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Re: Belehrbarkeit

Pnyx (1) schrieb am 24.02.2024 17:51:

Wie uns die feministische Aussenpolitik betreibende Aussenministerin Deutschlands schon vor zwei Jahren mitgeteilt hat, geht es nicht um Zähmung sondern um den Ruin Russlands. Inzwischen ist klar, dass auf dem Weg dahin zuerst Deutschland ruiniert wird.

So ist das.
Die zwei Boxer im Ring sind einfach von völlig unterschiedlichem Gewicht - und während Deutschland auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Stärke - also vor 2008 - zwar um Russland "tanzen" kann und jedem Schlag spielend ausweichen kann, ist 15 Jahre später halt Deutschland angezählt taumelnd auf den Beinen und verträgt keinen weiteren Schwinger. Russland hat dagegen all die Jahre (und Sanktionen) zwar ordentlich eingesteckt, aber die kleinen Schläge haben höchstens oberflächlichen Schaden hinterlassen, nicht aber den Boxer auf die Bretter schicken können. Effektiv haben wir Runde 11/12 - und Russland liegt nach Punkten vorn.

Russland ist alles andere als isoliert. Abgesehen vom matchentscheidenden China haben auch grosse Teile der irrelevanten und deshalb Dritten Welt die Nase von der zum Himmel stinkenden Doppelmoral des Westens gestrichen voll. Wer noch Zweifel hatte, wird nun im Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischem Konflikt gleichsam zwangsüberzeugt. Die westlichen Werte sind Wortplunder, hohl.

In Brüssel und Washington ging man davon aus, dass Russland "völlig abhängig von Europa" sei - und hat entsprechend da mit den Sanktionen angesetzt. Es wurde ja auch eine knappe Dekade lang kräftig sanktioniert und anfänglich gab es auch durchaus messbare Wirkungen. Allerdings hat man schlichtweg die Dynamik der russischen Wirtschaft unterschätzt und ging wohl davon aus, dass diese in ihrer Abhängigkeit von Europa gefangen blieb. Währenddessen hat die Regierung Russlands die Wirtschaft neu ausgerichtet und die BRICS-Staaten (deren Mitglied Russland bereits war) als Wirtschaftssphäre für sich entdeckt.

Jetzt überlegen wir mal: Russland sitzt auf praktisch allen Rohstoffen, die eine moderne Industrienation so braucht. Dass Russland notfalls auch einfach neue Fabriken aus dem Boden stampft, kennt man vielleicht aus sowjetischen Zeiten. Da wurden nicht nur Fabriken gebaut, sondern ganze Retortenstädte mit dazu, um den Arbeitern ein Zuhause zu geben. Zudem hat das Land nebst der Roten Revolution eben auch den Weg zurück geschafft, einschließlich der damit verbunden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Totaltransformationen. Die haben also eine gewisse Übung - und damit eben auch eine entsprechend dynamische Wirtschaft.
Das, was Russland NICHT kann, ist moderne Mikrotechnologie. Müssen sie auch nicht: für die Waffenindustrie reicht der Standard der 1990er bis 2000, die dafür nötigen Maschinen kann man am Weltmarkt kaufen, direkt aus China heraus. Aber wie "hinterher" sind sie wirklich, wenn sowohl Chinesen als auch Russen allein über Nachbau in der Lage sind, CPUs zu bauen, die etwa mit den Intel-CPUs aus den Jahren 2015 - 2018 gleichziehen können? Das sind "nur" 6 - 9 Jahre Abstand zur Spitze, in der Mikrotechnologie eben 3 Generationen nach Moore, aber so richtig viel Distanz ist das auch nicht.

Zumal ja auch trotz westlicher Sanktionen der Zugriff auf moderne Halbleiterei durch Russland kaum eingeschränkt ist: wir bauen ja nix im Westen, sondern lassen bauen - in den gleichen Ländern, die sich NICHT den Russland-Sanktionen angeschlossen haben. Dann fahren halt die Nvidia- und AMD-Karten halt einen Umweg, bis sie nach Moskau gelangen ...

Und deshalb ist Russland nicht isoliert und steht der Westen zunehmend auf der falschen Seite der Geschichte. Will er von da weg, muss er seinen Kurs schnellstmöglich ändern. Danach sieht es nicht aus, die Besserwessi-Mentalität lässt sich auch von peinlichen Niederlagen nicht belehren. Das wird uns alle teuer zu stehen kommen.

Die Frage ist, wie man "gesichtswahrend" wegkommt und den angerichteten Schaden vor internationalen Augen bereinigen will. Mit der aktuellen Regierung in Berlin ist das eher unwahrscheinlich, dafür hat schon die "feministische Außenpolitik" Sorge getragen.

Die internationalen Augen haben auch einen Blick auf den Ukraine-Krieg, der uns fremd ist. Für sie ist das nicht so einfach "Russland griff an, Russland ist schuld". Vielleicht liegt es an Lawrow, dass Russland auf internationalem Parkett nicht so isoliert dasteht, wie es vom Westen erhofft wurde. Vielleicht war Russland von Anfang an nie isoliert und die restliche Welt hat die Vorgeschichte zur Ukraine nicht vergessen. Vielleicht haben jahrelange Demütigungen auch einfach den Bogen überspannt und man stellt sich lieber hinter ein starkes Russland und schluckt die Kröte "Ukraine-Krieg" - wer weiß das schon? Spekulationen bringen ja nichts weiter.

Fakt ist, dass im Ukraine-Krieg der Westen das Kunststück fertig gebracht hat, eine schlechtere Figur abzugeben als Russland, obschon Putin den Angriffsbefehl gab und der Westen Waffen und Geld zur Verteidigung Kiews abgestellt haben. Vielleicht hat die Welt keine Sympathien für Russland - aber wieviel Antipathie gegenüber dem Westen muss sie erst haben, wenn der Westen zunehmen isoliert dasteht?

Solange das nicht offen debattiert wird, lernen wir nichts. Und wenn wir nichts draus lernen, können wir auch nichts reparieren.

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