Es gibt keine Zeitmaschinen und was unter bestimmten Rahmenbedingungen gut funktioniert hat wird unter heutigen Bedingungen so einfach nicht mehr funktionieren.
Klassisch. Rosa Luxemburg & Karl Liebknecht Style. Der Arbeiter ist der Wertschöpfende, Aufbauende und Fortbewegende unserer Gesellschaft. Welche Wertschätzung erfährt der Arbeiter heute noch? Ernstgemeinte Frage.
Eine durchaus berechtigte Frage, ich fürchte nur, die Antwort wird dir mißfallen.
Zunächst wäre die Frage zu klären, durch wen "der Arbeiter" aus welchem Grund Wert geschätzt wurde. Die nette Version steht in dem Zitat oben.
Die weniger nette Version ist: Klassische Arbeiter wurden gebraucht, Gewerkschaften waren stark.
Das ist heute aus zwei Gründen anders:
1. Globalisierung
2. Technischer Fortschritt
Ersteres verhindert in einem Exportland aus internationalen Wettbewerbsgründen sehr effektiv eine gerechte Lohnentwicklung.
Zweiteres lässt die Produktivität pro Arbeiter explodieren und integriert zunehmend das Kapital des Facharbeiters in die Maschine, am Ende steht irgendwann KI und Robotik und ersetzt menschliche Arbeit.
Vermutung: Für dich ist das eine Horrorvision, beleidigt deinen Arbeiterstolz und macht dir verständlicherweise Angst.
Obige zwei Punkte sind in Kombination schon ein ziemliches Problem für die Arbeiterklasse, aber der Killer kommt erst mit den zusätzlich gegenläufigen Rahmenbedingungen.
Nebenbei bemerkt ist Deutschland schon lange keine klassische Industriegesellschaft mehr, sondern eine Dienstleistungsgesellschaft. (Meinem letzten Stand nach war die "Wertschöpfung" durch Dienstleistung bei gut über 60% vom BIP.) Trotzdem unter den Top 5 der Exportländer.
Dazu:
https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/_inhalt.html
Die deutsche Wirtschaft ist in hohem Maße exportorientiert und damit auch exportabhängig. Annähernd jeder vierte Arbeitsplatz hängt vom Export ab. Gleichzeitig ist Deutschland als rohstoffarmes Land ebenso auf Importe angewiesen, insbesondere im Energiebereich.
Im Rahmen der Außenhandelsstatistik ermitteln wir monatlich die Exporte und Importe Deutschlands.
3. Endliche Ressourcen, Umweltkollaps
Unser sogenannter Wohlstand basiert auf der Annahme endlosen Wachstums in einer physisch limitierten Welt. Der Ressourcenverbrauch ist zu hoch für nachhaltiges Leben.
Das bedeutet, unser Wirtschaftsystem funktioniert so nicht mehr. Dafür gibt es zwei realistische Lösungen:
- Wir ändern unsere Art, zu wirtschaften, grundsätzlich. Das wollen die aktuellen Profiteure (Milliardäre) und ihre Vasallen (obere "Mittelschicht") nicht, haben die AfD erfunden (konservativ) und die Grünen transatlantisch korrumpiert (progressiv). Die Linke sucht einen echten progressiven Weg, ist aber wie meistens zu sehr mit ihren eigenen Strömungen beschäftigt. Stichwort: Neofeminismus.
- Wir entkoppeln wirtschaftliches Wachstum von der physischen Welt. (Das wird mit dem sogenannten Great Reset versucht und ist möglich, aus meiner Sicht nur komplett sinnlos.) Das geht nur mit der totalen Macht von Finanz- und Digitalwirtschaft -> schlecht für die konservative Arbeiterklasse, egal ob "links" oder "rechts", es sei denn, man kompensiert das durch ein radikales und grundsätzliches, bedingungsloses System der Daseinsfürsorge (rein materialistisch betrachtet). Arbeiterstolz und bürgerliche Freiheit sind dann allerdings fehl am Platz. Darum der Hass auf grün.
Dennoch haben die nen starken ökonomischen Punkt bei der Energiewende, der aus transatlantisch- politischen Gründen so prominent nicht ausgeprochen werden kann und sich gleichzeitig auch gegen Russland richtet: Energetische Autarkie.
Klimawandel? Yo, iss Fakt, aber schlechtes Marketing. Zugunsten der Amis.
4. Geschwindigkeit und digitale Lenkung der Massen
Oder auch psychomanipulative Asymmetrie.
Die konservative Arbeiterschaft hat den heutigen, manipulativen und digital realisierten Machtverhältnissen nichts entgegen zu setzen. Nicht qualifizierbar. Die ITler sind das neue Lieblingskind, arbeiten allerdings auch hochideoligisiert am inbrünstigsten an ihrem eigenen Untergang. Raffens nicht wirklich, liegt an deren Arbeiterstolz und mangelndem Klassenbewussstsein. Schau einfach ins Heiseforum, erklärt sich dir von selbst. Was ihnen mit der Erscheinung moderner KI auch klar geworden sein dürfte. Kumpel von mir sagt dazu: Gerade auf den unteren Kompetenzebenen grassiert die Angst vor betriebsbedingter Kündigung. Leistungsgesellschaft halt.
5. Digitalisierung verbilligt Repression
Das ist er Killer. Prediktive Massenkontrolle durch digitale Technik negiert das stärkste (ökonomische) Argument, die Arbeiter mit sozialen Programmen beruhigen zu müssen. Repression ist heute billiger, als Sozialpolitik.
Wir überwinden entweder das kapitalistische System jetzt oder nimmer.
Daher: Rückkehr zur "sozialen Marktwirtschaft"?
Vergisses.
Betrug wäre nett ausgedrückt.
Und, gefällt dir die Antwort?
Gruß
Calyx