zur Erinnerung an Egon Bahr schrieb am 04.12.2020 10:38:
Was Sie schreiben, ist leider traurige Realität. Ihr Beitrag findet meine volle Zustimmung. Doch mehr als 50% der deutschen Bevölkerung ist an dieser Thematik vollkommen desinteressiert. Sie könnten schon Einfluss nehmen, wie die Leute, die vor 1933 immer wieder Hitler oder Hindenburg gewählt haben, es bis 1933 ja auch konnten.
Das Thema "Krieg gegen Russland" interessierte damals wie jetzt nur eine Minderheit.
Nun sind wir wieder am gleichen Punkt der Spirale, in der Endphase Weimars, auch mit allen Anzeichen der Dekadenz.Die Lage ist allerdings weit gefährlicher als 1914 oder 1939, da es damals die heutigen Massenvernichtungswaffen noch nicht gab.
Kurt Tucholsky hat sich in Schweden in der Emigration nicht nur wegen seiner Erkrankung das Leben genommen. Er hatte zuvor Jahrzehnte lang mit Schärfe, Ironie, aber auch mit Humor den Militarismus in Deutschland angegriffen und musste erleben, dass dies alles vollkommen sinnlos war und Hitler riesige Unterstützung in der Unterstützung erhielt, allerdings zunächst sogar weniger, als Die Grünen bereits jetzt an Wählerstimmen einfahren. Hitler hatte offen in "Mein Kampf" dargelegt, was seine Pläne sind. Die Grünen schreiben mit gleicher Offenheit in Ihr Parteiprogramm, dass sie gegen Krieg ohne UNO - Mandat nichts einzuwenden haben.
Wer Grün wählt - wählt den Krieg. Macht nichts. Ein großer Prozentsatz der Deutschen wählt diese Partei und andere Parteien, welche die NATO - Linie unterstützen. Insofern zieht das Argument "Wir haben ja leider keinen Einfluss" nicht. Frau Göring - Eckardt war übrigens mal Präsidentin der EKD - Synode und Angela Merkel stammt aus einem Pfarrhaus.
Man hätte schon 1990, sofort nach der Wiedervereinigung, hellhörig werden können, welchen Weg Deutschland einschlagen wird, als es in Berlin Versuche gab, die Tucholsky - Straße wieder zurück zu benennen in ARTILLERIESTRAßE.
Das klappte zwar nicht, aber wenigstens haben wir den Hindenburg - Damm und in mehreren Fällen noch immer Adolf Hitler gewidmete Kirchenglocken mit Hakenkreuz im Dachstuhl der Gotteshäuser hängen, die darauf warten, bei künftigen Siegen geläutet zu werden. Was braucht das deutsche Herz mehr, um wieder auf der Höhe der Zeit zu sein?
Vielen Dank für diesen Kommentar.
Ja, Sie haben vollkommen Recht. Es ist nahezu zum Verzweifeln.
Wer sich hierzulande für eine Entspannung, ja auch nur für ein normales Verhältnis zu Russland einsetzt, der fühlt sich wie diejenigen sich gefühlt haben müssen, die in den 1930er Jahre gegen den aufkeimenden Nationalsozialismus ankämpften.
Was mich besonders erstaunt ist, dass die antirussische Propaganda heute wirkt, obwohl sie ganz offen erkennbar falsch ist.
Nur ein Vergleich:
Nach dem vom Westen eingefädelten rechtsnationalistischen Putsch in Kiew hatte sich das Parlament der Krim von der Ukraine losgesagt und die Bevölkerung in einem Referendum mit ca 90% der Aufnahme in die russische Föderation zugestimmt. Russland war dieser Bitte dann nachgekommen. Vor dem Hintergrund der Geschichte der Krim ein 100% nachvollziehbarer Vorgang.
Dieser Vorgang wird aber propagandistisch zu einer "Annexion" aufgeblasen und Russland als Gefahr für die ganze Welt stilisiert.
Hingegen hatten die USA 2003 auf der Grundlage einer Lüge einen Krieg gegen den Irak geführt in dessen Verlauf ca. 1 Million Menschen ums Leben gekommen sind. Tausendfache Folter in Abu Ghraib, oftmals mit Todesfolge, ... das Land ist nachhaltig verwüstet.
Davon hört man inzwischen wenig, es scheint vergessen zu sein. Die USA gelten weiterhin als Vormacht der "westlichen Wertegemeinschaft".
Es sollte doch nicht schwer fallen, zu erkennen, wer die aggressive Weltmacht ist.
Ich fürchte, es ist die in unserer Bevölkerung noch tief verwurzelte antirussische (antisowjetische) Propaganda, mit welcher der damalige Vernichtungskrieg gegen die "Untermenschen" vorbereitet wurde, welche den fruchtbaren Boden darstellt, auf den die heutige antirussische Propaganda fällt.
Ganz abgesehen von Fragen nach Recht, Moral oder Verhältnismäßigkeit, sollten unsere Politiker aber doch wenigstens erkennen, mit was sie es bei Russland zu tun haben: Mit einer den USA ebenbürtigen Atommacht. Wenn dann aber die deutsche Verteidigungsministerin davon redet, sie wolle Russland aus einer Position der Stärke heraus begegnen, dann macht so viel Realitätsverlust einfach fassungslos. Es ist dieser Realitätsverlust, der ja auch bei unserem Aussenminister zu beobachten ist, der vielleicht die größte Gefahr darstellt.
Sie machen sich Russland (ohne Not) zum Gegner und glauben (wider die Realität) dass dieser Gegner schwach sei.
Welch eine Fehleinschätzung!