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Distomo, BGH-Urteil

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Soweit es um die Haftung der Bundesrepublik für eine Schuld des
Deutschen Reiches geht, ist für die Beurteilung der Klageansprüche
sowohl aus völkerrechtlichen Gesichtspunkten als auch nach nationalem
Recht die Rechtslage zur Zeit der hier in Rede stehenden Tat, also
diejenige des Jahres 1944, maßgebend. Daß bei der Ermittlung und
Würdigung dieser Rechtslage nationalsozialistisches Gedankengut
unberücksichtigt zu bleiben hat, versteht sich von selbst. Ein
Anspruch der Kläger wegen eines völkerrechtlichen Delikts scheitert
daran, daß nach der im Zweiten Weltkrieg bestehenden Rechtslage im
Falle von Verletzungen des Kriegsvölkerrechts etwaige
Schadensersatzansprüche gegen den verantwortlichen fremden Staat
nicht einzelnen geschädigten Personen, sondern nur deren Heimatstaat
zustanden. Dieses Prinzip der ausschließlichen Staatenberechtigung
galt auch für die Verletzung von Menschenrechten. Art. 2 der Haager
Landkriegsordnung, wonach deren Bestimmungen "nur zwischen den
Vertragsmächten" Anwendung finden, bestätigt diese Sicht.

Daß das Völkerrecht heute, wie das Bundesverfassungsgericht
ausgeführt hat, weitergehende Schutzsysteme zur Verfügung stellt, muß
für die auf das Jahr 1944 bezogene Würdigung außer Betracht bleiben.
Auch ein von den Klägern vorgelegtes Rechtsgutachten rechtfertigte
keine andere Beurteilung. Insbesondere konnte der Bundesgerichtshof
diesem nicht in der Auffassung folgen, bei den hier zu beurteilenden
Vorgängen handele es sich um außerhalb des "Kriegsgeschehens"
liegende Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Sinne einer bloßen
"Polizeiaktion" der Besatzungsmacht.

Das Massaker von Distomo geschah nach dem oben dargestellten - im
Prozeß unstreitigen - Sachverhalt in einem von der Haager
Landkriegsordnung unmittelbar erfaßten Bereich. Der Umstand, daß die
wehrlose, an dem vorausgegangenen Kampfgeschehen unbeteiligte
Zivilbevölkerung das Opfer war, ändert an diesen Zusammenhängen und
der Würdigung, daß es sich um eine militärische Operation handelte,
nichts.
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http://www.jurawelt.com/gerichtsurteile/pressemitteilungen/zivilrecht
/bgh/7989
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