pinguin20 schrieb am 18. April 2010 20:38
> Filbinger war übrigens nur ein extremes und prominentes Beispiel,
> weil er und seine Taten als Richter im 3. Reich öffentlich bekannt
> waren.
Ja, das ist bekannt. Doch woher sollte man nach all dem Scheiss neue
Polizisten, Richter oder Anwälte nehmen? Die Missliebigen waren tot
oder im Ausland ohne Verlangen zurück zu gehen. Und die, die in
Deutschland überlebten galten vielen auch nach 1945 als
'Vaterlandsverräter. Es gab zwei Vergangenheitsbewältigungsmodelle:
im Westen wurden die, die es (soweit weithin bekannt) nicht allzu
übel getrieben hatte wieder in den Staatsdienst genommen. Im Osten
kam die 2. Garde zum Zug. Für mich auch ein Erklärungsmodell, warum
es der Osten auf keinen grünen Zweig brachte.
Siehe zu dem Thema auch den schönen deutschen Spielfilm 'Rosen für
den Staatsanwalt' [1]
> Es war doch so, dass die Elite, die unter Hitler vor den braunen
> Karren gestellt wurde oder sich mit wehenden Fahnen freiwillig davor
> gestellt hat, mit den wenigen Ausnahmen, die in den Nürnberger
> Prozessen verurteilt wurden, sowohl in der BR Deutschland als auch in
> der DDR wieder fröhlich in Amt und Würden waren und später ihre
> Pension genießen konnten.
Stell dir vor deine Sozialisierung geschieht um das Jahr 1930 herum.
Die Arbeitslosenzahl ist in Millionenhöhe, und sie sind wirklich auf
der Strasse sichtbar. Elend überall. Dann kommt ein neuer Kanzler
führt den Keynesianismus [2] in Deutschland ein noch bevor der
Begriff überhaupt geprägt wurde: die Beschäftigung steigt, die
Nachfrage wird stimuliert. Die Arbeitslosen sind weg von der Strasse,
Optimismus macht sich breit, mit der Wirtschaft geht es steil
bergauf. Gleichzeitig werden missliebige Personen (alle die nicht ins
Weltbild der Nazis passten) aus ihren Positionen entfernt:
Professoren, Studenten, Musiker, Politiker sowieso. Aber auch
Führungskräfte, Armeeangehörige, Einzelhändler. Deren Positionen
waren neu zu besetzen. Welche Karrierechancen taten sich hier auf? Wo
immer einer floh, verschwand oder abgesetzt wurde: wer gut stand mit
der Partei hatte reelle Chancen auf die Stelle! Die planmässige
Auslöschung aller Juden, Zigeuner, der politisch anders Denkenden
wurde ja erst viel später beschlossen/perfektioniert: mit dem
Überfall auch Polen, spätestens bei der Wannseekonferenz [3].
Aber zurück zu den Uneinsichtigen: die hatten es dank der NSDAP weit
gebracht. Viel weiter, als es zum Zeitpunkt der Sozialisierung (siehe
oben, ich ging von 1930 aus) absehbar war. Dass jemand die Chancen
nutzte die sich auftaten kann niemandem zum Vorwurf gemacht werden.
Natürlich sind persönliche Verbrechen zu ahnden! Und auch wer nach
damaligem Recht handelte müsste heute eingestehen dass es falsch war,
was geschah. Manchem gelang das nicht. Wem es gelang war meist
jünger: hineingeboren in die Naziherrschaft, hineingezwungen in die
Wehrmacht. Deren Karriere fing später an.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Rosen_für_den_Staatsanwalt
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Keynesianismus
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Wannseekonferenz
> Filbinger war übrigens nur ein extremes und prominentes Beispiel,
> weil er und seine Taten als Richter im 3. Reich öffentlich bekannt
> waren.
Ja, das ist bekannt. Doch woher sollte man nach all dem Scheiss neue
Polizisten, Richter oder Anwälte nehmen? Die Missliebigen waren tot
oder im Ausland ohne Verlangen zurück zu gehen. Und die, die in
Deutschland überlebten galten vielen auch nach 1945 als
'Vaterlandsverräter. Es gab zwei Vergangenheitsbewältigungsmodelle:
im Westen wurden die, die es (soweit weithin bekannt) nicht allzu
übel getrieben hatte wieder in den Staatsdienst genommen. Im Osten
kam die 2. Garde zum Zug. Für mich auch ein Erklärungsmodell, warum
es der Osten auf keinen grünen Zweig brachte.
Siehe zu dem Thema auch den schönen deutschen Spielfilm 'Rosen für
den Staatsanwalt' [1]
> Es war doch so, dass die Elite, die unter Hitler vor den braunen
> Karren gestellt wurde oder sich mit wehenden Fahnen freiwillig davor
> gestellt hat, mit den wenigen Ausnahmen, die in den Nürnberger
> Prozessen verurteilt wurden, sowohl in der BR Deutschland als auch in
> der DDR wieder fröhlich in Amt und Würden waren und später ihre
> Pension genießen konnten.
Stell dir vor deine Sozialisierung geschieht um das Jahr 1930 herum.
Die Arbeitslosenzahl ist in Millionenhöhe, und sie sind wirklich auf
der Strasse sichtbar. Elend überall. Dann kommt ein neuer Kanzler
führt den Keynesianismus [2] in Deutschland ein noch bevor der
Begriff überhaupt geprägt wurde: die Beschäftigung steigt, die
Nachfrage wird stimuliert. Die Arbeitslosen sind weg von der Strasse,
Optimismus macht sich breit, mit der Wirtschaft geht es steil
bergauf. Gleichzeitig werden missliebige Personen (alle die nicht ins
Weltbild der Nazis passten) aus ihren Positionen entfernt:
Professoren, Studenten, Musiker, Politiker sowieso. Aber auch
Führungskräfte, Armeeangehörige, Einzelhändler. Deren Positionen
waren neu zu besetzen. Welche Karrierechancen taten sich hier auf? Wo
immer einer floh, verschwand oder abgesetzt wurde: wer gut stand mit
der Partei hatte reelle Chancen auf die Stelle! Die planmässige
Auslöschung aller Juden, Zigeuner, der politisch anders Denkenden
wurde ja erst viel später beschlossen/perfektioniert: mit dem
Überfall auch Polen, spätestens bei der Wannseekonferenz [3].
Aber zurück zu den Uneinsichtigen: die hatten es dank der NSDAP weit
gebracht. Viel weiter, als es zum Zeitpunkt der Sozialisierung (siehe
oben, ich ging von 1930 aus) absehbar war. Dass jemand die Chancen
nutzte die sich auftaten kann niemandem zum Vorwurf gemacht werden.
Natürlich sind persönliche Verbrechen zu ahnden! Und auch wer nach
damaligem Recht handelte müsste heute eingestehen dass es falsch war,
was geschah. Manchem gelang das nicht. Wem es gelang war meist
jünger: hineingeboren in die Naziherrschaft, hineingezwungen in die
Wehrmacht. Deren Karriere fing später an.
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Rosen_für_den_Staatsanwalt
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Keynesianismus
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Wannseekonferenz