Die Kirche hat ja in Sachfragen noch nie wirklich was zu bieten
gehabt und praktisch auf allen Gebieten - wenn auch teils mit
jahrhundertelanger Verspätung - den Rückzug antreten müssen. Sie hat
sich mit dem heliozentrischen Weltbild anfreunden müssen, sie hat
sich mit der Psychoanalyse anfreunden müssen (warum genügt nicht die
kirchliche Seelsorge?), sie hat der »Entzauberung der Welt« nichts
entgegenzusetzen gehabt, sie hat Gottes Tod (irgendwie) assimiliert
(Buch beim Herder-Verlag: Nietzsche für Christen), die
Kirchengeschichtler unter den Theologen kommen um Deschner als
Zitatquelle nicht herum, und jetzt haben sie halt - in Gottes Namen
:-) - plötzlich nix mehr gegen Darwin einzuwenden.
Das sophistische Geraune um die Unterschiede zweischen
»Wirkursachen«, »Seinsursachen« und weiteren Ursachen-Sorten, das
hier in dem Artikel so treffend (und leider völlig unkritisch)
wiedergegeben wurde, scheint auf den ersten Blick auf die »Rettung«
Gottes im Sinne einer menschlichen Notwendigkeit (Woher sonst den
Sinn beziehen?) zu zielen, aber letztlich ist es eine
Verschleierungstaktik des innersten Anliegens der Kirche, der
Mission. Denn nachdem Gott bequem plötzlich auch *in* (bzw. neben)
den Erklärungen Platz nimmt, die Generationen von Forschern der Natur
mühsam abgetrotzt haben, lächelt er milde und meint: letztlich ist es
mir wurscht, wie ihr die Phänomene erklärt, in denen ich per
definitionem doch als »causa finalis« innewohne - Hauptsache,
geglaubt wird!
An den Begriffen »rational« und »irrational« entlang kann man
Ratzingers Ausführungen auch ganz überraschende Erkenntnisse
abgewinnen. Denn ebenso wie man den »irrationalen« Kern der Natur,
der ja laut Papst bei der erklärenden Naturforschung übrigbleibt, mit
Hilfe der göttlichen Vernunft dann doch noch irgendwie sinnvoll
machen kann, so könnte man die katholische Glaubenslehre mal von
ihren ganzen irrationalen Bestandteilen befreien und landete dann
entweder bei einem »Kult der Vernunft« im Sinne der französischen
Revolution oder vielleicht doch bei einem »common faith«, wie er John
Dewey vorschwebte. Dort werden die Sachen, die man wertvoll findet,
um ihrer selbst willen wertgeschätzt, ohne göttliches Beiwerk. Ich
stelle mir gerade vor und schmunzle dabei, wie Papst Benedikt seine
»Logos«-Philosophie zu Ende denkt und langsam beginnt, den Vatikan
aufzulösen, ähnlich wie das Gorbatschow mit der Sowjetunion
unterlaufen ist.
Ärgerlich fand ich an dem Artikel die implizite Unterstellung, es
gebe zwischen der kirchlichen Heilslehre (hier mal eben kurz mit dem
griechischen Logos indentifiziert) und dem seelenlosen Naturalismus
(früher hätte man an dieser Stelle gern »Materialismus« gesagt, aber
das klingt heute platt und paßt nicht zum Trendthema Hirnforschung)
keine weiteren philosophischen Ansätze - genausogut könnte man
behaupten, es habe sich seit der Renaissance bis heute außerhalb der
Kirche niemand Gedanken über Sinn, Ziel und Beschaffenheit des
menschlichen Daseins gemacht. Damit, Frau Kaul, kommen Sie nicht
durch. Sie können nicht einfach 800 Jahr Philosophie- und
Kulturgeschichte unter den Tisch fallen lassen und dann rufen: »Aber
irgendwer muß doch unseren Kindern sagen, was der Sinn des Lebens
ist!« (So gehört von einem brandenburgischen CDU-Abgeordneten Anfang
der 90er Jahre, als der Religionsunterricht duch ERL abgelöst werden
sollte. Hauptsache, geglaubt wird, nicht wahr?)
Neulich habe ich erfahren - um mal wieder etwas lebenspraktischer zu
werden - daß in Afrika katholische Priester Kondomen strikt ablehnend
gegenüberstehen, selbst bei Paaren mit einem AIDS-infizierten
Partner. Kondome hätten Löcher und ihre Verwendung führe in die
Hölle, bekommen die Leute gesagt, und ein Priester war so dreist, auf
diese Weise von ihren Ehegatten angesteckte Frauen als »moderne
Märtyrerinnen des Glaubens« zu bezeichnen. Ja, so gut meint es die
Kirche mit ihren Schäfchen. Hauptsache, geglaubt wird! (Näheres
nachzulesen in einem Artikel von Uta Ranke-Heinemann letzte Woche in
Junge Welt: http://www.jungewelt.de/2006/09-09/019.php)
gehabt und praktisch auf allen Gebieten - wenn auch teils mit
jahrhundertelanger Verspätung - den Rückzug antreten müssen. Sie hat
sich mit dem heliozentrischen Weltbild anfreunden müssen, sie hat
sich mit der Psychoanalyse anfreunden müssen (warum genügt nicht die
kirchliche Seelsorge?), sie hat der »Entzauberung der Welt« nichts
entgegenzusetzen gehabt, sie hat Gottes Tod (irgendwie) assimiliert
(Buch beim Herder-Verlag: Nietzsche für Christen), die
Kirchengeschichtler unter den Theologen kommen um Deschner als
Zitatquelle nicht herum, und jetzt haben sie halt - in Gottes Namen
:-) - plötzlich nix mehr gegen Darwin einzuwenden.
Das sophistische Geraune um die Unterschiede zweischen
»Wirkursachen«, »Seinsursachen« und weiteren Ursachen-Sorten, das
hier in dem Artikel so treffend (und leider völlig unkritisch)
wiedergegeben wurde, scheint auf den ersten Blick auf die »Rettung«
Gottes im Sinne einer menschlichen Notwendigkeit (Woher sonst den
Sinn beziehen?) zu zielen, aber letztlich ist es eine
Verschleierungstaktik des innersten Anliegens der Kirche, der
Mission. Denn nachdem Gott bequem plötzlich auch *in* (bzw. neben)
den Erklärungen Platz nimmt, die Generationen von Forschern der Natur
mühsam abgetrotzt haben, lächelt er milde und meint: letztlich ist es
mir wurscht, wie ihr die Phänomene erklärt, in denen ich per
definitionem doch als »causa finalis« innewohne - Hauptsache,
geglaubt wird!
An den Begriffen »rational« und »irrational« entlang kann man
Ratzingers Ausführungen auch ganz überraschende Erkenntnisse
abgewinnen. Denn ebenso wie man den »irrationalen« Kern der Natur,
der ja laut Papst bei der erklärenden Naturforschung übrigbleibt, mit
Hilfe der göttlichen Vernunft dann doch noch irgendwie sinnvoll
machen kann, so könnte man die katholische Glaubenslehre mal von
ihren ganzen irrationalen Bestandteilen befreien und landete dann
entweder bei einem »Kult der Vernunft« im Sinne der französischen
Revolution oder vielleicht doch bei einem »common faith«, wie er John
Dewey vorschwebte. Dort werden die Sachen, die man wertvoll findet,
um ihrer selbst willen wertgeschätzt, ohne göttliches Beiwerk. Ich
stelle mir gerade vor und schmunzle dabei, wie Papst Benedikt seine
»Logos«-Philosophie zu Ende denkt und langsam beginnt, den Vatikan
aufzulösen, ähnlich wie das Gorbatschow mit der Sowjetunion
unterlaufen ist.
Ärgerlich fand ich an dem Artikel die implizite Unterstellung, es
gebe zwischen der kirchlichen Heilslehre (hier mal eben kurz mit dem
griechischen Logos indentifiziert) und dem seelenlosen Naturalismus
(früher hätte man an dieser Stelle gern »Materialismus« gesagt, aber
das klingt heute platt und paßt nicht zum Trendthema Hirnforschung)
keine weiteren philosophischen Ansätze - genausogut könnte man
behaupten, es habe sich seit der Renaissance bis heute außerhalb der
Kirche niemand Gedanken über Sinn, Ziel und Beschaffenheit des
menschlichen Daseins gemacht. Damit, Frau Kaul, kommen Sie nicht
durch. Sie können nicht einfach 800 Jahr Philosophie- und
Kulturgeschichte unter den Tisch fallen lassen und dann rufen: »Aber
irgendwer muß doch unseren Kindern sagen, was der Sinn des Lebens
ist!« (So gehört von einem brandenburgischen CDU-Abgeordneten Anfang
der 90er Jahre, als der Religionsunterricht duch ERL abgelöst werden
sollte. Hauptsache, geglaubt wird, nicht wahr?)
Neulich habe ich erfahren - um mal wieder etwas lebenspraktischer zu
werden - daß in Afrika katholische Priester Kondomen strikt ablehnend
gegenüberstehen, selbst bei Paaren mit einem AIDS-infizierten
Partner. Kondome hätten Löcher und ihre Verwendung führe in die
Hölle, bekommen die Leute gesagt, und ein Priester war so dreist, auf
diese Weise von ihren Ehegatten angesteckte Frauen als »moderne
Märtyrerinnen des Glaubens« zu bezeichnen. Ja, so gut meint es die
Kirche mit ihren Schäfchen. Hauptsache, geglaubt wird! (Näheres
nachzulesen in einem Artikel von Uta Ranke-Heinemann letzte Woche in
Junge Welt: http://www.jungewelt.de/2006/09-09/019.php)