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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Desiderat

Schmid offenbart eine Unfähigkeit einen Artikel sinnvoll zu strukturieren, was zu einer ermüdenden Redundanz und Überlänge führt. Zu sicher 95 Prozent besteht er aus der formalen Beschreibung der politischen Verhältnisse in Tunesien, Sachthemen werden in einer einzigen Passage kurz angeführt, dann wieder fallengelassen. Es breitet sich ein verwirrendes Panorama politischer Parteien und politisch tätiger Einzelpersonen und ihrer Ausrichtung aus, ohne jegliche inhaltliche Einordnung, Erdung. Am Schluss ist man von so viel Deskription erschlagen und hat keine wirkliche Anhaltspunkte, worum es in Tunesien eigentlich geht, was die Bevölkerung bewegt, geschweige denn für einen möglichen Ansatz zu einer für diese positive Entwicklung. Dafür bringt Schmid folgenden Satz unter:

Allerdings lässt sich die tunesische Regierung nicht mit dem Gaddafi-Regime vergleichen, ihr fehlt sowohl dessen offene Brutalität und Gewaltaffinität als auch dessen zeitweilige revolutionär klingende Rhetorik.

Es trifft wohl zu, dass Tunesien wenig mit Gaddafi-Libyen verbindet, aber die angegebenen sind ganz gewiss nicht die Gründe dafür. Abgesehen davon, dass Schmid offenbar links- von rechtsdrehenden Bewegungen nicht unterscheiden kann, verleumdet er damit Gaddafi, dessen Staat dafür sorgte, dass es der Bevölkerung so gut ging, wie kaum einer anderen in Afrika. Diese profitierte von einem einmaligen Sozialstaat, der z. B. Studium im Ausland voll finanzierte, grosszügige Geschenke bei Eheschliessung vorsah und jedenfalls existentielle Probleme flächendeckend komplett löste. Natürlich kann man sagen, dass sei nur wegen des Ölreichtums möglich gewesen, was allerdings ein schwaches Argument ist, angesichts der Tatsache, dass alle anderen Ölstaaten in Afrika ganz anders dastehen. Natürlich wars eine Diktatur, in der Islamisten ihres Lebens nicht sicher waren...

Tunesien ist ein Desaster, das durch bürgerliche Parteienwirtschaft gewiss nicht beseitigt werden kann, im Gegenteil. Wenn etwas aus dem Text hervorgeht, dann deren Schuld an den heutigen Verhältnissen. Keine Parteien ist an sich kein schlechter Ansatz. Es fragt sich aber selbstverständlich, wodurch man sie ersetzt, wie konkret mit Macht verbundene Positionen vergeben werden. Die bürgerliche Form der Machtallokation funktioniert, wie man immer wieder konstatieren kann, nicht einmal in ihrem Herkunftsgebiet zufriedenstellend, in Staaten mit vorwiegend armer Bevölkerung und völlig andersgearteten Traditionen aber gar nicht. Das heutige Beispiel ist Burkina Faso - und wieder ein Militärputsch.

Statt umstandslos alternative Versuche als untauglich abzutun, müsste man also nach Wegen suchen, wie man ohne das Konzept Partei, dennoch aber echter Partizipation der Bevölkerung Staat machen könnte. Das ist ein drängendes Desiderat.

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