Prof. Dr. Klaus Moegling schrieb am 21.07.2024 12:28:
Was wäre dann der Minimalkonsens, der verhindern könnte, dass die Friedensaktionen von Rechtsaußen gekapert werden?
Ja, das ist genau der Hebel, bei dem der Mainstream ansetzen wird, um eine solche Bewegung zu diskreditieren. Ich halte es aber für einen Fehler, es denen recht machen zu wollen und "bloß keine Rechten reinzulassen". Damit ergibt man sich nur deren Manipulations-Methoden, macht sich angreifbar, falls doch jemand mit einem AfD-Anstecknadel gesichtet wird und verzichtet auch noch auf einen großen Teil der Bevölkerung - wo man bei einem so wichtigen Thema nun wirklich jeden gebrauchen kann, wenn man auch nur hoffen will, jemals eine kritische Masse zu erreichen. Ich denke man muss primär diese Teile-und-Herrsche-Rhetorik angehen und neutralisieren, sonst wird das nichts und das Establishment wird eine solche Bewegung immer vor sich her treiben können.
Meiner Meinung nach hilft da nur die Flucht nach vorne. Warum potentielle Verbündete ausschließen, nur weil man bei anderen Themen nicht der selben Meinung ist? Man sollte eher deutlich kommunizieren, dass im Bundestag vertretene, nicht verbotene Parteien selbstverständlich Teil unserer demokratischen Politiklandschaft sind und bei sich einem Thema einig zu sein nicht bedeutet, dass man sich bei allen Themen einig ist. Dazu ist es wichtig, dass der Rahmen der Bewegung klar abgesteckt wird und die Diskussion bei den Themen bleibt, wo Konsens herrscht. Driftet die Diskussion ab, verweist man höflich aber bestimmt darauf, dass man zwar die Meinung bezüglich geopolitischer Eskalation teilt, nicht aber automatisch bei anderen "rechten Themen" und dass es für solche Beiträge andere Veranstaltungen gibt. Man kann sich nur gegen diesen Angriffspunkt immunisieren, wenn Zusammenarbeit auch mit der "rechten Seite" "normalisiert" wird, solange man sich eben bei einem Thema einig ist - woanders kann man sich ja immer noch vehement widersprechen. Und was bleibt den Gegnern noch übrig, wenn man ihnen diese wichtige Angriffstaktik genommen hat? Womöglich müssen sie sich sogar mit dem eigentlichen Thema auseinandersetzen, und da fängt dann die eigentliche Diskussion an, die man ja haben will. Ansonsten bleibt die Diskussion bei "da war aber einer mit AfD-Anstecknadel!"-Kindergartengeplänkel hängen, die überhaupt nichts mit dem Thema zu tun hat.
Natürlich wird das jede Menge medialen Gegenwind geben, aber ich sehe die einzige Möglichkeit darin, sich diesem zu stellen, ihm standzuhalten und mit deutlichen Worten zu entlarven, indem man auch für einfach gestricktere Menschen verständlich dessen Methoden aufzeigt. Dafür braucht es vor allem rhetorisch abgebrühte Menschen¹, die das "öffentliche Gesicht" der Bewegung repräsentieren. Mit "abgebrüht" meine ich hier, dass sie in der Lage sind, in öffentlichen Diskussionen ad hoc rhetorische Tricks, Missrepräsentationen² und andere Manipulationen zu erkennen, zu neutralisieren und im Optimalfall zu ihren eigenen Gunsten umzukehren, indem diese für jeden verständlich bloßgestellt werden. Das natürlich ohne die Manipulationsversuche allzu direkt beim Namen zu nennen - sobald eine Assoziation mit "Lügenpresse!"-Rufen hergestellt werden kann, hat man verloren. Vielmehr sollte dieser durchaus berechtigte Aspekt medialer Manipulation (siehe Chomsky's Propagandamodell) ruhig und höflich durch gut begründeten Widerspruch offengelegt werden, so dass die Leute von selbst drauf kommen.
Ich wünschte auch, das eigentliche Thema würde aufgrund seiner Wichtigkeit ausreichen um einer solchen Bewegung zum Durchbruch zu verhelfen. Leider ist m.E. in unserer heutigen Zeit in Gegenwart des allgegenwärtigen Informations-Overkill und fortgeschrittener Propagandisierung von allen Seiten Öffentlichkeitsarbeit fast wichtiger für den Erfolg als das eigentliche Thema. Die Bewegung braucht meiner Meinung neben dem gut und logisch sauber argumentierten Thema vor allem eine exzellente PR, knackige O-Töne und gute Vernetzung (vor allem auch in sozialen Medien).
¹ Hier ein repräsentatives Beispiel für die Fähigkeiten, die öffentliche Repräsentanten einer solchen Bewegung m.E. mitbringen müssen in Form einer Analyse rhetorischer Tricks aus einem Interview mit Jordan Peterson. Dabei geht es mir nicht um den Inhalt des Interviews sondern um die rhetorischen Methoden, die hier angewendet werden und die Fähigkeiten, die man benötigt, um ihnen standhalten zu können:
https://www.youtube.com/watch?v=nS9W-wlJHPA
² Sorry für den Anglizismus, aber ich finde das Wort einfach passender als "Falschdarstellungen" oder "Tatsachenverdrehungen".