Ein in meinen Augen zutreffendes Argument ist folgendes: Sprache hat Einfluss auf unser Bewusstsein (und in radikaler Form: Bewusstsein ist im Wesentlichen Sprache). Dies ist ein Argument, das ich im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit anerkenne, obwohl ich kein Befürworter der Genderdebatte bin, weil ich das für den falschen Ansatz halte, um emanzipierte Menschen hervorzubringen.
Was bedeutet die obige Logik nun für die Verwendung des Nazi-Begriffs, wenn dessen Verwendung zunimmt? Einerseits scheint, oberflächlich betrachtet, eine Abgrenzung betrieben zu werden. Gleichzeitig verliert der Begriff seine Bedeutung, da ihm immer größere Teile der Bevölkerung zugeschrieben werden und man nach einer Weile wohl nur noch mit den Achseln zuckt, wenn man das Label hört.
Die Verwendung des Begriffs sorgt sowohl bei denen, die ihn in abgrenzender Weise nutzen, zur Stärkung (Radikalisierung) ihrer Peergroup, als auch umgekehrt. Er dient damit als eine Art Kampfruf, als Signal der eigenen Tugendhaftigkeit, oder als trotzige Selbstbezichtigung. In den überwiegenden Fällen ist der Begriff seiner geschichtlichen Relevanz beraubt.
Es ist eine totale Grenzziehung, die letztlich zu einer fundamentalen Verweigerung der Reflexion über die eigene psychologische Verfassung führt. Beiderseits ist die Erkenntnis schmerzhaft, dass nur der ambivalente
Mensch erwachsen ist.
Die dauerhafte Verwendung eines Begriffs führt uns damit von der Bewusstheit in die Unbewusstheit.