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  • Adrian_E

mehr als 1000 Beiträge seit 27.11.2016

Realzinsen, andere Währungen in Europa

Mir scheint, dass dieser Artikel, auch wenn er sicher ein paar richtige Punkte anspricht, dem aktuell modischen Trend zu vereinfachendem Apokalypsegeschrei folgt.

„das zum Scheitern verurteilte Währungsexperiment Euro“

Zwar sehe ich den Euro auch kritisch und denke, dass er wahrscheinlich besser nicht hätte eingeführt werden sollen (jetzt ist das allerdings auch nicht mehr so leicht rückgängig zu machen, und es wäre nicht unbedingt sinnvoll, das zu versuchen). Die Vorteile, die sich daraus ergeben, bei Geschäftsbeziehungen einer Reihe von europäischen Ländern kein Wechselkursrisiko mehr zu haben, und mit dem Euro eine der weltweit bedeutendsten Währungen nach dem Dollar zu haben, wiegen den Nachteil eines so heterogenen Währungsraumes, bei dem die Geldpolitik nicht mehr so flexibel auf die Bedürfnisse verschiedener Länder reagieren kann, nicht unbedingt auf.

Es ist aber kaum richtig, die aktuelle Situation mit Negativzinsen mit dem Euro zu assoziieren. Wo sehen wir das Phänomen der Negativzinsen in den letzten Jahren am stärksten? Nicht im Euroraum, sondern in der Schweiz und in Dänemark, Ländern mit starken Beziehungen zum Euroraum, die befürchten, dass ihre Währungen relativ zum Euro zu teuer würden und Negativzinsen benutzen, um ihre Währungen zu schwächen. Wenn der Euro nicht eingeführt worden wäre, wären die Deutsche Mark oder z.B. der niederländische Gulden wahrscheinlich in einer ähnlichen Situation wie jetzt der Schweizer Franken und die Dänische Krone, und das Thema von Negativzinsen wäre kaum weniger aktuell.

„Enteignung“

Zu den Standardphrasen populistischer Empörung über Negativzinsen gehört, dass diese eine „Enteignung der Sparer“ darstellen würden. Wirklich maßgeblich ist aber offensichtlich nicht der Nominalwert des Vermögens, sondern wieviel man sich damit kaufen kann. In den vergangenen Jahrzehnten waren die Nominalzinsen sicher höher, oft viel höher, aber auch die Inflation war höher als jetzt. Worauf es also wirklich ankommt, sind die Realzinsen, welche die Inflation mitberücksichtigen. Bezüglich der Realzinsen ist die aktuelle Situation nicht so ungewöhnlich, je nachdem mit welchen Methoden man rechnet und mit welchen früheren Zeiträumen man sie vergleicht, ist sie etwas besser oder etwas schlechter, aber sie fällt jedenfalls nicht aus dem Rahmen und drastische Worte wie „Enteignung“ sind kaum angebracht.

Dazu kommt, dass ein großer Teil der Bevölkerung ohnehin keine so großen Vermögen angespart hat, dass die Zinsen aufs Kapital für sie wichtiger wären als die Entwicklung der Einkommen. Bei einer tiefen Inflation ist immerhin die Kaufkraft der Löhne weniger bedroht als in früheren Situationen mit hoher Inflation und hohen Zinsen. Sicher gelang es damals den Gewerkschaften oft, den Teuerungsausgleich und über diesen hinausgehendeLohnerhöhungen durchzusetzen, aber ich wäre keineswegs sicher, ob die Gewerkschaften jetzt dafür genügend stark wären, und deshalb erscheint mir die Kombination tiefer Zinsen (um null herum oder leicht darunter) mit tiefer Inflation deutlich weniger riskant als eine Kombination hoher Zinsen mit hoher Inflation.

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