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  • taramasalata

mehr als 1000 Beiträge seit 07.08.2005

just a job

mouse-net schrieb am 23. Februar 2015 07:27

> u-18 gewinner schrieb am 22. Februar 2015 21:46

> > wir würden die ganze Kriegshetze der Medien glauben. Unsere
> > Großeltern hatten kein Internet. So treibt man Menschen in den Krieg
> > diesen gewissenlosen Propagandisten des Stern, Spiegel, FAZ, Zeit,
> > Bild, ARD, ZDF, Süddeutsche und all den vielen anderen gebührt nur
> > Verachtung und Abscheu.

> Der Unterschied ist, da gabs den "Volksempfänger".
> Nur da wusste jeder dem kann man nicht glauben weil man genau wusste
> wo die Meldungen her kommen.

Ich würde jetzt nicht so weit gehen, die Leitmedien mit der
Propaganda aus dem 3.Reich gleichzusetzen.

> Wer das Wort Pressefreiheit verwendet sollte das auch tunlichst im
> Zusammenhang mit Redefreiheit und Zugang zu Informationsquellen
> verbinden.

Der Vorposter hat diese Begriffe zwar nicht verwendet, aber Du hast
sicher Recht.

> Nur so wird was draus.
> Alles andere sind billige Parolen zur Manipulation.
> Lügenpresse ist eine davon.

Was kann man daraus schliessen? Ist das vermeintliche Opfer der
eigentliche Täter? Sicher, wenn die Holschuld des Lesers/Rezipienten
schwerer wiegt, als die Selbstverpflichtung des Journalisten
wahrhaftig zu berichten, ist es der Fehler des Lesers auf den
Pressekodex hereingefallen zu sein. Dann ist es nur schlüssig, den
Protest dagegen als "Parolen zur Manipulation" in einen üblen Ruf zu
bringen.

Arglosigkeit im Umgang mit Pressemedien kann man auf Desinteresse,
verinnerlichte Dogmen oder auch mangelnde Medienkompetenz
zurückführen. 
Daraus ein "Selbst Schuld" zu konstruieren liegt nahe und ist das
Eine. Etwas anderes ist es jedoch, die Kritik an der Presse selbst
als billige Parolen zu bezeichnen. *Dann* werden die hehren Ideale
ausgepackt, die im täglichen Medienbetrieb kaum eine Geltung haben.

"Alles ist der Kritik durch die Presse ausgesetzt – mit Ausnahme der
Presse selbst." 

Ich bin auch sicher das es im Hintergrund personelle/persönliche
Dramen bei den Leitmedien gab und gibt. Allein schon die Dumpfheit
mancher Schlagzeilen ist eine Beleidigung für einigermassen kritisch
Denkende, geschweige denn für ehrenwerte Journalisten. Diese werden
wohl kaum gefördert, sondern diszipliniert und wenn sie immer noch
nicht funktionieren, sind sie weg. Das ist nur meine bösartige
Unterstellung, aber das Ergebnis kann man täglich auf fast jedem
Nachrichtenportal sehen. Es ist ein Graus.

(wobei: der Pressekodex, bzw. eine journalistische
Selbstverpflichtung zur umfassenden & objektiven Berichterstattung
hat sich aus Sicht der Realität einer Medienkonzentration wie zur
Feudalzeit, selbst überlebt. Nachrichtentexte sind immer öfter nur
übernommene copy&paste Leitsprüche[5]. Selbstverständlich ist diese
"Vielfalt" von der Pressefreiheit gedeckt.)

Dabei ist der Aufhänger, der Rummel um den Kampfbegriff
"Lügenpresse", ja auch nur ein Strohhalm für die Leitmedien. Die
eklatantesten Schnitzer wurden Anfangs als "Fehler" und individuelles
Versagen abgetan und es gab sogar eine Entschuldigung vom ZDF.
Ablenkung die schon wieder verpufft ist, denn die Leitlinie besteht
weiterhin. Eine systematische Manipulation lässt sich nicht mehr
widerspruchsfrei abstreiten[1,2,3], und so wird man schwerere
Geschütze auffahren müssen, um einen Konsens für Krieg in Europa zu
schaffen. Aber gegen dieses offensichtliche Monstrum, den Krieg, bzw.
dessen Vorbereitung, hilft keine Kosmetik, wie z.B. die Diskussion um
den Begriff "Lügenpresse". Das eigentliche Problem ist, dass die
Leitmedien selbst am Konflikt teilnehmen - sie sind Kriegspartei. Das
kann man auch ganz ohne Pathos so behaupten: it's just a job. Obwohl
dies in der jüngeren Geschichte nichts Neues ist[4], stossen diese
veralteten Konzepte nun auf breiteren Widerspruch. So war der Stand
im Frühjahr 2014. 

[1]
Arno Klönne "Lügenpresse" - ein böses Wort?"
" [...] die Aburteilung des Wortes "Lügenpresse" kann ablenken - von
Realitäten. Wenn alltagssprachlich mit "Lügen" gezielte und durchaus
systematische Täuschungsmethoden des Informationsbetriebs gemeint
sind: Die existieren. In großem Ausmaß."
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43850/1.html

[2]
GEORG SEESSLEN, "Lügenpresse"
"Die Ukraine-Berichterstattung der freien deutschen Presse ist
mehrheitlich voreingenommen, genormt, propagandistisch infiziert und
auch politisch gefährlich. Das heißt aber nicht, dass die Erzählung
der Gegenseite weniger voreingenommen, genormt, propagandistisch
infiziert und am Ende politisch gefährlich wäre."
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2015%2F02%
2F11%2Fa0112
Interessante Kritik zum Begriff "Lügenpresse", mit das Beste was ich
dazu gelesen habe.

[3]
Misha Anouk "Das Märchen von den “gesteuerten Medien”"
"Übrigens: Im Einzelfall (!!!) möchte ich eine gezielte “Steuerung”
gar nicht ausschließen, das wurde im Fall des Guardians deutlich;
aber selbst in diesem Fall möchte ich nicht auf die Anführungszeichen
verzichten: es wurde bekannt, die Zeitung berichtete selbst darüber,
das spricht sehr gegen eine weitreichende Einflussnahme.
[...]
"Und doch: Eine gewisse Einflussnahme in unserer Presse wird niemand
bestreiten, auch kein Journalist. In der Breite aber schließe ich
eine Steuerung unserer Medien, so wie sie von
Verschwörungstheoretikern und Montagsquerfrontlern propagiert wird,
aus – das ist, mit Verlaub, Quatsch, und eine unsachliche Verklärung
der Tatsachen. Sonst wären Reportagen wie diese oder jene kaum in
dieser Form möglich."
http://indub.io/blog/2014/05/05/das-maerchen-von-den-gesteuerten-medi
en/
(ungleich schwächer als Seeßlen, aber ein immer noch gutes Beispiel
für kogn. Dissonanz bzw. selektiver Wahrnehmung. Man mag Anouk zwar
eine gewisse Arglosigkeit zugute halten, aber zum Zeitpunkt des
Blogeintrags hatte das Odessa Massaker schon vor 3 Tagen
stattgefunden).

[4]
Karl Prümm 
"Korpsgeist und Denkverbot - Das deutsche Fernsehen im Kosovo-Krieg"
[...]
Das [deutsche] Fernsehen wurde in den ersten Kriegstagen zu einem
Verlautbarungsorgan von Politik und Militär."
http://www.lmz-bw.de/fileadmin/user_upload/Medienbildung_MCO/fileadmi
n/bibliothek/pruemm_korpsgeist/pruemm_korpsgeist.pdf

[5]
"Der ostukrainische Separatistenführer Alexander Sachartschenko hat
die Regierung in Kiew mit offenkundig antisemitischen Parolen
verhöhnt. Die proeuropäischen Politiker in Kiew seien "armselige
Vertreter des großen jüdischen Volkes", sagte der prorussische
Regierungschef der selbsterklärten "Volksrepublik Donezk" am Montag
im russischen Fernsehsender Rossija 24."

...ist als identischer Blocksatz u.a. in folgenden Vertretern der
"freien Presse" zu finden:
> http://www.welt.de/politik/ausland/article137048637/Separatist-verhoehnt-Kiew-mit-antisemitischen-Parolen.html
> http://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/ukraine-krise-usa-will-erst-einmal-doch-keine-waffen-an-ukraine-liefern_id_4448597.html
> http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4653766/Separatistenfuhrer_Armselige-Juden-regieren-Kiew
> http://www.handelsblatt.com/politik/international/sachartschenko-verhoehnt-kiew-armselige-vertreter-des-juedischen-volkes/11319590.html
> http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/6088470/separatistenfuehrer-verhoehnt-ukrainische-regierung.html


http://www.heise.de/tp/foren/S-You-don-t-need-us-to-tell-you-the-gas-prices-are-back-on-the-rise/forum-291634/msg-26444219/read/showthread-1/



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