Schon diese Prämisse ist Unfug. Das zitierte National Security Archive ist lediglich eine NGO, die diese längst bekannten Dokumente zusammenträgt und in ihrem Sinne interpretiert.
Die Analysen dieses NSA halten aber der Wirklichkeit nicht bzw. kaum stand. Fangen wir mal mit Putins Frage auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007 an:
Was ist aus jenen Versicherungen geworden, die uns die westlichen Partner nach [sic] dem Zerfall des Warschauer Vertrages gegeben haben?“ – „Wo sind jetzt diese Garantien?“
Er wolle dem Auditorium ins Gedächtnis zurückrufen, was beispielsweise NATO-Generalsekretär Manfred Wörner am 17. Mai 1990 in Brüssel gesagt habe:
Schon die Tatsache, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien.
Das ist natürlich ein Widerspruch in sich, denn als Wörner dies sagte, war der Warschauer Pakt noch gar nicht zerfallen (das geschah erst am 1. Juli 1991) und die Grenzen der Bundesrepublik waren die der alten. Und es war ja genau so, dass NATO-Streitkräfte nach der Wiedervereinigung NICHT auf dem ehemaligen Territorium der DDR stationiert werden sollten, wo sich zu diesem Zeitpunkt bekanntlich noch sowjetische Truppen aufhielten.
Putin unterschlägt den Nachsatz Wörners, nämlich:
Wir [die NATO] könnten uns eine Übergangszeit vorstellen, in der eine verringerte Anzahl von Sowjettruppen in der heutigen DDR stationiert bleiben.
So wurde Wörners Zusicherung im Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 aufgenommen:
„Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt.“
Auch Horst Teltschik bestätigte das:
Ich habe 1989/90 an allen Gesprächen von Bundeskanzler Kohl mit Bush, Baker, Mitterand Thatcher und Gorbatschow sowie an den diversen NATO-, EU- und G7-Gipfeln teilgenommen. Zu keinem Zeitpunkt war die Rede über eine Erweiterung der NATO über Deutschland hinaus. Es wurde nur über den Übergangsstatus der ehemaligen DDR und Berlin verhandelt, solange sowjetische Truppen in der DDR stationiert waren.
Das hat ja schlussendlich Gorbatschow selbst 2014 bestätigt:
Das Thema ,NATO-Expansion‘ wurde überhaupt nicht diskutiert, und es wurde in diesen Jahren [1989-1990] nicht aufgeworfen. Ich sage das in vollem Verantwortungsbewusstsein. Nicht ein einziges osteuropäisches Land hat diese Frage angesprochen, noch nicht einmal nachdem der Warschauer Pakt 1991 aufgehört hatte zu existieren. Westliche Staats- und Regierungschefs haben sie auch nicht erhoben.
Was 1990 so alles in informellen Gespräche und Sondierungen gesagt worden sein mag, hat keinerlei bindenden Charakter, schon gar nicht, wenn es - was die Autoren von "What Gorbachev Heard" Entscheidungsfindungen INNERHALB der NATO nicht von dem trennen, was TATSÄCHLICH mit Gorbatschow erörtert wurde.
Fakt ist: 1990 rechnete man weder im Westen noch im Osten mit einer Auflösung des Warschauer Pakts. Im Übrigen war in der KSZE-Grundakte das Recht der freien Bündniswahl für ihre Unterzeichnerstaaten festgelegt worden, und zu diesen Staaten gehörten eben auch die Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts.