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688 Beiträge seit 07.08.2020

Oh, mein Fachgebiet...

...als ehemaliger Psychiatriepatient.

Mir fällt zu dem Thema "psychische Störungen" zuerst mal ein, dass es ungefähr genau so sinnvoll ist, zu konstatieren, psychische Störungen nehmen zu oder ab, wie es sinnvoll sein mag, zu konstatieren, "körperliche Beeinträchtigungen" nehmen zu oder ab.

Also gar nicht - weil der Begriff zu weit gefasst ist.

Das Jucken zwischen den Zehen bei Fußpilz ist eine körperliche Beeinträchtigung.

Quadriplegiker sein oder alle paar Tage zur Dialyse müssen aber auch.

Auf der psychischen Seite erstreckt sich das Spektrum ähnlich weit.

Ich z.B. glaube manchmal auf Fotos im Internet alte Bekannte zu erkennen. Und wenn das Szenario annähernd stimmt (also z.B. Erscheinungsort und -Datum einer Zeitung), dann lässt mich diese Idee nicht los, bis ich entweder die Identität der Person verifiziert oder falsifiziert habe, oder aber irgendwie zu der Erkenntnis gelangt bin, dass ich den Fall nicht klären kann. Das kann Stunden, oder auch Tage (mit Unterbrechungen durch Schlaf) dauern.

Andere Menschen halten es für eine psychische Störung, wenn sie auf Grund einer erlittenen Enttäuschung für ein paar Tage schlechte Laune haben - was man in Zeiten, wo Grippe in "Corona" umbenannt wird, ja schon zuvor in "Depression" umbenannt hatte.

Soviel zu leichten psychischen Störungen.

Schwere psychische Störungen sind z.B. so etwas, wie worunter Andreas Lubitz (Germanwings-Attentäter) und Tobias Rathjen (Hanau-Attentäter) litten.

Natürlich geht es auch ohne Mord oder Selbstmord.

Meine Mutter z.B. hat etwa ein Viertel ihres über siebzigjährigen Lebens in psychiatrischen Stationen verbracht. Ihre Symptomatik bestand fast ausschließlich darin, meist aus Stresssituationen heraus in einen sogenannten katatonen Stupor zu verfallen - das bedeutet, dass sie quasi zur Puppe erstarrte, also bei offenen Augen auf keine Ansprache reagierte und auch sonst nichts mehr tat, was einen lebenden Organismus sonst ausmacht. Diese Zustände dauerten mitunter monatelang, mit künstlicher Ernährung und Katheter natürlich - was ihr in einer Klinik, die damit offenbar überfordert war, Liegegeschwüre an Gesäß und Ferse einbrachte, die ihr bis zum Lebensende erhalten blieben.

Soviel von mir zum Thema "schwere psychische Störungen".

Vorausschickend, dass ich selbst ein konsequenter Gegner aller Corona-Maßnahmen außerhalb von Krankenhäusern und Pflegeheimen bin, möchte ich allerdings sagen, dass manche Maßnahmengegner anscheinend glauben, es hülfe der Guten Sache, wenn man feststellen könnte, dass die Maßnahmen "psychische Störungen" verursachen bzw. deren Häufigkeit erhöhen würden - womöglich bis zum Selbstmord.

Ich mit meiner bescheidenen Minderheitenmeinung glaube das eher nicht.

Warum?

Was die leichten Störungen angeht, erwarte ich, das sich der gesamtgesellschaftlich neu entstehende Stress und die dem entgegen stehende Sinngebung durch die Teilnahme an einer großen gemeinsamen Anstrengung gegenseitig aufheben.

Mit anderen Worten: Auf jeden Maßnahmengegner, der darunter leidet, was geschieht, kommt mindestens ein Aktivist der anderen Seite, dem es seit dem besser geht als vorher, weil er glaubt, endlich wieder etwas sinnvolles zu tun.

Fehlen noch die schweren Fälle - da gibt es zwar das prominente Beispiel Stefan Mickisch auf der Waagschale derer, die sagen, dass auch die Maßnahmenbefürworter Todesfälle fast unmittelbar verantworten können.

Doch dazu möchte ich annehmen, dass auf einen, der sich entscheidet, in so einem Deutschland nicht mehr leben zu wollen, wahrscheinlich mehrere kommen, die sich sagen: Warum soll ich mich denn bloß jetzt noch selber umbringen, wenn ich nur auf die brasilianische Variante zu warten brauche?

Es ist eine Tatsache, dass in Kriegszeiten die Suizidraten gewöhnlich _sinken_.

Wenn in der Welt viel gestorben wird (oder auch nur viel die Rede davon ist), sagen Verrückte sich: Warum ich jetzt auch noch?

Ich kenne das nicht nur vom Hörensagen - ich weiß, wovon ich rede.

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