stern88 schrieb am 20. August 2012 09:56
> Schon wahnsinn, was ein Semester weniger anrichtet... Gleich den
> Untergang unserer Gesellschaft. Wow. Ich bin zwar auch kein Fan von
> dieser Reform, aber so schlimm ist das alles auch nicht.
Ein Semester? Wo denn?
Bachelor/Master-Programme sind entweder 6+4 oder 7+3.
Die Regelstudienzeit des Diploms betrug 9 Semester. An FHs hielt man
sich daran, an Unis hatte man i.a. 12 Semester mit seinem Studium zu
tun, davon durchaus 8 Semester im Hauptstudium. (Ich spreche jetzt
von MINT-Fächern, nicht von irgendwelchen Orchideenfächern, in denen
man sich als Student ein Jahrzehnt und mehr verlustieren konnte.)
Auch wenn einige Inhalte aus dem ehemaligen Hauptstudium in den
Bachelor verlagert wurden, so ist das ein himmelweiter Unterschied.
Habe ich selbst gemerkt, als ich die exakt gleiche Vorlesung einmal
für Diplomer und einmal für Bachelors gelesen habe.
Das fängt schonmal damit an, daß Inhalte verklickert werden müssen,
die der Bachelor zu dem Zeitpunkt gar nicht verstehen *kann*, weil
die Grundlagen noch gar nicht geschaffen sind. Wie willst Du
Hamming-Distanzen berechnen, wenn es an elementaren Fähigkeiten zur
Vektor/Matrix-Multiplikation fehlt? Wie die aufwendigeren
Kompressionsverfahren (z.B. Golomb/Rice), wenn es auch da bereits an
der Mathe fehlt?
Könnte man *eventuell* richten, wenn man die Modulhandbücher besser
abstimmt, aber wenn Du letztendlich forderst, mit dem Bachelor in 6
Semestern ein Grundlagenwissen aufzubauen, das über Vordiplomsniveau
hinausgeht, wird hier eben auch die Zeit knapp, denn der 6-semestrige
Bachelor hat ja nur 5 Lehrsemester, das letzte geht für die
Bachelorarbeit drauf. Und ein 7-semestriger Bachelor vs.
9-semestriges FH-Diplom hat dann auch keine Vorteile mehr, denn das
Jahr Differenz füllen sicherlich etliche Bachelors durch
Wiederholungsprüfungen auf.
Was ich nämlich als absoluten Wissenskiller empfinde, ist der
Prüfungsmodus. Die Frage ist nun nicht mehr "interessiert mich das"
sondern "brauche ich das für die Prüfung". Kann ich nachvollziehen,
denn die armen Schweine müssen ja in 2-4 Wochen (je nach Uni) die
ganzen Semesterprüfungen runterreißen.
Und, anders als früher -- Semestralen gab's da ja auch, geht es nicht
um einen Schein und die Frage "bestanden oder nicht", sondern um eine
Leistung, die direkt in die Abschlußnote einfließt. Wenn man das noch
paart mit dem Anspruch einiger Dozenten ("ich bin das
Exmatrikulationsamt" bzw. "schauen Sie nach links, schauen Sie nach
rechts, einer der beiden wird am Semesterende nicht mehr da sein."),
wird das wahrhaft gruselig und führt nur zu einem:
Lernen auf Durchzug.
Dazu ein striktes Korsett, nämlich das Modulhandbuch, was einer
eigenen, interessensgetriebenen Spezialisierung nur sehr wenig Raum
läßt.
Auch die Entwicklung von Fähigkeiten wird nicht mehr befördert.
Früher hatte man Basispraktika und Proseminare, Praktika und Seminare
im Hauptstudium, seine Semesterarbeit und seine Diplomarbeit. Da
konnte man richtig reinwachsen. Nicht selten haben wir spätere
Diplomarbeiter bereits im Basispraktikum gefangen und uns
"herangezogen". Aus einigen meiner Praktikums- und Seminarteilnehmer
wurden gar spätere Doktoranden.
Das kannst Du heute nimmer.
Vor dem 3. Semester kannst Du wissenschaftlich mit den Leuten nichts
anfangen, weil schlicht die Grundlagen fehlen. Und nach dem 3.
Semester ist der Bachelor ja schon fast zuende, d.h. da hast Du noch
1,5 Jahre, davon letztendlich 6 Monate die Bachelorarbeit. Zeit für
eine ausreichende Einarbeitung und selbständiges Vertiefen bleibt da
schlicht nicht, das ist dann Abarbeiten eines Pflichtenhefts.
Eben das, was man früher mit der Studienarbeit hatte.
Sicher hatte das Diplom einen gewissen "Schlupf", woran nicht zuletzt
auch Ausbeuter und unfähige Aufgabensteller schuld waren, die dafür
sorgten, daß sich Studienarbeiten eben nicht über 3-4 Monate sondern
über mehr als ein Jahr hinzogen, Diplomarbeiten entsprechend. Das
hätte man allerdings anders kurieren können, dazu hätte man nicht das
-- international durchaus angesehene -- Diplomstudium kaputtschießen
müssen.
> Schon wahnsinn, was ein Semester weniger anrichtet... Gleich den
> Untergang unserer Gesellschaft. Wow. Ich bin zwar auch kein Fan von
> dieser Reform, aber so schlimm ist das alles auch nicht.
Ein Semester? Wo denn?
Bachelor/Master-Programme sind entweder 6+4 oder 7+3.
Die Regelstudienzeit des Diploms betrug 9 Semester. An FHs hielt man
sich daran, an Unis hatte man i.a. 12 Semester mit seinem Studium zu
tun, davon durchaus 8 Semester im Hauptstudium. (Ich spreche jetzt
von MINT-Fächern, nicht von irgendwelchen Orchideenfächern, in denen
man sich als Student ein Jahrzehnt und mehr verlustieren konnte.)
Auch wenn einige Inhalte aus dem ehemaligen Hauptstudium in den
Bachelor verlagert wurden, so ist das ein himmelweiter Unterschied.
Habe ich selbst gemerkt, als ich die exakt gleiche Vorlesung einmal
für Diplomer und einmal für Bachelors gelesen habe.
Das fängt schonmal damit an, daß Inhalte verklickert werden müssen,
die der Bachelor zu dem Zeitpunkt gar nicht verstehen *kann*, weil
die Grundlagen noch gar nicht geschaffen sind. Wie willst Du
Hamming-Distanzen berechnen, wenn es an elementaren Fähigkeiten zur
Vektor/Matrix-Multiplikation fehlt? Wie die aufwendigeren
Kompressionsverfahren (z.B. Golomb/Rice), wenn es auch da bereits an
der Mathe fehlt?
Könnte man *eventuell* richten, wenn man die Modulhandbücher besser
abstimmt, aber wenn Du letztendlich forderst, mit dem Bachelor in 6
Semestern ein Grundlagenwissen aufzubauen, das über Vordiplomsniveau
hinausgeht, wird hier eben auch die Zeit knapp, denn der 6-semestrige
Bachelor hat ja nur 5 Lehrsemester, das letzte geht für die
Bachelorarbeit drauf. Und ein 7-semestriger Bachelor vs.
9-semestriges FH-Diplom hat dann auch keine Vorteile mehr, denn das
Jahr Differenz füllen sicherlich etliche Bachelors durch
Wiederholungsprüfungen auf.
Was ich nämlich als absoluten Wissenskiller empfinde, ist der
Prüfungsmodus. Die Frage ist nun nicht mehr "interessiert mich das"
sondern "brauche ich das für die Prüfung". Kann ich nachvollziehen,
denn die armen Schweine müssen ja in 2-4 Wochen (je nach Uni) die
ganzen Semesterprüfungen runterreißen.
Und, anders als früher -- Semestralen gab's da ja auch, geht es nicht
um einen Schein und die Frage "bestanden oder nicht", sondern um eine
Leistung, die direkt in die Abschlußnote einfließt. Wenn man das noch
paart mit dem Anspruch einiger Dozenten ("ich bin das
Exmatrikulationsamt" bzw. "schauen Sie nach links, schauen Sie nach
rechts, einer der beiden wird am Semesterende nicht mehr da sein."),
wird das wahrhaft gruselig und führt nur zu einem:
Lernen auf Durchzug.
Dazu ein striktes Korsett, nämlich das Modulhandbuch, was einer
eigenen, interessensgetriebenen Spezialisierung nur sehr wenig Raum
läßt.
Auch die Entwicklung von Fähigkeiten wird nicht mehr befördert.
Früher hatte man Basispraktika und Proseminare, Praktika und Seminare
im Hauptstudium, seine Semesterarbeit und seine Diplomarbeit. Da
konnte man richtig reinwachsen. Nicht selten haben wir spätere
Diplomarbeiter bereits im Basispraktikum gefangen und uns
"herangezogen". Aus einigen meiner Praktikums- und Seminarteilnehmer
wurden gar spätere Doktoranden.
Das kannst Du heute nimmer.
Vor dem 3. Semester kannst Du wissenschaftlich mit den Leuten nichts
anfangen, weil schlicht die Grundlagen fehlen. Und nach dem 3.
Semester ist der Bachelor ja schon fast zuende, d.h. da hast Du noch
1,5 Jahre, davon letztendlich 6 Monate die Bachelorarbeit. Zeit für
eine ausreichende Einarbeitung und selbständiges Vertiefen bleibt da
schlicht nicht, das ist dann Abarbeiten eines Pflichtenhefts.
Eben das, was man früher mit der Studienarbeit hatte.
Sicher hatte das Diplom einen gewissen "Schlupf", woran nicht zuletzt
auch Ausbeuter und unfähige Aufgabensteller schuld waren, die dafür
sorgten, daß sich Studienarbeiten eben nicht über 3-4 Monate sondern
über mehr als ein Jahr hinzogen, Diplomarbeiten entsprechend. Das
hätte man allerdings anders kurieren können, dazu hätte man nicht das
-- international durchaus angesehene -- Diplomstudium kaputtschießen
müssen.