Der Angeklagte, Albrecht Müller, Verantwortlicher für das umstrittene Onlineportal "Nachdenkseiten" wurde zum Verhör vorgeladen. Der Angeklagte wird mit den Beweisstücken bekannt gemacht.
Wir haben für dieses Interview eine Arbeit des Projektes "Gegneranalyse" zu Ihrem Portal, den Nachdenkseiten vorliegen.
Die Vorwürfe wiegen schwer:
Markus Linden von der Universität Trier kommt in seinem Papier zu dem Schluss, Sie betrieben ein "Querfront-Medium"
Ein Universitärer sagt "Querfront", oha!
Auf ein genaueres Eingehen auf die schweren Vorwürfe kann vorerst verzichtet werden:
Ich gehe ja davon aus, dass Sie [die Studie] gelesen haben.
Beginn des Verhörs:
Es heißt in dieser Arbeit, bei den Nachdenkseiten, die jetzt schon einige Jahre online sind, handele es sich um einen "stark ideologisiertes, undifferenziert argumentierendes Medium".
Es heißt ja auch im weiteren Verlauf des Textes, sie folgten einer "Destruktionslogik, die als kritische Dekonstruktion ausgegeben" werde. Wo fängt für Sie denn, Herr Müller, die Destruktion an, wo hört die Dekonstruktion auf?
Der Angeklagte windet sich, meint sich herausreden zu können mit Gegenfragen. Was solle denn das bedeuten, "ideologisiert"? Außerdem meint er das Wort "Destruktionslogik" zu einer puren Wortschöpfung des Universitären abwerten zu können. Nicht er sei destruktiv, sondern die Gegenseite. Er versucht sogar gegen die Riesterrente zu argumentieren.
Der Ankläger lässt sich aber nicht so leicht ins Bockshorn jagen.
Markus Linden von der Universität Trier selbst interpretiert das als einseitige Meinungsmache. Inwiefern nehmen Sie denn auch eine Kritik an und würden sagen: Okay, da hätten wir pluralistischer vorgehen müssen?
Wieder fällt dem Angeklagten nur das Argumentieren mit der Wahrheit ein. Was sei denn schließlich gut an der Riesterrente? Der Ankläger kann nun zum tödlichen Stoß ansetzen.
Markus Linden hält Ihnen vor allem Einseitigkeit bei der Berichterstattung über die Corona-Pandemie und den Konflikt mit Russland vor. Inwieweit bieten die Nachdenkseiten Raum für Putin-Versteher und Corona-Leugner?
Putin-Versteher und Corona-Leugner: das sollte das Ende für die Nachdenkseiten bedeuten. Der Angeklagte meint doch jetzt tatsächlich seine persönliche Betroffenheit, seine eigene Coronaerkrankung anführen zu müssen. Außerdem muss er eingestehen, dass er ein Putin-Versteher ist: Er sei für Frieden mit Russland... Erwischt!
Der geschickte Ankläger führt den jetzt schon faktisch Verurteilten noch aufs Glatteis, indem er ihn die öffentlich-rechtlichen Medien scharf kritisieren lässt, um dann fragen zu können.
Trotzdem, Herr Müller, sprechen Sie ja auch von einer Gleichschaltung der Presse. Das ist schon ein harter Terminus, der in gewisser Weise auch geschichtliche vorbelastet ist. Können Sie angesichts solch einer Position die heftigen Reaktionen nicht nachvollziehen?
Gleichschaltung, ein harter Terminus, geschichtlich vorbelastet, nicht wahr? Warum so empfindlich, Herr Müller?
Der Rest des Verhörs dient dann nur noch der Materialsammlung für die anstehende Gerichtsverhandlung.
Es gibt ja einige Einordnungen von Ihnen und Ihrer Redaktion in dieser Studie: linksradikal, rechtsradikal, verschwörungstheoretisch. Wie sehen Sie sich und Ihre Arbeit?
Wie kann jemand wie Harald Neuber, der ja selber aus der Linken kommt, einem Mann wie Albrecht Müller eine solche Frage stellen? Das ist der beschämende Abschluss eines beschämenden Interviews.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.06.2022 02:20).