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  • Karsten W.

mehr als 1000 Beiträge seit 19.10.2000

Re: Das Problem ist nicht zuwenig Lohn, sondern zu hohe Preise

Joachim Durchholz schrieb am 17. Februar 2010 16:53

> Ach, angesichts der irren Produktivität in der Industrie ist das
> Erwirtschaften des 1.5- bis 2-fachen doch wirklich kein Problem.

Ironisch gemeint?

> Notleidend sind ja auch nie die Industriebetriebe mit Aufträgen,
> sondern Dienstleister und Industriebetriebe ohne Aufträge.

Ach...

> Aber alle diese Rechnungen bringen ohnehin nichts. Je gründlicher man
> rechnet, desto näher kommt man an eine Relation von 1:1 heran - in
> einer Volkswirtschaft ist jede Einnahme gleichzeitig eine Ausgabe.

Das stimmt natürlich. So einfach ist es aber eben doch nicht. Ich
zitiere mich mal aus dem Parallelpost:

"Nun haben wir *dazu* aber noch das Problem, das der Staat immer mehr
den Bürgern in die Tasche greift und damit umverteilt. Das sind nicht
nur Steuern, sondern z.B. auch KV, denn auch in der GKV da zahlen ja
die "besser verdienenenden" für die weniger verdienenden mit. Diese
Geld fehlt bei den "Reallöhnen" aber nun genauso! Und da es sich da
um 1/2 bis 2/3 des Volkseinkommens handelt, schlägt das auch
entsprechend massiv zu.

Gerade diese Umverteilung ist nun das Problem: Da wird auf der einen
Seite Arbeit teurer, damit steigen die Preise für den Kunden, der
kann sich das zunehmend weniger leisten und als Resultat fallen
Arbeitsplätze weg, weil es keine Kunden mehr gibt. Die nun
Arbeitslosen bekommen nun H4 (oder werden bezuschußt) und benötigen
damit Geld, was der Staat natürlich den noch Arbeitenden aus der
Tasche ziehen muß. Damit haben die weniger Geld, können noch weniger
kaufen und so setzt sich die Spirale fort.

Tatsächlich ist es also die Umverteilung des Staates, die immer mehr
Menschen in die Arbeitslosigkeit und damit Abhängigkeit von
staatlichen Hilfen drängt. Das gahze geht ja bis zu einem gewissen
Wert gut, aber ich denke, diesen Wert haben wir inzwischen
überschritten und nun haben wir da eine positive Rückkopplung, die
das System bald zerstören wird, wenn man die nicht irgendwie
aufbricht."

> So gesehen ist für ein beliebiges Lohnniveau "genug Geld da", egal,
> ob es hoch oder niedrig liegt.

Das gilt in jedem geschlossenem System. Was allerdings nicht gilt
ist, das man durch Lohnsteigerungen mehr Wohlstand bekommt - man
bekommt dadruch nur höhere Preise. Lohnsteigerungen müssen immer an
der Produktivitätsentwicklung orientiert sein. Und in unsere
Dienstleistungsgesellschaft ist das halt mit der Produktivität nicht
mehr so einfach wie in einer Industriegesellschaft.

> (Genausowenig ist die Staatsquote für die Wirtschaft entscheidend -
> eine hohe Staatsquote bedeutet nur, dass der Staat in mehr Bereichen
> entscheidet, wie das Geld ausgegeben wird, aber das heißt nicht
> unbedingt, dass diese Entscheidungen besser oder schlechter als die
> der Einzelnen oder die der Firmen sind.)

Der Staat hat aber als großer "Player", der die Leute auch noch unter
Druck setzen kann (sonst wird H4 gestrichen) sehr viel mehr Macht und
Macht wird idR mißbraucht.

> Das wäre für einen Hartz-IV-Empfänger der Himmel pur.

Sicher. Aber für viele Normalverdiener ein Abstieg.

> Es gibt einige Ausgaben, an denen man schlecht unter ein gewisses
> Niveau druntersparen kann. 

Die Rechnung sollte nicht zeigen, das wir H4 kürzen sollten (oder
nicht erhöhen dürfen), sondern nur wieviel Geld zum Verteilen maximal
da ist. Jeder, der mehr verdient als diese Summe, müßte bei mehr H4 
(oder allgemein bei Zuwächsen bei denen "drunter") also Abstriche
hinnehmen.

> Bei 2270 EUR/Monat wären zwischen 1570 und 1270 EUR/Monat übrig!

Vergiß nicht, Sozialversicherung abzuziehen (wobei ich momentan nicht
weiß, ob da der Arbeitgeberanteil schon im Volkseinkommen
berücksichtigt ist). 

> Davon kann man ein Auto finanzieren und hat bei angenommenen
> monatlichen Kosten von 500 EUR immer noch 770 bis 1070 EUR übrig.
> Das ist *reichlich*.

Ja, es ist nicht wenig. Aber eben auch nicht so viel, wie viele
vielleicht denken. Denk immer daran, das ist das Maximum, wenn
niemand mehr verdienen würde!

Natürlich sind das alles nur grobe Rechnungen. Wenn wirklich jeder
gleich viel verdienen würde, würde sich ja vieles ändern, schon beim
Steuersystem (keine Progression mehr, keine Ausgaben für H4 usw.).
Das komplett durchzurechnen, wäre ziemlich aufwändig. Genaugenommen
müßte man da ein dynamisches Modell basteln und schauen, wie sich das
entwickelt. Mit vielen Unwägbarkeiten.

> Das Problem ist nicht "kein Geld".

Da stimme ich zu. Das Problem ist die Verteilung. Und da macht halt
der Staat "sehr wohlgemeint" vieles kaputt. Z.B. ist ja "Aufstockung"
auf den ersten Blick eine gute Sache - aber genaugenommen
subventioniert der Staat damit Billigjobs und drückt damit MEHR Leute
in die Aufstockung rein. 

> Das Problem ist, dass es nicht in die Taschen der Konsumenten fließt,
> sondern in die Taschen der Kreditgeber. 

Z.T. Aber wie gesagt: Die Staat ist momentan der größte "Player" und
damit hat der auch den größten Einfluß.

> Am Ende gibt es einige Wenige, die von ihren Zinsen leben, 

Gesamtgesellschaftlich aber recht irrelevant.

> eine
> Gruppe von Leuten mit schlechtbezahlter Arbeit, die sich mühsam über
> Wasser halten, und eine viel größere Gruppe von Leuten ohne Arbeit,
> die sich irgendwie mit Hartz IV oder sonstigen Leistungen
> durchschlagen müssen. 

Es gibt auch noch eine Menge Leute, die durchaus gut verdienen
(deutlich über den erwähnten 2270 EUR/Monat). Aber auch denen macht
der Staat mit seinem Lohndumping das Leben schwer, denn die zahlen ja
letztlich die Subventionen.

> (Durch die weiter fortschreitende
> Rationalisierung sinkt der Bedarf an Arbeitskraft ja immer weiter,
> selbst wenn das Lohnniveau niedrig ist.)

Ich würde sagen, das verlagert sich eher. Wird sind da technisch noch
nicht weit genug das nicht noch genug Arbeit für alle da wäre.

> Die Löhne sinken ja auch nicht, weil sie im Vergleich zur
> Produktivität zu hoch sind (sonst läge der Lohnanteil nicht schon
> längst unterm europäischen Durchschnitt), sondern, weil die
> Arbeitgeber damit drohen können, die Produktion in ein Ausland mit
> billigeren Löhnen zu verlagern.

Was aber schon daran liegt, das hier alles ziemlich teuer ist. Dafür
bekommen wird dann allerdings auch viele Waren aus dem Ausland zu
Spotpreisen. Es gibt schon Gründe, warum z.B. die Chinesen ihre
Währung künstlich untenhalten und auch die Amis über den niedrigen
Dollar nicht sonderlich traurig sind (zumindest solange wie Öl in
Dollar bezahlt wird).

> Das heißt dann, dass man nicht nur die Löhne in Deutschland anheben
> müsste, sondern die in Osteuropa und China ebenfalls. Da wird's
> natürlich schwierig.

Oder wir senken die allgemein ab. Damit wird dann der Fernseher
teurer, Dienstleisungen bleiben in Relation aber effektiv gleichteuer
und D wird auf dem internationalen Markt konkurrenzfähiger.

> herauszunehmen. Arbeitnehmer sind ja auf ihre Arbeitsstelle
> angewiesen und daher erpressbar; 

Und Arbeitgeber sind auf Arbeitnehmer angewiesen und damit ebenso
erpressbar. Eigentlich ist das ganze symmetrisch, der Staat macht das
momentan aber leider kaputt. Das ist halt die Kehrseite des
Wohlfahrtstaats.

> (Das gab's schon mal, das waren die Zeiten der
> Frühindustrialisierung, mit Manchesterkapitalismus, Weberaufständen,
> Maschinenstürmern usw.)

Das wird in der Form nicht passieren, die Voraussetzungen sind heute
völlig anders.

> Also... Grundeinkommen. Irgendwas um 800 EUR. 

Wäre ich auch für. 

Aber in der Höhe wohl schwer finanzierbar außer mit effektiv höherer
Steuerbelastung (die dann aber das Preisniveau weiter anheben würde).
Ich schätze, ca 600 EUR wären eher realistisch (Kinder die hälfte).
Reicht aber eigentlich auch, für Extremfälle gibt es halt bei guten
Gründen noch etwas Geld extra. 


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