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  • the observer

mehr als 1000 Beiträge seit 18.07.2001

Ja, vielleicht

SunnyHill schrieb am 10. Oktober 2003 17:41

> the observer schrieb am 10. Oktober 2003 15:56
>
> > Er wird (und konnte) es sowieso nicht tun. Aber lies ihn; er wird an
> > vielen Beispielen belegen, wie das Fernsehen unser aller Gewohnheiten
> > in vielerlei Hinsicht grundlegend zu verändern vermag. Nicht
> > sprunghaft, aber langsam ud stetig. Du täuschst dich gewaltig, wenn
> > Du meinst, jeder Erwachsene sei gefeit dagegen. Im Gegenteil - wie
> > kein anderes Medium spricht dich das Fernsehen in erster Linie über
> > die emotionale Schiene an; da hat es der Verstand (wenn in
> > ausreichender Qualität vorhanden...) ohnehin schwer. Beispiele gibt
> > es zuhauf, daß bisweilen angesichts des Eindrucks, den ein geschickt
> > erstellter Beitrag erweckt, der Verstand aussetzt.
>
> Es ist ganz trivial ausgedrückt, wie mit den Essgewohnheiten. Ein
> Kind übernimmt das Verhalten, das ihm vorgemacht, anerzogen etc. wird
> und kann es später als Erwachsener sehr schwer bis fast gar nicht
> mehr verändern. Es stimmt, dass Bilder emotional stärker anregen, als
> vielleicht die Sprache in Schrift und Ton, aber das ist ja auch nicht
> verkehrt, nur bei Reizüberflutung stumpfen sie ab, schlimm wird es,
> wenn Bilder missbraucht werden, um Menschen in eine bestimmte
> Richtung zu dirigieren, dabei werden Bilder verfälscht, indem ihr
> Wahrheitsgehalt verändert wird, und dies eben gerade durch
> verfälschende Kommentare. Keine Macht den Bildern ist deswegen auch
> richtig, genauso wie keine Macht den Demagogen, den Lügnern, und
> Märchenerzählern. Das Bild an sich ist aber die brutale Realität,
> während die Sprache (und da eben die Verfassung des jeweiligen
> Kommentators) interpretiert.

Nun hätte ich Dir beinahe vorbehaltlos zugestimmt, habe aber doch
noch einen Einwand: Bilder sind nicht deshalb so bedenklich, weil sie
die brutale Realität widserspiegeln. Das Brutale daran ist, daß sie
einfach so dastehen, aus irgendeinem Kontext herausgerissen. Wie soll
man sich mit solch einem Bild auseinandersetzen (wobei wir wieder bei
S. Sontag und ihrem Zitat wären)? Über die bloße Darstellung geht ein
Bild nicht hinaus. Um noch mal mit Postman zu sprechen: "'etwas
zeigen' und 'über etwas sprechen' sind zwei ganz verschiedene
Prozesse".

In dem Zusammenhang muß ich auch noch dem Autor, Peter Brinkemper
widersprechen, wenn er meint, "Aus der Katastrophe des amerikanischen
Kommerz-TVs heraus traf Postman nur die halbe Wahrheit: Verbale
Medien repräsentieren die Wahrheit, visuelle Medien verfälschen und
vergewaltigen sie." So hat es Postman meines Wissens nicht gesagt;
bei ihm habe ich es eher so vorgefunden: "Das Fernsehen ist nicht alt
genug, um sich in der Fabrikation von Unsinn mit der Druckpresse
messen zu können". Das ist alles andere als ein "Totschlag- und
Holzschnitt-Argument".

> > Noch eine kleine Anmerkung: Kinder werden erwachsen, und wenn sie
> > niemals das gelernt haben, was Du oben ansprichst - wie kann man dann
> > erwarten, daß sie's als Erwachsene tun? Und die Kinder, die sie
> > selbst einmal bekommen werden, und so weiter...
>
> Genau das meinte ich doch!
> >
> > Das Schöne am Fernsehen, ist daß diese Art Konsum einfach Spaß macht,
> > während die anderen Arten der Informationsgewinnung mühselig sind.
> > Wer unterzieht sich schon freiwillig Mühen, wenn er es leichter haben
> > kann...
>
> Hier unterstellst du den Kindern eine natürliche Dummheit. Ich meine
> aber, Dummheit ist anerzogen. Ein deutscher Kanzler, ich glaube es
> war Schmidt, meinte mal, Fernsehen kann dumm machen, es kann aber
> auch schlauer machen. Die Schuld an der Verblödung kannst du den
> Büchern vorwerfen, genauso, wie den Medien TV oder auch Internet, es
> kommt eben auf den angelernten "Speiseplan" an. Wenn sich Kinder
> nicht anstrengen wollen, dann nicht, weil es ihre Natur ist, bequem
> zu sein, sondern weil es ihnen so anerzogen wird.
>
Nicht Dummheit, sondern Bequemlichkeit. Im übrigen läßt es sich
hervorragend darüber streiten, was anerzogen wird, und welche Anlagen
vorhanden sind: Bequemlichkeit beziehungsweise Strebsamkeit. Das,
glaube ich, wird uns aber nicht weiterbringen. Im übrigen will
Postman nicht gegen das Fernsehen in Gänze vom Leder ziehen; er
kritisiert aber beispielsweise, daß das Fernsehen nicht das einhält,
was es verspricht (oder noch besser: daß es Versprechungen abgibt,
die es nicht in der Lage ist einzuhalten): "...denn am trivialsten
und daher am gefährlichsten ist das Fernsehen, wenn es sich
anspruchsvoll gibt und sich als Vermittler bedeutsamer kultureller
Botschaften präsentiert".

> > (Wäre ausnahmsweise mal schön, wenn mir in diesem Punkt heftig
> > widersprochen würde!)
>
> Ich persönlich finde übrigens Fernsehen anstrengender als Lesen z. B.
> Kann sein, dass es den Kindern und Jugendlichen auch so geht, und
> während du ein Buch einfach erst mal zur Seite legst, um später
> weiter zu lesen, lassen die Kinder den Fernseher laufen und schalten
> einfach auf Durchzug, und dies übernehmen sie dann vielleicht auch
> bei schwierigeren Lernprossen, anstatt es beiseite zu legen, um sich
> später noch mal damit zu befassen, wird es als unwichtig empfunden,
> sich überhaupt mit etwas ernsthaft auseinander zu setzen.

Ich kann das nicht beurteilen; dazu fehlen mir die Kenntnisse.

Aber noch ein Satz zum Thema Anstrengung und Reizüberflutung, leicht
ot: Ich finde manchmal Fernsehen auch anstrengend, aber aus einem
ganz anderen Aspekt heraus: Ich fühle mich bei Sequenzen von einer
Sekunde und weniger schon mal verarscht. Ich will beobachten
(schließlich heißt es fern"sehen"), und das kann ich nicht, wenn jede
Sekunde ein Bildschnitt erfolgt.

> Reizüberflutung, deswegen ist diese These eben für Kinder richtig,
> aber für Erwachsene egal, denn diese haben entweder das richtige
> konsumieren und verarbeiten gelernt, oder eben nicht.
>
> > Es liegt aber in der Natur des Mediums, wie kein anderes dieses
> > Unvermögen fördern.
>
> Welches Medium meinst du nun?

Pardon, das Medium Fernsehen.

> Aus dem Vorwort zu " Bilderbuch für Vergessliche"
>
> Den Gedanken, Fotografien in dialektischer Gegenüberstellung sich
> ergänzen zu lassen, um den Betrachter zu EIGENEN DENKEN anzuregen,
> hatte Richard Errel schon früher, ehe Hitler an die Macht kam, in
> Deutschland verwirklicht.

Natürlich kann man aus dieser Absicht heraus Fotografien erstellen.
Fotografie ist nicht zuletzt eine Kunstform, und unter diesem Aspekt
ergibt sich eine ganz andere Betrachtungsweise. Den Anspruch,
ausschließlich informieren zu wollen, hat sie in diesem Fall nicht.

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