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  • mustard mine

16 Beiträge seit 30.07.2024

Analyse, Reaktion, Weiterungen. Gegen diesen Quincy-Quatsch

1. Der INF gilt nicht mehr. Darüber brauchen wir gar nicht reden, fragt sich warum der Autor es überhaupt macht, Sinn ergibt es keinen.

2. Der Autor erwähnt den START-Vertrag nicht, der ist nämlich eigentlich viel lustiger. Der START gilt nämlich noch bis Anfang 2026. Und die Stationierung der amerikanischen Raketen wird selbstverständlich erst dann beginnen, wenn er ausgelaufen ist.

3. Im Artikel ist das etwas mißverständlich formuliert: Die Iskander M ist nicht nur nuklear betückbar sondern sie ist in Königsberg nuklear bestückt stationiert.

4. Die Reichweite von Raketen hängt sehr stark davon ab, wie schwer der der/die Sprengköpfe sind. Hier sagen die Russen, daß wenn man die Iskander M mit ihrem "Standard"-Sprengkopf bestückt sie dann Berlin nicht erreichen kann. Ob das stimmt, sei dahingestellt, korrekt ist in jedem Fall, daß wenn man einen leichteren Sprengkopf nimmt, sie dann sehr wohl nach Berlin kommt. Und übrigens auch nach Stockholm oder nach Warschau, sowie ins gesamte Baltikum. Alle veröffentlichten Reichweiten von Raketen/Markschflugkörpern sind IMMER untertrieben. Und wenn die Russen sagen, die Iskander M kommt 480 km weit, dann sage ich 600. Und hierbei sind etwaige Kampfwertsteigerungen an der Iskander M (also die Erhöhung der Reichweite) der Russen noch gar nicht inkludiert.

5. Da die Strecken sehr kurz sind (hence: Kurzstreckenrakete) ist es unglaublich schwierig, diese Raketen abzufangen. Der strategisch wichtige Hafen Kleipeda in Litauen liegt 120 km Luftlinie vom Oblast Königsberg entfernt. Keine Chance das abzufangen, auch Richtung Berlin oder Stockholm hat die Iskander M bei 7500 km/h (und so schnell fliegt sie...) es nicht lange hin.

6. Die Iskander M in Königsberg ist ein MOBILES System (hence: "M"). Der Oblast Königsberg ist 15.000 qkm groß. Die Russen können die Iskander M in jeden Winkel fahren und von dort aus zünden. Wenn man sie also also an den Nordostzipfel von Königsberg fährt, kommt man weiter Richtung Finnland, fährt man sie an den Südwestzipfel kommt man weiter Richtung Deutschland, Polen, Tschechien. Aus diesem Grund, weil die Iskander MOBIL ist, ist ihre faktische Reichweite HÖHER als die technische der Rakete. Anders formuliert: Die ersten Km ihrer Reichweite fliegt die Rakete nicht, sondern fährt per LKW bis zum Abschußort. Diese Strecke ist stets zur fliegenden Reichweite zu addieren! Und gerade bei diesem System ist das sehr wichtig, weil 50 km mehr oder weniger einen großen Unterschied machen, ob man bestimmte Hochwertziele angreifen kann oder nicht.

***

Das ist die nukleare, russische Bedrohungslage, mit der Teile Mitteldeutschlands, sowie große Teile Nord- und Mittel-Osteuropas konfrontiert seit JAHREN konfrontiert sind. Und bitte: Die Pershing2 existiert schon lange nicht mehr in Deutschland. Wir haben NICHTS.

Was wollen die Amerikaner ab 2026 hier stationieren?

Ihr werdet Euch wundern, wie handzahm es ist. Es geht dabei um verschiedene Systeme, die ich durchkonjugiere:

a) Kurzstreckenrakete die SM-6. Diese hat eine Reichweite von 500 km, Geschwindigkeit ist Mach 3,5. Wie ich gesagt habe, bei der Reichweite kann man immer noch einen Zacken zugeben, da wird nie die ganze Wahrheit erzählt. Wo soll diese Rakete stationiert werden? Sinn machen würde es nur in Mitteldeutschland, damit man damit nach Königsberg kommt. Doch da gibt es den 2+4-Vertrag und der verbietet die DAUERHAFTE Stationierung ausländischer Truppen auf dem Gebiet der ehm. DDR. Da darf nur die Bundeswehr stehen, keine Amerikaner. Kündigt man da 2+4 oder bricht ihn oder wird die SM-6 einfach an die Bundeswehr übergeben? Nota bene: die SM-6 ist wesentlich langsamer als die Iskander M. Längere Vorwarnzeit für die Russen also. Wir sind ja nett.

b) Dann steht in Rede die PrSM 4 (1000 km Reichweite, Mach 5). Das ist dann schon interessanter, da sind dann dauerhafte Standorte in Westdeutschland möglich, wo die Amerikaner mit deutscher Zustimmung ja hingegehen können und Königsberg kann neutralisiert werden. Wie gesagt, wird noch lustig mit dem 2+4.

c) Tomahawk. Das System hat zwar eine Reichweite von 1600 km (gebt ruhig noch was dazu, ist ned falsch) aber das ist keine Rakete. Sondern ein Marschflugkörper, der sehr langsam fliegt, 900 km/h. Das ist ein System, das die Russen abfangen können, sehr lange Vorwarnzeit. Mit der Tomahawk kommunizieren die Amerikaner den Russen, daß sie nicht eskalieren wollen. Das ist keine Mach 8 Rakete wie die Iskander M, sondern mehr so ein Rentner-Rollator.

Nehmen wir an, eine Tomahawk sei in Berlin stationiert (das dürfte in amerikanischer Hand mit dem 2+4 Probleme geben) und soll St.Petersburg erreichen. Luftline über 1300 km. Wie lange ist die Tomahawk da unterwegs? 80-90 Minuten? PLENTY OF TIME für die Russen um Raketenabwehr zu aktivieren oder Abfangjäger hochzuschicken. Die Tomahawk ist aus meiner Sicht (die natürlich die deutsche Sicht ist!) ein Placebo. I'm a Rocket Man und nicht der Rollator-Man.

4. Und dann der Dunkeladler, die "Dark Eagle". Ja, das WÄRE eine interessante Waffe mit 2800 km Reichweite (3000 wird sie schon packen) und mehr als Mach 5. Ja, das könnte man ohne Brechung/Kündigung des 2+4 in Westdeutschland dauerhaft unter amerikanische Ägide stationieren und damit könnte man Rußland einhegen. Zudem die Dark Eagle keine Rakete im klassischen Sinne ist, sondern ein per Raketenbooster gestartetes HGV. Long story short: HGV haben den Vorteil, daß sie schnell wie Raketen sind, aber ihre Flugbahn viel besser (und bei sehr hohen Geschwindigkeiten) ändern können: Das macht es der feindlichen Luftabwehr sehr schwer, sie abzufangen.
Die Dark Eagle ist eine nagelneue Waffe in den USA, die hat noch ein paar Kinderkrankheiten, zudem ist sie auch ziemlich teuer. Gut bis 2026 ist auch noch etwas Zeit, aber daß wir sofort die Dark Eagle krigen: Eher zweifelhaft. Ich denke, es wird sehr viel vom weiteren Verlauf des Ukraine-Krieges abhängen. Wenn es gut für die Ukraine läuft, dann gibt es keine Dark Eagle in Deutschland, wenn es schlecht für die Ukraine läuft, dann sehr wohl. Denn dann sehen das auch die Amerikaner so, daß die Russen auf Distanz gehalten werden müssen, was mit der DE eben möglich ist.

6. Wer kennt ELSA? Nachdem die Amerikaner sich mal wieder haben breitschlagen lassen, ein paar ihrer Raketen und Marschflugkörper in Deutschland hinzustellen, damit die Sicherheit, aber nicht der Russe kommt: Da haben sie aber auch gesagt, daß die Eurofanten doch bitte auch mal selber was auf Kette kriegen sollen, was ist denn das für ein Kindergarten hier, wo immer der gute Onkel aus Amerika kommen muß, um invasive Russen vom Hof zu scheuchen? Es ist EUER Hof, kein amerikanischer Hof! Ein jeder kehre vor seiner eigenen Tür! V.a. weil ihr Euros gut kehren könnt, ihr könnt gute Waffen bauen um Euch selbst zu verteidigen. Ihr ruft nur immer gern Captain America aus USA, damit er Euch aus der Patsche hilft. Nein, machts euch bitte selbst, ihr seid erwachsen.

Reaktion auf diese m.E. äußerst berechtigte Kritik aus den USA ist das ELSA-Programm zwischen Deutschland, Frankreich, Polen & Italien. Vielleicht machen die Briten auch noch mit. European Long Strike Approach aka ELSA. Da gehts erst mal nur um Entwicklung/Produktion eines Marschflugkörpers mit 2000+ Km Reichweite, also eine bessere Tomahawk. Wer solls machen? MBDA. Ist ja sonst keiner da. Damit man wenigstens mal irgendwas in der Hand hat, was man den Russen entgegensetzen kann. Bislang ist da nämlich gar nix und man muß immer Captain America anbetteln und der hat langsam kein Bock mehr...

***

So das wars mal wieder.
Grüße aus der Senfmine.

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