kreis.

Mehr Wohlstand bekommt man nur durch höhere Produktivität oder durch
eine steigende positive Handelsbilanz. Andere Möglichkeiten gibt es
da schlicht und einfach nicht. Die Lohnsteigerungen haben natürlich
dazu geführt, das Waren aus dem Ausland heute hier recht "billig"
sind, Dienstleistungen und Waren aus dem Inland sind dagegen gleich
teuer geblieben. Und Rohstoffe sind aufgrund der weltweit höheren
Nachfrage überproportional teuer geworden. Soweit so gut.

Nun haben wir *dazu* aber noch das Problem, das der Staat immer mehr
den Bürgern in die Tasche greift und damit umverteilt. Das sind nicht
nur Steuern, sondern z.B. auch KV, denn auch in der GKV da zahlen ja
die "besser verdienenenden" für die weniger verdienenden mit. Diese
Geld fehlt bei den "Reallöhnen" aber nun genauso! Und da es sich da
um 1/2 bis 2/3 des Volkseinkommens handelt, schlägt das auch
entsprechend massiv zu.

Gerade diese Umverteilung ist nun das Problem: Da wird auf der einen
Seite Arbeit teurer, damit steigen die Preise für den Kunden, der
kann sich das zunehmend weniger leisten und als Resultat fallen
Arbeitsplätze weg, weil es keine Kunden mehr gibt. Die nun
Arbeitslosen bekommen nun H4 (oder werden bezuschußt) und benötigen
damit Geld, was der Staat natürlich den noch Arbeitenden aus der
Tasche ziehen muß. Damit haben die weniger Geld, können noch weniger
kaufen und so setzt sich die Spirale fort.

Tatsächlich ist es also die Umverteilung des Staates, die immer mehr
Menschen in die Arbeitslosigkeit und damit Abhängigkeit von
staatlichen Hilfen drängt. Das gahze geht ja bis zu einem gewissen
Wert gut, aber ich denke, diesen Wert haben wir inzwischen
überschritten und nun haben wir da eine positive Rückkopplung, die
das System bald zerstören wird, wenn man die nicht irgendwie
aufbricht.

> Unproportional im Vergleich zur Vergangenheit und zu anderen Ländern.

Vergangenheit? Viele Leute übersehen da leider immer die Deutsche
Einheit. Das war volkswirtschaftlich ein enormer Aufwand und hat uns
im Westen viel Geld gekostet. Logisch, das sich das auch auf den
Wohlstand auswirkt, das Geld muß ja irgendwie erwirtschaftet werden.

"andere Länder"? Ist sehr schwer vergleichbar, weil die z.B. auch
andere Berechnungen ihres jeweiligen Warenkorbs haben. Fast alle
grundlegenden Statistiken (selbst die der Arbeitslosenrate oder des
BIP) werden von Land zu Land unterschiedlich berechnet. Bei so
kleinen Werten (2% bei den angeblich gesunkenden Reallöhnen seit
2000) ist das durchaus relevant. Und bei anderen Ländern darf man
auch nicht vergessen, das die teils ganz andere Voraussetzungen haben
und hatten. Das ist extrem komplex, da einfach nur Preissteigerung
mit Lohnentwicklung zu vergleicht ist völlig witzlos.

> Auch wenn man überhaupt keine Ahnung hat, was man genau misst, kann
> man die Messwerte immer *vergleichen*. 

Ja. Allerdings ist die Interpretation dann wertlos.

> Dabei kann man natürlich auch
> Fehler machen, aber wenn du die Lohnentwicklung in D im Zeitverlauf
> oder im Vergleich mit anderen Ländern betrachtest, kannst du einfach
> nur zu dem Schluss kommen, dass die Löhne in D unterproportional
> steigen.

Nein, kann ich nicht, denn wie oben beschrieben gibt es so viele
Faktoren, das man das einfach im Rahmen der Zahlen nicht sagen kann.
Wären die Reallöhne nun um 50% gefallen, ok, das wäre natürlich ein
Wert. Aber wir reden hier von Werten, die WEIT unter den diversen
Unwägbarkeiten liegen.

> Selbst die OECD hat dies festgestellt, und der würde ich nicht
> unterstellen, einseitig auf der Arbeitnehmerseite stehen.

Die OECD dokumentiert aufgrund von relativ einfachen Statistiken mit
den oben beschriebenen Unsicherheitsfaktoren. Und neutral ist
niemand.

> Du hast also überhaupt keine Zahlen. 

Ich habe die selben Zahlen wie du, nur interpretiere ich die anders.

> Wie willst du dann
> argumentieren? Nur aus deinem Gefühl heraus? Mit Anekdoten aus deinem
> Bekanntenkreis?

Nein, sondern indem ich die Fehler bei deiner Interpretation der
Zahlen vorstelle.

Ich bezweifele ja nicht mal, das die Reallöhne nominell
runtergegangen sind. Ich bezweifele nur, das das in ein sinkendes
Wohlstandsniveau umsetzbar ist. Weil Wohlstand eben mehr ist als nur
inflationsbereinigt X EUR/Monat zu haben.

Leider bist du ja auf die meine ganzen Begründungen überhaupt nicht
eingegangen, sondern hältst dich nur an den nackten Zahlen fest. Und
das, obwohl du ja selbst zugegeben hast, das Statistiken sehr leicht
täuschen können. Ich zeige hier permanent auf, wo diese Täuschungen
bei "deinen" Zahlen vorliegen. Mehr kann ich nicht machen, denn die
Zahlen sind als solche sicher korrekt - der Fehler steckt in der
Interpretation.

> Nein, es ist nicht egal. Als Ausgleich für diese nicht konsumierte
> Leistung muss irgendjemand Schulden machen.

Ja und? Wenn jemand freiwillig auf Wohlstand verzichtet (und
Konsumverzicht ist ja Wohlstandsverzicht), warum soll er dafür nicht
entlohnt werden? Immerhin genießt dafür jemand anderes Wohlstand, den
er sonst nicht hätte.

> Wenn auf einer Seite die
> Guthaben und auf anderer Seite die Schulden immer weiter wachsen,
> führt das irgendwann zu einem Crash.

Nein, es führt schlimmstenfalls zu Inflation. Wie gesagt: Geld sind
nur Zahlen. Völlig abstrakt. Erst wenn man Geld in Waren oder
Dienstleistungen umtauschen, passiert da was reales.

> Aus meiner Sicht nicht. Eine gewisse Sparquote ist zwar sinnvoll.
> Wenn man den Konsum aber zu einseitig belastet, kann man die
> Wirtschaft auch schnell abwürgen.

Ja, das können Steuern allgemein. Aber die Idee beim USt finanzierten
BGE ja einfach das Umlegen der ESt auf die USt, was im Endeffekt
keinerlei Auswirkungen auf die Preise und damit auf den Konsum hat.
Wenn in für ein Bier 2EUR zahle, ist es doch völlig egal, ob da 1EUR
USt drin sind und 0 ESt oder 31c USt und 68c ESt. 

> Aber der Zinseszinseffekt ist bei einer höheren Rendite viel
> drastischer.

Man bekommt aber mit mehr Geld keine höheren prozentualen Rendite.
Die Zeiten sind lange vorbei, heute kann jeder auf den Kapitalmärkten
"mitspielen", daher kann da auch jeder recht ähnliche Renditen
erziehen. Höhere Renditen kann sich daher heute jeder durch höheres
Riskio erkaufen. Da steckt auch einer der Hauptfehler von Marx: Heute
sind wir ALLE Kapitalisten. DAS hat er eben nicht vorhergesehen.

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