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  • fuckup_

mehr als 1000 Beiträge seit 07.09.2000

"Krankheit im engeren Sinn"

Ja - und das kann eine Krankheit im engeren Sinne sein, wenn sich dahinter etwa eine Reaktion des Immunsystems verbirgt, die zu einer Gehirnentzündung führt. Das ist eines meiner Forschungsthemen. So eine Erkrankung des Gehirns kann sich dann wie eine Depression äußern.

Das was der Herr Tebartz van Elst dort anspricht ist die Theorie einer schönen heilen Welt:
Ein laufendes Entzündungsgeschehen im ZNS erfüllt relativ zügig die Definition einer Multiplen Sklerose. Die Ursachen einer solchen ist weitgehend unklar, jedoch geht man davon aus, dass u.a. eine Reihe von Viren eine Rolle spielen. Die sich ausprägende Symptomatik ist in der Regel sehr vielfältig und kann über die Tage, Wochen, Monate weitgehend beliebig fluktuieren. Gestern sind noch Ameisen unter Haut gelaufen (Gefühlsstörung oder Dermatozoenwahn?), morgen ist es die verwaschene Aussprache (neurologische Störung oder Betrunken). In der Praxis geht so eine Geschichte dann so aus, dass der Arzt überhaupt nicht in der Lage ist das Gesamtbild zu integrieren. Die resultierenden Diagnosen sind bunt. Nicht ohne Grund korrelieren in der Psychiatrie alle Diagnosen mit nahezu allen anderen Diagnosen ähnlich stark.

Erkennt der Arzt auf ein pychotisches Geschehen, dann wird die Folge der Entzündung mit Antipsychotika behandelt. Die machen ruck-zuck hohl in der Birne. Jüngere Studien haben ergeben, dass z.B. 8 Wochen Zyprexa den Neocortex 4x soviel schrumpfen lässt wie im Schnitt in der Zeit zwischen 20 und 80 Jahren. Haldol Roboter sind noch ärger dran. Der Schaden der durch eine solche falsche Diagnose verursacht wird ist posterior nicht mehr reparierbar. Diese Sorte 'psychisch Kranke' kann man auf zehn Meter Distanz aus der Ferne erkennen.

Richtig spannend ist die Frage wie Herr Tebartz van Elst derartige Entzündungsherde erkennen möchte. Das geht damit los, dass der Feld-Wald-Wiesen 1 Tesla MRT nicht die Auflösung hat um kleinste Entzündungen aufzuzeigen. Zeitlich ergibt sich die Schwierigkeit, dass man Dauerschäden von aktiven Entzündungen unterscheiden muss und letztere gefunden werden wollen. So eine MRT Untersuchung ist erst einmal teuer. Da spielt die Krankenkasse irgendwann nicht mehr mit, z.B. wenn die dritte MRT Untersuchung ohne klare Indikation gemacht werden soll. Schlussendlich lagert sich Gadolinium im Gehirn ab. Einfach mal über ein Jahr jede Woche eine Reihenuntersuchung zu machen um die Entzündung zu greifen ist keine gute Idee.

Am Ende bleibt festzuhalten, dass "so eine Erkrankung des Gehirns" sich nicht nur "wie eine Depression äußern kann" sondern eine MRT Untersuchung bei schizophrenen Psychosen genauso angeraten ist, wie auch das Spektrum aller Psychosen fließen ineinanderüber gehen, wie am Ende auch alle Psychosen mit den Persönlichkeitsstörungen weit überlappen. Der Rest der psychischen Krankheiten sind dann Dinge wie Suchterkrankungen, Demenzen etc. pp. die man als Folge eines primären Geschehens interpretieren kann (z.B. Alzheimer scheint maßgeblich von Paradontitis verursachenden Bakterien getrieben zu sein). D.h. man kann die Psychiatrie als die Lehre der nachgelagerten Krankheiten erachten, also keine Königs-Disziplin sondern ein schnöder Unter-Behandlungsauftrag. Ungleich spannender ist die Behandlung der eigentlichen Ursachen, wie z.B. jetzt Covid-19.

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