... will ich zu Deinen Spekulationen nichts sagen. Weil Du einen Punkt betonst, der mittlerweile in allen spekulativen Debatten darüber, wer Navalny mit welchem Ziel vergiftet hat und wer die Lage mit welchem Ziel ausnutzt, gern vergessen wird.
Ja, die Urheber des Anschlages müssen damit gerechnet haben, daß Navalny nicht überlebt.
Ja, sie konnten nicht vorher sehen (oder bestimmen), daß Navalny in Deutschland landen werde.
Nun muß man wenigstens zwei Punkte hinzu nehmen.
1) Ist es eine taugliche Spekulation, anzunehmen, die RF hätte Navalny ziehen lassen, wenn ihre Fachleute keine klare Vorstellung davon hatten, was ihn umgehauen hat?
2) Wer hatte die Macht, die Ereignisse so zu steuern, wie sie abgelaufen sind?
Für die Antwort auf Punkt 2 gibt es eine sichere, unzweideutige Adresse: NATO und NUR Nato.
Kein geheimdienstlicher Akteur ist auf dem Feld, mit dem wir es hier zu tun haben, derart mächtig, daß er an der NATO vorbei handeln kann, ohne zu riskieren, einfach beiseite gestellt zu werden, wenn der NATO grad nicht ins Konzept passt, was er tut.
Man könnte einwenden: Aber im Fall Skripal gab es doch dem Anschein nach keine vorherige Absprache mit der NATO? (1)
Richtig. Aber die Unterschiede zum Fall Skripal sind eklatant.
a) Die britische Regierung setzte, im vollen Kontrast zu Deutschland jetzt, binnen etwas mehr als 48 Std. das Vollgewicht ihrer Souveränität hinter die "Diagnose" und Anschuldigung und handelte unilateral.
b) Die deutsche Regierung handelte gar nicht. Die Erklärung Merkels vom 3. 9. fügte den voran gegangenen genau einen Punkt hinzu: Man habe es mit einem Mordversuch zu tun. Also tat-sächlich nichts. und
c) Mit den zur offiziellen deutschen Stellungnahme in vollem Gegensatz stehenden Erklärungen Borrells und Stoltenbergs (Maas Geplauder mit Journalisten lasse ich hier beiseite) ist der Gegensatz zwischen den westlichen Akteuren nicht vom Tisch.
Bei abc ist einzubeziehen, daß es in diesem Fall 12 Tage gebraucht hat, bis die BW Hexenkralle gefunden hat - gegenüber nicht mal 72 Std. im Fall Skripal.
So muß man mindestens den starken Verdacht gelten lassen, daß die RF beim Verlauf der Affäre bewußt und gezielt mitgemischt hatte, womit ich auf ein älteres Posting zurück komme, das ich mir zu spiegeln erlaube:
Zwischenfazit
So zynisch es ist, unter dem Strich hat die Affäre sowohl der Bundesregierung, wie dem Kreml genutzt. Beide wissen jetzt genauer, was es mit den Spielräumen der deutschen EU-Politik gegenüber den Transatlantikern und ihren Verbündeten in UK und US auf sich hat. NSII wird voraussichtlich eine Bauruine, aber das erspart beiden Regierungen die erwartbaren Komplikationen durch Sabotagetrupps, wie man sie aus der Ukraine und Türkei kennt.Der restliche Handelsverkehr wird davon so viel oder wenig beengt werden, wie seit 2014. Russland meldet in regelmäßigen Abständen eine Steigerung des Handels- und Investitionsvolumens auf der Basis des B2B-Verkehrs. Dagegen hat die NATO nichts, eher im Gegenteil, wie man indirekt einem Papier entnehmen kann, das ich heut schon mal verlinkt habe:
https://dgap.org/en/research/publications/connectivity-post-covid-19-eurasia
Das Einzige, was zuverlässig verhindert wird, ist eine stumme "Strategische Partnerschaft" zwischen Moskau und Berlin. Wenn Moskau Gegengewichte gegen "chinesische Drangsale" wünscht, hat es sich an London zu wenden (mit einer Nebenadresse in Washington). Das war, praktisch gesprochen, schon der bisherige Stand der Dinge: Die russisch - britischen Beziehungen laufen außerhalb der diplomatischen Ebene blendend, wie auch die FT immer mal angemerkt hat.
(1) Warum dieser Einwand plausibel ist, lasse ich hier außen vor, um nicht das Thema zu wechseln.