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  • Bajoran

mehr als 1000 Beiträge seit 22.12.2015

Ein ganz seltsamer Satz

Für die Position, sich im Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf keine Seite zu stellen, gab es bis in linke Kreise hinein viel Kritik.

Als ob es hierzulande möglich wäre, sich entweder auf die westliche ("unsere") oder die andere ("russische") Seite zu stellen. Niemand kann sich hier ungestraft auf die Seite des Feindes ("Putins Russland") stellen. Man muss inzwischen sogar mit Strafverfahren rechnen, wenn man es wagen sollte das zu versuchen.

Natürlich ist klar, wie Nowak diesen Satz gemeint wissen will. Als ob sich die Frage in Wirklichkeit so gar nicht stellt, was sie natürlich aber trotzdem tut. Nowak selbst redet sich hier nicht zum ersten Mal mit der Theorie vom Racket-Staat Russland heraus, die leider komplett falsch ist. Rackets sind mafiöse, parasitäre Strukturen, typisch für die USA - und das Russland Jelzins und die Ukraine ab 1992 bis heute.

Ein Racket entwickelt keine Produktivkräfte, es saugt sie aus. Den Aufstieg Russlands unter Putin und die Wiederbelebung der russischen Ökonomie und des russischen Staates unter Putin kann sie nicht erklären.

Es gibt eine sehr lange Vorgeschichte zu diesem Krieg. Mit dem Ende des Kalten Krieges ist der Westen, die NATO unermüdlich bis an Russlands Westgrenze vorgerückt. Die Haltung Russland gegenüber wurde immer feindseliger. Alle russischen Bemühungen um eine gemeinsame europäische Sicherheit wurden brüsk abgeschmettert. Der imperiale Westen unterstellte seinen eigenen Imperialismus Russland.

Nach dem Maidan-Putsch 2014 hat die Ukraine eine ununterbrochene Folge von Kriegsverbrechen im Donbass begangen. Die russische Bevölkerung der Ukraine wurde systematisch verfolgt, ihre Parteien wurden verboten, ihre Führungskräfte verhaftet. Bandera, der Juden- und Russenmörder, wurde zu dem ukrainischen Nationalhelden. Hass auf alles Russische ist das Kernelement des neuen ukrainischen Nationalismus.

Aber ist das ja fast schon zu viel gesagt an diesem Ort. Telepolis versucht zwar einen Weg zu finden oder zu beschreiben (wie auch immer) diesen Krieg zu beenden. Gleichzeitig darf aber die Kriegsschuld Russlands, seine verbrecherische Natur, sein imperialer Charakter, nicht angezweifelt werden. Wie überzeugend ist es zu fordern Frieden zu machen mit einem angeblichen Kriegsverbrecher?

Ich würde mal sagen, gar nicht. Das Scheitern der Bemühungen der Telepolis-Redaktion für den Frieden in diesem Krieg zu kämpfen, ist also vorprogrammiert, wenn es hier keinen Kurswechsel gibt. Den wird es aber nicht geben. Man stelle sich einmal vor, Positives über das gegenwärtige Russland, seinen Präsidenten, seine ökonomische Entwicklung, sein Erziehungssystem, seinen Charakter als Vielvölkerstaat, sein Auftreten auf der internationalen Bühne, seine guten Beziehungen mit Staaten, die etwa 85% der Weltbevölkerung beherbergen zu lesen ....

Ich stoppe hier mal. Jeder kann sofort sehen, dass das auf Telepolis unmöglich ist. Das wäre zwar ausgewogen und würde uns dem Frieden wirklich näher bringen. Aber diese Ausgewogenheit würde in der gegenwärtigen von Russenhass geschwängerten Stimmung sofort als Parteinahme für "Putin" ausgelegt werden. Da ist es doch viel einfacher hilflos nach Frieden zu rufen (womit man sich zumindest von der herrschenden Kriegshetzerei distanziert), als wirklich etwas für das Ende des Krieges zu tun. Russland wird auf Telepolis genau so dämonisiert, wie in allen anderen Medien des Landes. So trägt auch Telepolis (gewollt oder ungewollt) zur Fortsetzung des Krieges bei.

Auch Nowak nimmt das geplante Ende schon voraus: Sieg über Russland und seine endgültige Zerschlagung

Auch in der Ukraine schüren die Erfolge der letzten Tage die Träume der Nationalisten, die einen Zerfall Russlands in seiner jetzigen Gestalt das Wort reden. Es ist nicht verwunderlich, dass sie damit in Deutschland bei vielen auf offene Ohren stoßen. Da knüpfen eben manche da an, wo die Wehrmacht und ihre ukrainischen Hilfswilligen 1943 gescheitert sind.

Ja, das ist die wahre Traditionslinie. Scholz, Baerbock und Habeck machen da weiter wo 1943 unglücklicherweise vorläufig gestoppt werden musste. Aber klar bleibt:

Ein Zerfall Russlands ist durchaus nicht ausgeschlossen.

Wir werden von Telepolis nichts anderes zu hören bekommen. Bestenfalls der virtuelle Vertreter des deutschen Industriekapitals, Christian Hacke darf hier - aber auch nur in einem Interview - einen Ausgleich mit Russland fordern. Diese Kräfte haben ihren Einfluss in Deutschland aber verloren - wohl endgültig. Auch bei Telepolis darf niemand die angebliche Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit des Verteidgungskrieges der Ukraine gegen Russland in Frage stellen.

Wäre es nicht interessant, die russische Position einmal wirklich kennenzulernen, jenseits von Hass und Verachtung? Tja, das ist ja gerade das Problem. Hass und Verachtung auf alles Russische ist inzwischen auch das Kernelement der deutschen Geistesverfassung. Nur das Ende Russlands kann uns davon erlösen.

Und wenn es anders kommt, und wir den Krieg nicht gewinnen? Aber so reden nur Volksverräter, oder?

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.09.2022 04:23).

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