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  • Mrothyr

mehr als 1000 Beiträge seit 01.06.2001

Re: Solange noch Geld für Zigaretten übrig bleibt

K3 schrieb am 15. Februar 2010 13:59

> Alle müssen weniger tun, und trotzdem haben alle mehr.
> Das klingt für mich ganz arg nach "Wundersame Brotvermehrung".
> Entschuldige, wenn ich skeptisch bleibe.

Und wieder mißverstehst du. Was ich gesagt habe ist, daß ich die
heutigen Vollarbeitszeiten, um ein Existenzminimum zu verdienen, in
Anbetracht von einer derartigen Menge von Arbeitslosen für zu lang
halte.

Im Grundsatz bin ich Liberaler (ich halte allerdings die FDP für eine
Beleidigung jedes Liberalen) - heißt: Ich plädiere für
Eigenverantwortung und denke, daß jemand, der sich engagiert auch
durchaus ein gutes Leben haben sollte. Ich plädiere für die Freiheit
des Individuums und sehe die Ökonomie als Mittel zum Zweck - nämlich
den Menschen dieser Gesellschaft die Möglichkeit zu geben, ihre
Freiheit möglichst weit auszuleben. Allerdings sehe ich in dieser
vernagelten und komplett blockierten Gesellschaft dafür keine Basis
mehr.

Diese Vernagelung ist schon dort zu sehen, wo Variablen als
Konstanten angesehen werden. Zum Beispiel bei einer
Vollzeitarbeitsstelle. Der Markt, so er funktioniert, kann vieles
regeln (nicht alles, unbestritten). Hier aber mischen sich in
bizarrer Weise Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft in der
Diskussion.

Im konkreten Fall der Arbeitsplätze ist das nicht anders. Der Markt
ist komplett dysfunktional, es werden Variablen wie die Arbeitszeit
als Konstanten bei entsprechender Lohnzahlung gesetzt (Vollzeit = 40
Stunden bei Minimallohn unter Sozialhilfegrenze). Verursacht wird
dies hauptsächlich dadurch, daß der Staat im Hartz4-System
Lohndumping betreibt, indem er Betroffene aufgrund einer
_existentieller_ Notlage auch zu nicht leistungsgerechten Löhnen in
Arbeitsstellen zwingt. Löhne, zu denen nicht mal die Arbeitskraft des
Hartzies refinanziert werden kann (Aufstockerproblematik,
1-EUR-Jobs). Diese staatliche _Lohnsubvention_ wirkt sich damit auch
auf die anderen Löhne aus, das Lohnniveau SINKT (dies wiederum ist
ein Marktmechanismus, in einem Markt wird sich das Preisniveau im
Wesentlichen immer auf dem Niveau des niedrigsten Anbieters
einschwingen). Ebenso sinken die im Markt durchsetzbaren
Leistungspreise der Selbstständigen, da sie ja mit
Nichtselbstständigen um die Arbeit konkurrieren, gleichzeitig aber
auch in diesen ihre Kundschaft finden.

Wäre der Arbeitsmarkt nicht durch diesen massivsten staatlichen
Eingriff dysfunktional und würde der Staat seiner
Grundsicherungsaufgabe nachkommen (in Form eines BGE, zum Beispiel
als negative Einkommenssteuer - übrigens ein Vorschlag, der auch von
Milton Friedman befürwortet wurde. Und den willst du sicher nicht als
Gewerkschafter oder gar Kommunisten bezeichnen, oder?), würde das
Lohnniveau nicht auf Grundsicherungsniveau sinken. Oder die für
Grundsicherungsniveau gleichwertige Arbeitszeit würde derart sinken,
daß man tatsächlich auf Grundsicherungsniveau Vollzeitbeschäftigung
hat. Weil für das, was als grundsicherungsanaloger Lohn gezahlt wird,
die Leute tatsächlich nur noch acht Stunden die Woche zu arbeiten
bereit sind. Und das wäre dann eine _lohnadäquate_ Arbeitszeit, im
Gegensatz zur aktuellen Zwangslage.

Zwei Sachen werden erreicht: Es wird tatsächlich der Lohnabstand zur
Grundsicherung gewahrt (das schafft das HIV-System nicht, weil es
Arbeitskräfte _unter_ Grundsicherungskosten zur Verfügung stellt).
Und es würde verhindern, daß die Löhne derart wegbrechen, daß der
Binnenmarkt noch mehr als bisher transferleistungsabhängig ist.

Es gibt kein Gesetz, das 40 Wochenstunden als Vollarbeitszeit
definiert. Die Arbeitszeit, die jemand für einen bestimmten Lohn zu
arbeiten bereit ist, bestimmt der Lohn. Damit kann, eben durch
Reduktion der Arbeitszeit auf ein lohnadäquates Niveau auch eine
wesentlich stärkeres Beschäftigungsniveau und gleichzeitig eine
Reduktion der Transferleistungen erreicht werden. Eben indem
tatsächlich der Arbeit ADÄQUATE Löhne gezahlt werden müssen,
ansonsten wird die Arbeit nicht gemacht. Das ist keine Magie, das ist
MARKTWIRTSCHAFT.

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