Re: Man sieht sich immer zweimal im Leben

Ich fürchte eher, dass sie sich größtenteils an die Situation anpassen und mitlaufen werden. Von ihren Eltern lernen sie es ja nicht anders. In der Klasse meiner Tochter erarbeiten sie gerade ein „Coronalied“, in dem sie unter anderem trällern, dass Masken zwar doof aber superwichtig sind. Diese Strophen wurden von den Kindern eingereicht und dann von den Musiklehrern ausgewählt. Die Lehrer planen offenbar, dass sie das Ergebnis auch auf YouTube stellen.

Meine Tochter war entsetzt. Sie hatte nämlich Liedzeilen vorgeschlagen, die genau in die Gegenrichtung gingen. Ich glaube noch nicht einmal, dass den Lehrern klar ist, was sie da anrichten. Wie konnte es passieren, dass sich eine derart stromlinienförmige und obrigkeitshörige Lehrerschaft etabliert hat?

Unterschätze auch nicht den Gruppendruck, der hier aufgebaut wird. Auch wenn sich meine Tochter ganz bewusst gemeinsam mit uns dafür entschieden hat, diesen Testwahn nicht mitzumachen und lieber zuhause zu bleiben, merkt man natürlich, wie das an ihr arbeitet. Denn natürlich würde sie nichts lieber tun, als wieder mit ihren Freundinnen zusammenzukommen. Ich bin überzeugt, dass viele andere Eltern nur aus diesem Grund (und weil sie ihren Kindern dieses Schuljahr wenigstens ein bisschen normale Bildung gönnen wollten) zugestimmt haben. Was hier an den Kinderseelen angerichtet wird, ist kaum in Worte zu fassen.

Interessant auch das Verhalten der Schulrektorin, mit der wir gestern persönlich gesprochen hatten, da wir nach wie vor auf Präsenzunterricht bestehen - nur ohne Tests. Sie sei als Beamtin verpflichtet, die Regelungen des Ministeriums umzusetzen, und im Übrigen entstünde uns durch den Fernunterricht ja kein Nachteil. Eine Schule, die es schon vorher nicht schaffte, mehr als 1h Liveunterricht anzubieten, der jetzt natürlich wegfällt. Als ich sie auf ihre nicht unbeträchtliche Haftung sowie ihr Remonstrationsrecht aufmerksam machte, antwortete sie ausweichend.

Lediglich an der Schule meines Größten läuft es recht gut. Er ist 18 und hat sich selbst entschieden, zuhause zu bleiben. Für die diese Schüler gibt es eine Liveübertragung aus dem Klassenraum, so dass sie selbst dem Tafelanschrieb folgen und Zwischenfragen stellen können. Da war ich baff.