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mehr als 1000 Beiträge seit 26.09.2005

Re: Das Problem ist nicht zuwenig Lohn, sondern zu hohe Preise

(Mann, jetzt ist aber gut...)

> > (Durch die weiter fortschreitende
> > Rationalisierung sinkt der Bedarf an Arbeitskraft ja immer weiter,
> > selbst wenn das Lohnniveau niedrig ist.)

> Ich würde sagen, das verlagert sich eher. Wird sind da technisch noch
> nicht weit genug das nicht noch genug Arbeit für alle da wäre.

Wenn dem so wäre, wäre die Langzeitarbeitslosigkeit ein Zehntel des
heutigen Werts.

> > Die Löhne sinken ja auch nicht, weil sie im Vergleich zur
> > Produktivität zu hoch sind (sonst läge der Lohnanteil nicht schon
> > längst unterm europäischen Durchschnitt), sondern, weil die
> > Arbeitgeber damit drohen können, die Produktion in ein Ausland mit
> > billigeren Löhnen zu verlagern.

> Was aber schon daran liegt, das hier alles ziemlich teuer ist. Dafür
> bekommen wird dann allerdings auch viele Waren aus dem Ausland zu
> Spotpreisen. Es gibt schon Gründe, warum z.B. die Chinesen ihre
> Währung künstlich untenhalten und auch die Amis über den niedrigen
> Dollar nicht sonderlich traurig sind (zumindest solange wie Öl in
> Dollar bezahlt wird).

Die Chinesen kommen allerdings langsam in Schwierigkeiten mit ihren
Dollarreserven. Sie wissen nicht, was die eigentlich noch wert sind.

Das alte Problem des Devisenüberschusses. Im Grunde bedeutet ein
Exportüberschuss ja nur, dass man Ware gegen ein Zahlungsversprechen
einlöst - spätestens dann, wenn das Zahlungsversprechen eingelöst
wird, hat man einen Importüberschuss.
Schlecht, wenn die Wirtschaft dann nicht darauf ausgelegt ist.

(Ich halte den Stolz der deutschen Politik auf Deutschland als
Exportweltmeister für sehr, sehr fehl am Platz.)

Und so ein ein Ungleichgewicht bei Exporten und Importen bringt
garantiert auch andere Teile der Volkswirtschaft aus dem
Gleichgewicht.
Es würde mich überhaupt nicht erstaunen, wenn eine gründliche Analyse
der Auswirkungen des Exportüberschusses ergäbe, dass er jede Menge
Probleme verursacht, die heute ganz anderen Ursachen zugeschrieben
werden.
Leider verstehe ich nicht genug von Volkswirtschaft, um diese Analyse
selbst durchzuführen.

> > Das heißt dann, dass man nicht nur die Löhne in Deutschland anheben
> > müsste, sondern die in Osteuropa und China ebenfalls. Da wird's
> > natürlich schwierig.

> Oder wir senken die allgemein ab. Damit wird dann der Fernseher
> teurer, Dienstleisungen bleiben in Relation aber effektiv gleichteuer
> und D wird auf dem internationalen Markt konkurrenzfähiger.

Das Problem ist nur, dass dann die Fernseher noch weniger Kunden
finden.

> > herauszunehmen. Arbeitnehmer sind ja auf ihre Arbeitsstelle
> > angewiesen und daher erpressbar; 

> Und Arbeitgeber sind auf Arbeitnehmer angewiesen und damit ebenso
> erpressbar. Eigentlich ist das ganze symmetrisch, der Staat macht das
> momentan aber leider kaputt.

Das ist nicht der Staat, der das kaputtmacht, sondern die
Massenarbeitslosigkeit.
Dadurch werden allgemein die Löhne gedrückt, was die Binnenkaufkraft
schon seit etlichen Jahren nach und nach aufgezehrt hat. Jetzt hängt
die deutsche Volkswirtschaft noch mehr als ohnehin daran,
Exportüberschüsse zu erwirtschaften - nur: wann werden diese
Überschüsse denn jemals wieder in Waren- oder Leistungsimporte
umgesetzt?
Zur Zeit läuft es jedenfalls darauf hinaus, dass unser
Außenhandelsüberschuss immer mal wieder durch spektakuläre
Stützungsaktionen abgebaut wird. Also Kredithilfe für Griechenland,
Zahlungen an Brüssel, Erlass von Dritte-Welt-Schulden... gesund ist
das alles aber nicht.

> Das ist halt die Kehrseite des Wohlfahrtstaats.

Der ist nur einer von vielen Akteuren hier.
Meiner persönlichen Meinung nach sogar der irrelevanteste. Schon
deshalb, weil er (a) mit der "Umverteilung von oben nach unten" ein
dringend benötigtes Gegengewicht gegen Zinseszinseffekte bildet (und
wenn man den OECD-Berichten trauen darf, reicht es vorn und hinten
nicht), weil er (b) innerhalb des Staats bleibt, und weil er (c) Geld
an Menschen reicht, die wenig Geld haben und es tendenziell rasch
wieder ausgeben, was gut für den Geldkreislauf und damit für die
Wirtschaftstätigkeit ist.

> > (Das gab's schon mal, das waren die Zeiten der
> > Frühindustrialisierung, mit Manchesterkapitalismus, Weberaufständen,
> > Maschinenstürmern usw.)

> Das wird in der Form nicht passieren, die Voraussetzungen sind heute
> völlig anders.

Die Geschichte wiederholt sie ohnehin nie exakt.

Aber eine Parallele sehe ich: Wenn die Einkommen unterm
Existenzminimum liegen, wird es zappenduster. Die Menschen fügen sich
irgendwie drein, aber über kurz oder lang gibt es Hungerrevolten.
Bisher ist es nicht soweit. Aber wenn Westerwelle mit seinen
Vorstellungen durchdringt, sind wir sehr schnell an diesem Punkt
angelangt: lauter Aufstocker, denen das Geld trotz Arbeit vorn und
hinten nicht reicht. Beim ersten Problem - ob nun gesundheitlich oder
finanziell - fallen die hinten runter und sitzen auf der Straße, ganz
wie zu Zeiten des Manchesterkapitalismus.

Westerwelle ist da nicht nur einfach ein politischer Gegner, er sägt
da an den Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens in Deutschland.
Meines Erachtens geht von ihm eine größere Gefahr als selbst von den
übelsten Glatzen aus - nicht, weil er der schlechtere Mensch ist,
sondern, weil er mehr Erfolgsaussichten hat.

> > Also... Grundeinkommen. Irgendwas um 800 EUR. 

> Wäre ich auch für. 

> Aber in der Höhe wohl schwer finanzierbar außer mit effektiv höherer
> Steuerbelastung (die dann aber das Preisniveau weiter anheben würde).
> Ich schätze, ca 600 EUR wären eher realistisch (Kinder die hälfte).
> Reicht aber eigentlich auch, für Extremfälle gibt es halt bei guten
> Gründen noch etwas Geld extra. 

Götz Werners Endvorstellung sind 0% Einkommensteuer, 50%
Mehrwertsteuer, und 1500 Euro Grundeinkommen (das aufgrund der hohen
Mehrwertsteuer dann 750 Euro wert wäre).
Was natürlich Irrsinn ist, aber er will die Sache auch nicht in einem
Schlag angehen, sondern Scheibchen für Scheibchen. Also erstmal die
Mehrwertsteuer auf den europäischen Durchschnitt anheben und davon 75
Euro Grundeinkommen finanzieren (um die auch Hartz IV angehoben
werden müsste, damit die Republik mal etwas entspannter ist).
Und dann schauen, was sich an Folgen ergibt, und dann gegebenenfalls
den nächsten Schritt tun.
(In einem Schritt ginge es schon deshalb nicht, weil es an der Grenze
zu den anderen EU-Ländern gigantische Verwerfungen gäbe. Ich denke,
der Plan ist, zu schauen, ob die Nachbarländer mitziehen, und erst
dann weiterzumachen.)

Wie gesagt: der Werner hat sich bei der Sache was gedacht und wohl
auch einige Volkswirte an die Sache drangesetzt.

(Im Gegensatz dazu hat die Linke einfach nur 1500 Euro sofort für
jeden gefordert. Mit sowas machen die bei mir keine Punkte...)

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