Die Ukraine ist ein sprachlich, konfessionell und vor allem hinsichtlich des historisch-politischen Selbstverständnisse der einzelnen Regionen gespaltenes Land. Ein solches Staatsgebilde zusammen zu halten, wäre nur mit weitreichenden Autonomieregelungen für die Regionen, z. B. nach dem Muster Belgiens, und aussenpolitischer Neutralität möglich.
Eine strikt föderative Struktur widerspricht aber den Staatsvorstellungen der (west-) ukrainischen Nationalisten. Die sahen die Ursache für die gescheiterte Nationalstaatsgründung 1918 in der heterogenen Bevölkerungsstruktur der (West-)Ukraine und setzten daher als NS-Kollaborateure im 2. Weltkrieg auf die Ausmerzung der Nicht-Ukrainer, damals Polen und Juden. Heute gelten die Russisch-sprachigen als Fremde, die entweder ukrainisiert oder zur Auswanderung gezwungen werden müssen. Ergebnis ist u. a. das im Januar in Kraft getretene, russisch stark diskriminierende Sprachengesetz, über das deutsche Medien, Ausnahme FAZ, nicht berichteten.
2006 ermittelte die Kiewer Akademie der Wissenschaften, dass 38% der Ukrainer im Alltag nur russisch sprechen und 17% russisch und ukrainisch. - Diese Konstellation ergab auch eine wahlpolitische Pattsituation. Die ukrainisch-sprachigen Regionen verhalfen 2004 dem pro-westlichen Präsidentschafts-Kandidaten Juschtschenko zum Wahlsieg, die eher pro-russischen bzw. auf Neutralität setzenden Regionen 2010 Janukowitsch. Der Putsch von 2014, die Krim-Sezession und die Abspaltung von Donezk und Lugansk brachten diese Konstellation ins Wanken.
Das verhalf dem pro-westlichen Präsidenten Poroschenko nicht zur Wiederwahl, weil sich seit 2014 die ökonomische und soziale Situation weiter verschlechtert hatte. Gewählt wurde 2019 der "Versöhnungspräsident" Selenskyj, der aber nicht als solcher wirken konnte - z. B. durch Autonomieregelung für den Osten - weil er sonst die z. T. schon im Machtapparat verankerten Rechtsextremisten (s. Botschafter Melnyk) gegen sich aufgebracht hätte. Und hier treffen sich die geopolitischen Interessen von USA & Co mit denen der aktuellen Kiewer Regierung. Beide wissen, dass nur ein breites Bündnis unter Einschluss der radikalen Nationalisten die Ukraine auf West-Kurs halten kann. Deshalb wird es so schnell keine Friedenslösung geben.