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  • Karsten W.

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Re: Das Problem ist nicht zuwenig Lohn, sondern zu hohe Preise

Joachim Durchholz schrieb am 17. Februar 2010 21:19

> und 10%, d.h. der Arbeitnehmer erwirtschaftet immer noch irgendwas
> zwischen dem 0,5-fachen bis 1,25-fachen seiner Lohnkosten - an
> Gewinn, wohlgemerkt, d.h. selbst im ungünstigsten Fall kommt pro Nase
> die Hälfte des Gehalts an Überschuss rein.

In der Industrie hat man dann aber dafür halt ein teils ziemlich
hohes Investitionsvolumen, was sich ja auch rentieren muß. Natürlich
macht die Firma, wenn alles gut läuft Gewinn, aber soweit ähnlich
starke Mitbewerber da sind, ist der wächst der natürlich nicht in den
Himmel.

> (Außer vielleicht bei Ingenieursleistungen. Aber das ist ja nur ein
> kleiner Teil des Arbeitsmarkts.)

Das liegt wahrscheinlich daran, das es in dem Bereich nicht so viel
Angebot gibt -> höhere Gewinne. "Dienstleistungen" ist aber ein
weites Feld, es gibt da allgemein recht große Unterschiede.

> Mir ging's ja um die grundsätzliche Leistungsfähigkeit der Industrie,
> und die sieht man nur an den tatsächlich ausgelasteten
> Industriebetrieben.

Sicherlich hat Industrie ggü Dienstleisungen einige
volkswirtschaftliche Vorteile. Allerdings läuft das
Industriezeitalter langsam aus, es wird immer schwerer, sich
außerhalb von Spezialindustrien noch vom Wettbewerb abzuheben. Das
wird natürlich noch einige Zeit gehen, aber einfach wird das nicht.
Und je größer der Wettbewerb, desto geringer die Margen.

> Die besser Verdienenden seilen sich allerdings auf zweierlei Weise
> aus der GKV ab:

Die "merklich besser verdienenden". Die nur "normal besser
verdienenden" unter der BBG müssen ja in der GKV bleiben.

> Das ist zumindest gegenüber denen, die gen- oder unfallbedingt eine
> teure chronische Krankheit haben, ziemlich unfair - bei der
> Finanzierung der Feuerwehr zahlen die besser Verdienenden ja auch
> ihre Einkommensteuer.

Die Feuerwehr stellt dann aber meist auch eine Rechnung, die meist
von einer Versicherung beglichen wird. Und für die zahle man meist in
abh. vom Schadensrisiko.

Nun ist KV ja eigentlich eine Versicherung (sagt zumindest der Name),
die GKV ist aber halt ein Mittelding zwischen Versicherung und
"Steuer". Bei den anderen Sozialversicherungen (Rente z.B.) bekommt
man ja Leistung in abh. vom eingezahlten Betrag, nur bei der GKV
bekommen alle dasselbe und zahlen nicht abh. vom Schadensrisiko,
sondern abh. davon, was sie verdienen (unter der BBG).

In der PKV ist es dagegen so, das man nach Risiko und Leistungsumfang
zahlt und nicht nach Einkommen. Natürlich wird auch da das Risiko
aufgeteilt. Der "dauergesunde" PKVler zahlt ja auch für die chronisch
Kranken mit, die bei seiner PKV sonst versichert sind.

Bei der GKV ist aber halt das Problem, das z.B. Singles für die
Kinder kinderreicher Familien mitbezahlten und Leute mit hohem
Einkommen für die Leute mit niedrigem Einkommen. Und da es keine
Sachen wie Selbstbehalt und Schadensfreiheitsrabatte gibt, gehen die
Leute auch recht ungehemmt zum Arzt, während Privatversicherte sich
das immer drei mal überlegen, da sie das bei kleinen Sachen komplett
aus der eigenen Tasche zahlen.

Dazu kommt noch folgendes: Ärzte kassieren pro Privatpatient etwa das
doppelte als bei gesetzlich Versicherten, ohne das sie dafür merklich
mehr leisten. Prinzipiell ist das eine Quersubventionierung ohne die
die GKV wahrscheinlich auch teurer wäre als sie es heute schon ist.
In dem Sinne zahlt also jeder privat Versicherte einen Obolus für
niedrigere GKV Tarife.

> Ist allerdings etwas, das man so oder so sehen kann. Die besser
> Verdienenden apostrophieren sich ja gern als die Melkkühe der Nation,

Was sie natürlich auch sind. Man kann ja höchstens kritisieren, das
sie nicht *genug* gemolken werden.

> Ah ja, siehe hier: http://www.ess-europe.de/europa/kvsys_schweiz.htm
> Im Schnitt 250 Franken monatlich, also 170 Euro etwa.

Das deutsche Gesundheitssystem ist so ziemlich das teuerste der Welt,
gleichzeitig aber nicht besser als viele deutlich billigere.

> Dazu kommen im Schnitt jährlich 1000$ an selbstbezahlten Leistungen,
> das sind pro Monat nochmal ungefähr 60 Euro, insgesamt also 230 Euro.

Das ist wahrscheinlich der Grund für die niedrigen Beiträge: Nichts
drückt Kosten so sehr wie Selbstbehalte. Daher hat das inzwischen
auch fast jede Versicherung. In der PKV sind z.B. Tarife man mit
Selbstbehalt ja auch merklich billiger als "Tarife ohne Selbstbehalt
minus Selbstbehalt". Da gibt es schon Gründe für.

> > Diese
> > Geld fehlt bei den "Reallöhnen" aber nun genauso! Und da es sich da
> > um 1/2 bis 2/3 des Volkseinkommens handelt, schlägt das auch
> > entsprechend massiv zu.

> Also, die KV schlägt mit 15% zu, das ist weit von 1/2 bis 2/3 des
> Volkseinkommens entfernt.

Ich meine natürlich nicht nur die KV, sondern alle Abgaben zusammen.
Die Sozialversicherungen liegen (incl. Arbeitgeberanteil) bei über
30%. Dazu kommen natürlich noch Steuern.

Natürlich ergibt sich "übers Volk" eine etwas kompliziertere
Rechnung, da manche Leute ja gar keine Steuern/Abgaben zahlen. Aber
dazu kommt dann noch der Anteil im Preis der diversen Güter: Man hat
ja nicht nur dank Abgaben weniger Geld in der Tasche, man muß von dem
"weniger Geld" auch noch die Abgaben der Leute zahlen, von denen man
dann z.B. Dienstleistungen kauft. So kommt da einiges zusammen. Wenn
also die Abgabenlast steigt, zahlt man also doppelt: Einmal bleibt
weniger vom Bruttogehalt übrig und zum zweiten steigen auch noch die
Preise.

> Aber auch die Firmen greifen ihren Angestellten kräftig in die
> Tasche. Da steigen Produktivität und Gewinne, gleichzeitig werden die
> Lohnkosten kräftig gedrückt 

Logisch, keine Firma hat was zu verschenken. Die müssen aber auch
genug zahlen, damit sie qualifizierte Kräfte finden. Normalerweise
sollte das also der Markt regeln. Und dazu gibt es dann noch die
Gewerkschaften.

>- immer wieder gern genommen:
> Entlassungen und Wiedereinstellung über eine Leiharbeitsfirma.

Das hat andere Gründe. Überleg mal: Warum sollte eine Firma für
jemand, den sie für z.B. 10 EUR/h einstellen könnte, 25EUR/Std and
die Leiharbeitsfirma zahlen? Haben die etwa doch etwas zu
verschenken? Warum stellen die den also nicht direkt an und streichen
die 15EUR/Std als Gewinn ein?

> > Tatsächlich ist es also die Umverteilung des Staates, die immer mehr
> > Menschen in die Arbeitslosigkeit und damit Abhängigkeit von
> > staatlichen Hilfen drängt.

> Sowie die der Firmen.

Passiert sicherlich auch mal. Aber nicht annährend in dem Maße, wie
der Staat es verursacht. Dazu sind Firmen (selbst die großen) zu
klein und zu sehr im Wettbewerb.

> Große Worte, gelassen ausgesprochen.
> Macht sie nicht notwendigerweise wahr.

Stimmt. Ist auch nur meine Interpretation, hoffentlich stimmt sie
nicht. Immerhin wird ja teilweise (gegen große Widerstände) versucht,
gegenzusteuern. So hat man z.B. die Lohnstückkosten in D in den
letzten Jahren ja deutlich gedrückt und da stehen wir inzwischen
wieder recht gut da. Man kann aber recht sicher sein, das bei der
Abgabenlast ein Punkt existiert, wo es zu einer solchen Rückkopplung
kommt, die Frage ist halt wo der liegt.

> Wenn in Deutschland der Lohnanteil am Volkseinkommen sinkt, steigt
> die Produktivität eindeutig schneller als die Löhne.
> Und genau dies geschieht seit ungefähr 10 Jahren.

Ja. Allerdings waren wir vorher im internationalen Vergleich auch zu
teuer. 

Dazu kam dann aber noch die deutsche Einheit, die uns ja sehr viel
gekostet hat und immer noch kostet. Sicherlich sind viele dieser
Kosten als Gewinn im Inland geblieben, aber wenn man allein bedenkt,
was da zusätzlich an Rohstoffen für den ganzen Aufbau der
Infrastruktur importiert wurde, dann kann man leicht sehen, wo das
Geld hin ist. Und das bei der desolaten Ost-Industrie das
Durchschnittsniveau und damit auch die Entwicklung der
Durchschnittslöhne merklich gesunken ist, ist ebenso verständlich.

Ist natürlich einerseits schön, das die DDR inzwischen weitgehend
vergessen ist, aber wenn man die historische Wirtschaftsentwicklung
betrachtet, kann man die nicht ignorieren.

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