Adrian_E schrieb am 02.04.2024 09:22:
Es ist natürlich legitim, dass es in der Energiepolitik verschiedene Positionen gibt. Es gibt aber auch Schlagworte, welche diejenigen, die sie verwenden, als ignorante Ideologen entlarven. Ein solches ist die unsinnige Wortverbindung "fossil-atomar", mit welcher zwei völlig verschiedene Arten von Energiequellen in den gleichen Topf geworfen werden.
Da weiß man doch gleich, worum es geht: Seichte Polemik und Framing!
Ein offensichtlicher Unterschied ist natürlich, dass Kernenergie im Unterschied zu fossilen Brennstoffen klimafreundlich ist und deshalb abgesehen von einigen ewiggestrigen Ideologen in Deutschland und Österreich weltweit als sinnvoll für den Kampf gegen die Klima-Erwärmung gesehen wird.
Frag' mal die Anwohner der Gebiete, in denen Uranbergbau betrieben wurde oder wird, wie es um die Wahrung ihrer Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit steht! Anstelle einer Linkfarm, bei der einige Zeitgenossen schon abschalten, hier stellvertretend und vorläufig nur das:
https://www.ausgestrahlt.de/themen/uran/uran-bergbau-aufbereitung-anreicherung/
Aber viel wichtiger ist im Kontext dieses Artikels, in dem es um Energiesicherheit geht, ein anderer Unterschied. Wegen der viel größeren Energiedichte kann bei der Kernenergie problemlos der Brennstoff für eine lange Zeit (z.B. zehn Jahre) gelagert werden, und das braucht nicht einmal viel Platz. Somit ist man, wenn man die Brennstäbe im Voraus kauft, nicht von durchgehend funktionierenden Lieferketten abhängig. Das ist eine ganz andere Situation als mit fossilen Brennstoffen, wo es unmöglich wäre, Brennstoffe für den Energiebedarf in einer so langen Zeitperiode zu speichern (das längste sind Gasvorräte für ein paar Monate).
Weder Lagerplatz noch Zeit sind wirklich essentiell. 10 Jahre sind auch kein so gigantischer Zeitraum, zumal das Zeug abklingende Aktivität und Handhabbarkeit aufweist. Im Gegensatz zu Kohle, die auch nach 100 Jahren noch verwendbar ist, ohne daß man sie "wiederaufbereiten" müßte (d.h., die Elemente extrahieren, die sich aufgrund des Zerfalls -tlw. radiotoxisch- angereichert haben. Außerdem ist es nicht damit getan, Monazitsand aufzuhäufeln. Neben dem (meist auch radioaktiven) Abraum muß Uran extrahiert, dann angereichert und schließlich müssen Brennstäbe draus gefertigt werden, indem man das Zeug in Spezialstahlhüllen einschweißt, Das erfordert gegen alle möglichen Unbilden geschützte Brennstoffwerke wie in Lingen und nicht nur grade mal einen Kohlebunker, einen Radlader, ein paar Güterwaggons und eine Kokerei, für die ein Zaun drumherum genügt. wohlgemerkt, ohne daß ich diese Art der Elektrizitätserzeugung für sonderlich clever halte:
Vor allem der Uranbergbau-Abraum ist für die Anwohner ein mit zahlreichen, auch gesundheitlichen Nebenfolgen einhergehendes Problem: Sogar abgereichertes(!) Uran (also das, was in den Anreicherungsanlagen an U-235 und minoren Aktiniden abgeschieden wird) entfaltet schwere toxische und Umweltschäden, nicht nur, wenn es z.B. anstelle teurerer Wuchtmunition verschossen wird: Uran selber ist als Schwermetall toxisch.
Aufgrund der viel geringeren Energiedichte ist der Rohstoffbedarf pro produzierter Energie bei Solar- und Windenergie um ein Vielfaches größer als bei Kernenergie, und diese Rohstoffe müssen ja auch aus dem Ausland kommen. Dazu kommt, dass Solar- und Windkraftanlagen eine viel kürzere Laufzeit als Kernkraftwerke haben.
Das ist a) zum einen bloß dem Repowering geschuldet und zum andern ignoriert diese Behauptung den Umstand, daß nach dem Abschalten der Rückbau eines Kernkraftwerks beginnt, der wegen der inneren Kontamination schon mal einen um Größenordnungen höheren Aufwand erfordert und sehr viel mehr Lagerplatz benötigt als ein paar Betonringe und GFK-Platten einer Windkraftanlage, deren Intérieur meist recycled wird, insbesondere die Permanentmagnete des Rotors und die kupfernen Statorwicklungen. (Das geht zwar auch in einem AKW, fällt aber kaum ins Gewicht: Allein die Massen an Beton, die für einen flugzeugabsturzsicheren Kernreaktor verbaut werden müssen (nebst den Mengen an CO2, die beim Kalkbrennen dafür freigesetzt wurden) im Vergleich zu ein paar Spargeln! Und beim Rückbau verwandeln die sich auch nicht wieder in tausende Tonnen Zementpulver und Sand.
Wenn man das Problem der intermittierenden Verfügbarkeit und der Dunkelflauten ignoriert (was man natürlich nicht tun sollte!), sind Solar- und Windenergie im Hinblick auf Energiesicherheit bei bedrohten Lieferketten besser als fossile Brennstoffe, bei denen man auf ständigen Nachschub angewiesen ist. Die Anlagen brauchen zwar viele Rohstoffe, aber wenn sie einmal gebaut sind, sind sie, solange sie funktionieren, nicht auf ständigen Nachschub angewiesen. Besser als Kernenergie sind sie aber bezüglich der Energiesicherheit nicht. Die Kernkraftwerke können viele Jahrzehnte gut funktionieren, und dank der großen Energiedichte können die Vorräte der Brennstoffe problemlos so groß sein, dass es kein Problem ist, wenn die Lieferketten vorübergehend beeinträchtigt sind.
Ich denke, Bullshit-Schlagwörter wie "fossil-atomar" sind immer ein gutes Erkennungsmerkmal für verbohrte Ideologen, die nicht an einer sachlichen Diskussion interessiert sind.
Verbohrte Ideologen kann man am Sachgehalt ihrer Äußerungen erkennen, nicht zuverlässig daran, ob sie ein oder zwei Schlagworte eies aktuellen Diskurses verwenden. Und es gibt leider kein zuverlässiges Mittel, nur diejenigen die dezidiert für oder gegen eine bestimmte Technik sind, alleine die Folgen ihrer Haltung ausbaden zu lassen,
Außerdem stellt die Erforschung fortgeschrittener Fissionsreaktortechnologien - geschweige denn deren -techniken selber - der BRD kein Ruhmensblatt aus. Neben dem Natriumbrüter wurde der Kugelhaufenreaktor und der Schnelle Brüter grandios versemmelt und schließlich - wohl vorrangig aus politischen Gründen und der Unlust, weiter unabsehbar Finanzmittel zu versenken- "eingestampft", wobei man - so mein Eindruck -sich auch der willfährigen Wissenschaft bediente, um die angestrebte Entscheidung herbeigutachten zu lassen.
Vielleicht wäre es klüger, den Fusionsreaktor endlich zu bauen, von dem der Betreiber des Wendelstein VII behauptet, er koste 1/3 "Sondervermögen" (also ca. 33 G€)
https://www.ipp.mpg.de/wendelstein7x .
Wäre das nicht endlich mal was, nach all' den vergeigten und -senkten Fördermilliarden?
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (21.04.2024 23:44).